Medina Schaubert ist in Kasachstan geboren und 1997 mit ihren Eltern nach Deutschland umgezogen. Sie ist Gründerin des Unternehmens „Liamed“, das auf die Vermittlung und Betreuung von ausländischen Patienten spezialisiert ist. Außerdem ist sie Mitglied in der CDU Berlin Marzahn-Hellersdorf und engagiert sich im Integrationsausschuss. Im Interview erzählt sie von den Problemen mit den Russlanddeutschen in dem Berliner Bezirk und auch über eigene Integrationserfahrungen.

Frau Schaubert können Sie sich noch daran erinnern, wann Sie nach Deutschland gekommen sind?

Als wir nach Deutschland gekommen sind, war ich sieben Jahre alt. Das war im Sommer 1997. Mein Werdegang – und der meiner Geschwister – beginnt mit der gelungenen Übersiedlung meiner Eltern nach Deutschland.

Meine Mutter ist Ärztin. Sie hat in Kasachstan studiert und hat auch in dem Dorf Kirow gearbeitet. Sie hatte sich das Ziel gesetzt, eine Praxis in Deutschland aufzumachen. Damals durfte man dies, bis man 47 Jahre alt war. Also hat sich meine Mutter das Ziel gesetzt, bis sie 47 Jahre alt ist, eine Praxis zu eröffnen. Sie hatte alle Hürden hier in Deutschland gemeistert und noch einmal eine Approbation und Facharztprüfung abgelegt. Mein Bruder hat das Gleiche gemacht, weil er noch in Astana studiert hatte.

Die beiden waren für meine Schwester und mich immer ein Vorbild. Ich habe mein Abitur schon in Deutschland gemacht. Danach habe ich erst einmal eine Ausbildung als medizinische Fachangestellte gemacht und nebenbei in der Praxis meiner Mutter gearbeitet. Dort habe ich mich um das Qualitätsmanagement gekümmert. Danach habe ich mein Studium im Bereich Wirtschaftsingenieurwesen begonnen.

In vielen Biographien von Spätaussiedlern findet sich das Problem, dass sie ihren Beruf nicht mehr ausüben konnten oder keine Arbeit in ihrem Fach gefunden haben, weil oft Abschlüsse nicht anerkannt werden. Haben Ihre Mutter und Ihr Bruder diesbezüglich Glück gehabt?

Bei den Ärzten funktioniert die Anerkennung der Abschlüsse relativ gut. Schwieriger ist das bei den geisteswissenschaftlichen Berufen, zum Beispiel hatten Lehrer Probleme. Heute gibt es mehr Programme, mit deren Hilfe diese Menschen aufgefangen werden können.

Problematisch war auch die Integration von jungen Spätaussiedlern, die gerade einen Schul– oder Hochschulabschluss erworben haben. Man weiß nie so richtig, ob man sie aufs Gymnasium schicken soll oder auf die Realschule.

Wie war das bei Ihnen?

Als ich nach Deutschland kam, sollte ich eigentlich in die sechste Klasse, bin dann aber in die fünfte Klasse gegangen und habe dann mein Abitur gemacht.

Welchen Eindruck hatten Sie im Vergleich von der Schule in Deutschland?

Ja das war sehr verwunderlich. Die Disziplin und auch die Strukturierung des Unterrichts, das war schon eine Umstellung für mich.

Sie sind Unternehmensgründerin, haben eine Firma, die sich um die Vermittlung von Patienten aus dem Ausland nach Deutschland kümmert. Außerdem engagieren sie sich in der CDU. Wie kam es dazu?

Das war eigentlich nur eine Frage der Zeit, weil wir in der Familie schon immer interessiert an politischer Arbeit waren. Wir waren auf einem Ärzte-Symposium von Dr. Grundentaler. Dort sind wir ins Gespräch gekommen, und dann hat das Ganze seinen Lauf genommen. Hier in Marzahn leben auch ziemlich viele Russlanddeutsche, und wir engagieren uns hier für sie.
Ich bin Mitglied im Integrationsausschuss der CDU Berlin Marzahn-Hellersdorf. Hier sind die Russlanddeutschen die größte Minderheit im Bezirk. Es gibt auch eine chinesische und spanische Minderheit, die hier leben.

Wenn Sie in ihre Familiengeschichte schauen, was können Sie über die Integration ihrer Großeltern und Eltern in Kasachstan sagen?

Ich weiß, dass diejenigen, die nach Kasachstan deportiert wurden, mehr oder weniger Glück hatten, weil die Kasachen an sich von dem Konflikt weniger betroffen waren. Als zum Beispiel die Deutschen dort in die Steppe geworfen wurden, brachten die Kasachen ihnen zum Beispiel Nahrungsmittel vorbei. Meine Vorfahren sprechen auch alle kasachisch. Mein Großonkel wurde Waise und lebte quasi schon auf der Straße und wurde tatsächlich von einem Kasachen gerettet, der ihn gefunden und zu einer deutschen Familie gebracht hat. Dort ist er dann aufgewachsen.

Ich bin in einem Dorf aufgewachsen, in dem auch viele andere Nationalitäten gelebt haben. Wir haben sehr international gelebt und hatten nie Probleme mit Integration gehabt. Es gab Griechen, Aserbaidschaner, natürlich Kasachen, Weißrussen, Ukrainer. Damals fand ich das nicht problematisch.

Im Vergleich, welche Erfahrungen haben Sie hier in Deutschland bezüglich Integration gemacht?

Ich denke, vieles hat auch mit der Situation zu tun, zum ersten Mal in Deutschland zu sein und zu wissen, in einer neuen Gesellschaft ankommen zu müssen. Da nehmen viele Menschen zunächst nur die schlimmen Momente wahr. Wenn zum Beispiel eine einzelne Person gegen dich ist, denkst du sofort, alle Deutschen sind so. Das ist wahrscheinlich auch der Fehler, den die meisten Migranten hier in Deutschland begehen. Für mich war das nie ein Thema. Eher habe ich das umgekehrt erfahren. Viele Menschen, denen ich begegne, interessieren sich für meine Geschichte und fragen, warum ich aus Kasachstan komme.

Wie sehen Sie sich selbst?

Ich bin eine Russlanddeutsche, allerdings hatte ich einen Einblick in eine andere Kultur. Das ist ein großer Vorteil, wie ich finde. Ich kenne die Bräuche der Muslime und die Bräuche der asiatischen Bevölkerung. Das ist mir alles vertraut.

Inwieweit wirken sich ihre Lebenserfahrungen auf ihre Arbeit aus?

Ich bin kommunalpolitisch aktiv und engagiere mich im Integrationsausschuss. Mein persönliches Anliegen ist, die Akzeptanz der Russlanddeutschen, die hier im Bezirk leben, zu verbessern. Marzahn– Hellersdorf galt nach der Wende als sozial schwacher Bezirk. Mit dem Zuzug der Spätaussiedler in dieses Milieu besteht ein besonderes Konfliktpotential. Leider gibt es eine Diskrepanz zwischen der einheimischen und der russlanddeutschen Bevölkerung. Dies liegt auch daran, dass in vielen Familien nach wie vor russisch gesprochen wird. Das führt dazu, dass die Russlanddeutschen als Russen wahrgenommen werden. Hier ist es mir sehr wichtig zu sagen: Hey, so unterschiedlich seid ihr gar nicht, lernt gegenseitig eure Geschichte kennen!

Frau Schaubert, vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Dominik Vorhölter

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