Friedrich Scharf, Berater für Medizinische Humanitärhilfe beim Deutschen Roten Kreuz (DRK), war vor seiner Pensionierung Soldat im Sanitätsdienst der Bundesmarine und unter anderem als Lehrkraft in der Sanitätsausbildung tätig.

/Bild: Olesja Klimenko. ‚Friedrich Scharf, Berater für Medizinische Humanitärhilfe beim Deutschen Roten Kreuz (DRK)’/

Welche Zielsetzung verfolgt die Medizinische Humanitärhilfe und was ist Ihre Aufgabe in Kasachstan?

Ich bin Projektleiter beim DRK für alle Projekte des Bundesministeriums des Innern für  Kasachstan und die Region Zentralasien, und ich koordiniere die Hilfslieferungen von medizinischem Gerät und Technik.

Das Bundesministerium des Innern (BMI) unterstützt diese Hilfsprojekte finanziell nicht nur durch kulturelle und wirtschaftliche Massnahmen, sondern auch durch humanitäre Hilfe. Was wir anstreben, ist eine Hilfe zur Selbsthilfe in Bereichen der Gesundheitsvorsorge, der Not- und Katastrophenhilfe, wie die GIZ es auch tut. Wir arbeiten eng mit der GIZ-Vertretung Almaty zusammen und nutzen das Netzwerk zu den Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, zur Wirtschaft, zu den regionalen Verwaltungen sowie auch Gesundheits- und Sozialeinrichtungen. Mit der Organisation „Roter Halbmond“ haben wir vor Ort auch zusammengearbeitet, vor allem, wenn wir selbst Hilfe brauchten. Das betraf beispielsweise den Zoll und die Lieferformalitäten an der Grenze. Die Projektarbeit in Russland wird allerdings nicht über das Deutsche Rote Kreuz abgewickelt, sondern liegt in der Verantwortung der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

In der Region Zentralasien sind wir seit 1993 tätig; seit dieser Zeit laufen Projekte in Kirgisien, Kasachstan und Usbekistan. Wir haben Sozialstationen in Astana, Karaganda, Kokschetau und Kustanai aufgebaut und stellen ärztliche Hilfe in diesen Sozialstationen bereit. In Gemeinschaftsküchen werden auch kostenlose Mahlzeiten an bedürftige Menschen verteilt.
Ich selbst bin seit 1997 nach meiner Pensionierung als Projektleiter für die Verteilung der Hilfsgüter in Kasachstan und Zentralasien tätig. Unsere Arbeit umfaßt zwei Bereiche: Zum einen sind wir zuständig für die  Ausstattung der Sozialstationen mit Personal. Bisher hat das BMI diese Personalkosten über den Mittler DRK finanziert. Auf der anderen Seite wird diese Einrichtung noch materiell mit Technik, Gerätschaften und Verbrauchsmaterial, wie Medikamenten, ausgestattet. Dafür bin ich seit 1997 zuständig.

Wo werden die Gelder für diese Projekte bereitgestellt, inwiefern werden Sie vom Bundeministerium des Innern unterstützt?

Zum einem erhalten wir die Projektmittel vom BMI, welches sie über uns als Mittlerorganisation an die Einrichtungen vor Ort bereitstellt. Die Hilfslieferungen aus Deutschland, d.h. medizinisches Gerät, Verbrauchsmaterial oder auch Haushaltsgerätschaften, werden von uns hier vor Ort verteilt. Der Löwenanteil der finanziellen Mittel stammt jedoch von Spendengeldern, auf die wir dringend angewiesen sind.

Können Sie eine Bewertung vornehmen, inwieweit sich im Laufe der Jahre seit den 90ern bis jetzt eine Verbesserung der Umstände bezüglich Sozialarbeit und medizinischer Versorgung in Kasachstan eingestellt hat?

Es hat sich auf jeden Fall viel getan in der Zeit, aber einige Sozialstationen im Land laufen immer noch nach altem Muster. Das bedeutet, sie sind sehr personalintensiv, und damit unwirtschaftlich. Aber wir alle wissen, dass Erfolg nur durch Wirtschaftlichkeit kommt, daher muss das verbessert werden. Ich denke, dass in vielen Bereichen noch ein System aus Sowjetzeiten verbreitet ist. In der Planwirtschaft wird eben nur dann gearbeitet, wenn Lieferungen eintreffen und in den Polikliniken und medizinischen Einrichtungen Arbeit möglich ist. Wenn Lieferungen ausbleiben, wird eben nicht gearbeitet. Und was an Verbrauchsmaterial allein in einer stomatologischen Praxis an einem Tag verwendet wird, ist immens.

Wir können allerdings nicht jeden einzelnen Artikel aus Deutschland nach Kasachstan einführen, die Bereiche müssen irgendwann eigenverantwortlich und selbständig arbeiten. Sie sollten lernen, dieses Material selbst zu erwirtschaften. Aber hier stört die Mentalität, viele verlassen sich auf die Hilfslieferungen. Was nötig ist, ist ein neues Verantwortungsbewusstsein. Die medizinischen Leistungen sollten auch bezahlt werden, von Armen wenig, von Reichen mehr Leistung.

Unsere Fachleute unterstützen die Leute vor Ort und unterweisen die Fachkräfte innerhalb sechs bis neun Monaten, damit das Personal einmal selbst Verantwortung übernehmen kann. Die medizinischen Geräte und Produkte übereignen wir vom DRK den Fachkräften vor Ort, wir können ja die Verteilung nicht selbst in die Hand nehmen und alles kontrollieren.

Erstreckt sich Ihr persönlicher Verantwortungsbereich auf ganz Kasachstan? Besuchen Sie auf Ihren Dienstreisen einzelne Sozialstationen, um sich einen Überblick zu verschaffen?

Nein, das können ich und meine Mitarbeiter gar nicht. Wir haben allein in Kasachstan gemeinsam mit der Rothalbmond-Gesellschaft 35-40 Einrichtungen betreut, früher sogar noch in Kirgisien. Dazu müßten wir mindestens drei Monate oder länger hier vor Ort bleiben. In Kirgisien wickeln wir momentan  die Projekte von 2010 ab, dort wird es leider keine weiteren geben. Das liegt daran, daß das DRK den Vertrag mit dem „Roten Halbmond“ ab dem 1. April 2011 nicht verlängert hat. Deshalb mußten auch einige Sozialstationen geschlossen werden. Es gibt also keine rechtliche Handhabe mehr, hier auch helfen zu können.

Herr Scharf, vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Malina Weindl

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Die internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung ist mit 186 nationalen Gesellschaften die größte humanitäre Organisation der Welt. Das Deutsche Rote Kreuz ist Teil der weltweiten Gemeinschaft und leistet Menschen in Not, Konfliktsituationen, bei Katastrophen und gesundheitlichen oder sozialen Notlagen umfassend Hilfe. Das Deutsche Rote Kreuz agiert nach den Prinzipien der Menschlichkeit, Neutralität, der Freiwilligkeit, Universalität, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und der Einheit. Weltweit ist das DRK in der Katastrophenhilfe operativ tätig, aber auch in der langfristigen Entwicklungszusammenarbeit, so auch in Zentralasien.

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