Die Messe Frankfurt erkennt das Potenzial Kasachstans für die Messeindustrie und lädt exportierende kasachische Aussteller nach Deutschland ein. Was macht Kasachstan so interessant für die deutschen Aussteller? DAZ sprach mit Günter Prassl und Jürgen Werz von der Messe Frankfurt sowie mit Guenther M. Zimlich, dem Generaldirektor der Hotelkette Tien Shan, über neue Aufgaben und Herausforderungen.

Die Messe Frankfurt ist einer der größten Veranstalter weltweit. Sie steht für zukunftsorientierte Ausstellungen und aktuelle Trends. Was führt Sie vom Management der Messe Frankfurt gerade nach Kasachstan?

Günter Prassl: Zum einen ist es unser Ziel, dass wir uns in der Region Kasachstan und Zentralasien als Partner repräsentieren möchten. Für die Messe Frankfurt war es zunächst wichtig, für den Markt Kasachstan eine Potenzialanalyse zu erstellen. Um dies zu realisieren, war in diesem Falle nicht die Außenhandelskammer, sondern die Deutsch-Kasachische Universität (DKU) unser wichtigster Ansprechpartner.

In Kooperation mit der DKU haben wir unser gemeinsames Projekt der Potenzialanalyse initiiert, bei dem uns Guenther M. Zimlich sehr behilflich war.

In unserer Recherche sind wir zum Ergebnis gekommen, dass bis dato keine entsprechenden Studien oder Statistiken existieren, welche Aufschluss über die Anzahl der Herstellerfirmen im produzierenden Gewerbe geben.

Die Auflistungen der Firmen in verschiedenen Registern sind nicht differenziert bzw. selektiert nach „kleinen mittelständischen Unternehmen“, „Exportunternehmen“ bzw. „Handelsvereinigungen“.

Im Gegensatz zu Deutschland existiert das Verfahren, in dem alle Handwerke und Gewerbe in der Handwerkskammer registriert werden, in Kasachstan nicht. Die Mitgliedschaft in den hiesigen Wirtschaftsverbänden basiert auf einem freiwilligen Entschluss.

Daher ist es für uns auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten entscheidend, eine Potenzialanalyse für mögliche Messebeteiligungen durchzuführen.

Herr Zimlich, Sie sind seit Anfang Januar 2012 offizieller Repräsentant der Messe Frankfurt und „Official Representative for Kazakhstan“. Worin besteht Ihre Aufgabe in dieser Funktion?

Guenther Zimlich: Zum einen besteht meine Aufgabe in der Repräsentation, zum anderen in der Durchführung von Analysen, für die zwei Herangehensweisen möglich sind: Das ist der Besuch von verschiedensten Messen und das Akquirieren kasachischer Firmen auf der einen Seite. Diese Art der Selektion ist aber auch ein sehr aufwändiges Geschäft.

Auf der anderen Seite arbeite ich am Aufbau einer Datenbank, die alle produzierenden Firmen in Kasachstan umfassen soll. Nach meinem Dafürhalten werden das ca. 8000-10000 Firmen sein. Mithilfe der Kontakte und der Datenbank erhoffe ich mir einen guten Überblick über alle kasachischen Unternehmen im produzierenden Gewerbe.

Meine Aufgabe verlangt außerdem, dass wir die Unternehmen und Organisationen ansprechen, die einen gewissen Überblick über den Markt haben, wie z.B. die Eurasian Development Bank oder den Staatsfonds „Samruk-Kasyna“, unter dem insgesamt 212 Firmen zusammengefasst sind.

Wenn wir die Zusage zur Unterstützung vom Wirtschaftsministerium Kasachstans erhalten, können diese kasachischen Unternehmen nachhaltig vorbereitet werden. Außerdem kann man ihnen eine eigene Plattform bieten, auf der sie nicht nur ihre eigene Firma, sondern auch ihr Land Kasachstan repräsentieren können.

Für meine zukünftige Arbeit ist außerdem ein gewisses Maß an Reisen vor allem in die Regionen Kasachstans unerlässlich. Hier profitieren wir von der guten Zusammenarbeit mit dem Deutschen Generalkonsulat. Im Zuge dessen könnte ich mir gemeinsame Reisen in die Regionen vorstellen, z.B. nach Aktau, Atyrau, aber auch nach Astana und Shymkent, welches sich aktuell als Textilhochburg entwickelt.

Welchen Vorteil sehen Sie vom Frankfurter Management in einem offiziellen Repräsentanten der Messe Frankfurt für Kasachstan?

Herr Prassl: Unser Vorteil durch einen Repräsentanten wie Guenther Zimlich vor Ort ist, dass er auf allen relevanten Messen und deren Organisationen in der Region präsent ist und insbesondere mit den kasachischen Ausstellern und Unternehmen Kontakte knüpfen kann. Sehr wahrscheinlich kann man auf einer Regionalmesse davon ausgehen, dass der Aussteller auch ein Hersteller ist. Wir interessieren uns ausschließlich für das produzierende Gewerbe, für Manufakturen, u.a., weil wir momentan in den Branchen Textil, Konsumgüter und Sicherheitstechnik unser größtes Potenzial sehen.

Für uns kommt es nicht darauf an, einen Top-Verkäufer vor Ort in Kasachstan zu haben, dem es nur um die Akquise der Besucher geht. Wir brauchen eine Repräsentationsfigur mit einem ganz anders gearteten Profil: eine Person, die eine gewisse Seniorität ausstrahlt und vor allem auf ein gut ausgebautes Netzwerk an Kontakten zurückgreifen kann. Jemand, der die Repräsentation gekonnt umsetzen kann und diese vor den Provisionsgedanken stellt.
Mit Guenther Zimlich stellen wir diese wichtige Aufgabe der Repräsentation sicher.

Stichwort Internationalität: 64 von 101 Ausstellungen der Messe Frankfurt werden im Ausland durchgeführt. Welche Rolle spielen kasachische Aussteller dabei?

Herr Prassl: Natürlich möchten wir – so wie die meisten Messegesellschaften – den Kunden stets eine gesunde internationale Mischung präsentieren. Mit der Internationalität wachsen wir. Danach kommt unser wirtschaftliches Interesse zum Tragen: wenn wir kasachische Firmen über einen „gesunden Weg“ für unsere Messen gewinnen können, wird es uns gelingen, Produkte weltweit auf unserer Marketingplattform zu repräsentieren. Das funktioniert nur mit internationalen Ausstellern. Wir hätten zwar unser Wirtschaftsziel erreicht, wenn wir die Hallen mit gleichartigen Ausstellern füllen würden. In diesem Falle werden wir aber nur einer Zielgruppe gerecht und hätten den Sinn der Messe verfehlt.

Gesunder Weg bedeutet für uns vor allem „nachhaltiger Weg“. Das heißt, dass sich der Aussteller Gedanken über seine Außenwirkung, über seine Zielgruppe und seine Marketingstrategie macht.

Schließlich möchte ich auf einer deutschen Messe nicht nur deutsche Aussteller treffen, sondern die Welt, die dort zu Gast ist.

Die Messe Frankfurt kann die Kunden in der Vermittlung von Kontakten, Partnern und Ausstellern unterstützen. Wir sind in der Lage, für einzelne Branchen eine Vorauswahl zu treffen, indem wir den kasachischen Ausstellern genau vermitteln, welche Zielgruppe er wo treffen kann. Dies hilft ihm, seine Geschäftskontakte nachhaltig zu gestalten. Außerdem legen wir Wert darauf, kasachische Aussteller durch Dritte einzuladen, da in diesem Falle der Nachhaltigkeitseffekt viel größer ist.

Dieses „Match-Making“, das wir weltweit betreiben, symbolisiert letztendlich sehr gut unsere Nachhaltigkeit, die wir auf den Messen implementieren wollen.

Welchen Beitrag kann Kasachstan nun auf der Frankfurter Messe und deren Auslandsausstellungen leisten? Was macht Kasachstan so einzigartig oder interessant für die Frankfurter Messe und deutsche Wirtschaftsvertreter?

Herr Prassl: Zum jetzigen Zeitpunkt sind für die Messe Frankfurt die Einkäufer für uns wichtig. Auf der Ambiente, der größten Konsumgüterleistungsschau weltweit, konnten wir mit nachweislich über 4500 Ausstellern schon über 500 Besucher, also Einkäufer, aus Kasachstan verzeichnen.

Unser Ziel ist, dass wir durch die Präsenz kasachischer Aussteller ein viel größeres Spektrum an Produkten anbieten können und damit auch breiter aufgestellt sind. Wir wollen neuartige Produkte präsentieren, die für unsere Kunden interessant sind.

Wir können uns auch sehr gut vorstellen, dass Kasachstan in Zukunft zu einem offiziellen „Partnerland“ der Frankfurter Messe wird. Dieser Status ist für ein Land wie Kasachstan viel bedeutender als für ein europäisches Land, weil es mit einem erheblichen wirtschaftlichen Interesse verbunden ist. Ein Land wie Kasachstan kann durch den Titel „Partnerland der Messe Frankfurt“ und mit der „Marketingplattform“ Frankfurt seinen Bekanntheitsgrad erhöhen. Der Titel „Partnerland“ wird ein Jahr im Voraus verliehen, damit sich beide Länder entsprechend darauf vorbereiten können.

Die Messe Frankfurt ist mit den meisten Leitmessen und eigenen Tochtergesellschaften auf der ganzen Welt vertreten und verfügt nach Hannover über das drittgrößte Messegelände. Im Gegensatz zu anderen Messen erreicht Frankfurt aber einen viel höheren Umsatz, obwohl es keine regionale oder Landesförderung gibt. Trotzdem erbringt die Messe eine Umlandsrentabilität allein für Frankfurt am Main von 3,5 Mrd. Euro, was beachtlich ist.
Allein im Jahr 2011 kamen 2,1 Millionen Besucher nach Frankfurt auf die Messe – damit verzeichnen wir den höchsten Internationalitätsgrad von allen Messen.

Das Credo der Frankfurter Messe ist, dass Menschen, Produkte und Ideen zusammengebracht werden. Mit welchen Produkten soll die kasachische Wirtschaft auf der Frankfurter Messe für sich werben?

Herr Prassl: Für die Messe Frankfurt sind zum einen Produkte aus dem Textil- und Heimtextilbereich von Bedeutung. Heimtextilien sind ja bekanntlich Tapeten und Wandschmuck allgemein, die in Kasachstan und Russland stark vertreten sind. Zum anderen sind für uns Konsumgüter aus Kasachstan interessant, wie Kunsthandwerk-Produkte, künstlerische Drucke, Waren aus dem Bereich Innenausstattung, etc., die auf der großen Ambiente-Messe ausgestellt werden können.

Der Reparaturmarkt nimmt darüber hinaus einen großen Stellenwert ein: Mit Produkten, wie Automobil-Ersatzteile oder aus dem Maintenance-Bereich bieten wir weltweit die größten Messen an, die sich mit Produkten rund um den Gebrauchtwagen-Markt auseinandersetzen. Auf diesem sogenannten „Third-Tear-Supplier“-Markt findet man viele kasachische Hersteller. Ob sich diese Unternehmen dann später auf dem Markt behaupten können, ist eine andere Frage.

Weitere Produkte, die kasachische Produzenten anbieten, sind Musikinstrumente vom klassischen Instrument bis hin zur E-Gitarre. Zu guter Letzt haben wir aber auch die Security-Produkte im Blick: hier geht es um Sicherheitssysteme, Sicherheitskleidung und die gesamte Technologie im Security-Bereich.

Was kann Frankfurt von Kasachstan und Asien und umgekehrt lernen?

Herr Prassl: Wir offerieren den kasachischen Firmen eine echte Chance, sich mit einer Messebeteiligung auf der Messe Frankfurt als Aussteller optimal zu präsentieren. Wir unterstützen die Aussteller darin, sich besser und neu zu vermarkten sowie eine Vermarktungsstrategie zu finden.

Mit Herrn Zimlich vor Ort sollen außerdem die Akademien darauf vorbereitet werden, das Wissen und Know-How in Zukunft an junge Fachkräfte weiterzugeben. Diese Möglichkeit sehe ich auch in Kasachstan, indem unsere eigene Akademie, die Messe Frankfurt Akademie GmbH, Vorbereitungskurse für junge Fachkräfte anbietet. Das können wir je nach Ergebnis der Potenzialanalyse leisten. In einem zweiten Schritt laden wir dann die Zielgruppe, welche wir vorher analysiert haben, aus Kasachstan an die Akademie der Messe Frankfurt ein. Schließlich ist es ein gewisser Lernprozess, die eigenen Chancen zu analysieren, zu erkennen und zu nutzen.

Herr Zimlich: Die Messe Frankfurt bietet Kasachstan eine Plattform zur Repräsentation und außerdem kann sie ein interessantes Ausstellerland mit zukünftigem Entwicklungspotential dazugewinnen. Schon Goethe sagte, dass Reisen bildet. Selbst wenn Kasachen als Besucher auf die Messe nach Frankfurt fahren, dann hat das ja auch zumindest einen praktischen Mehrwert.

Der zweite Punkt ist, Kasachstan als Aussteller zu gewinnen, um das Land an sich zu präsentieren. Da die Firmen in Kasachstan zudem sehr stark rohstofforientiert sind, könnte ich mir vorstellen, dass das Wertschöpfungspotential in Kasachstan dadurch deutlich erhöht wird. Das Bruttoinlandsprodukt ist um 8,2 % und das Industrievolumen sogar um 17 % gewachsen.

Nicht zuletzt erhoffe ich mir als Generaldirektor der Hotelkette „Tien Shan Hotels“ im Zuge unserer Zusammenarbeit mit der Messe Frankfurt auch zusätzliche Übernachtungen künftiger Besucher und Aussteller.

Sie erwähnten die starke Rohstofforientierung kasachischer Firmen. Die Bedeutung der deutsch-kasachischen Industrie- und Rohstoffpartnerschaft ist unumstritten. Welche Rolle spielen Rohstoffe als Produkte kasachischer Aussteller auf der Frankfurter Messe?

Herr Prassl/Herr Werz: Rohstoffe sind keine relevanten Produktgruppen, welche auf den internationalen Messen der Messe Frankfurt präsentiert werden.

Im Zuge der Rohstoffpartnerschaft zwischen unseren beiden Ländern stehen zudem meist Großprojekte im Vordergrund. Wir wollen aber den Fokus auf kleinere Unternehmen legen – das hat für uns einen höheren Stellenwert.

In unserer zukünftigen Zusammenarbeit mit kasachischen Ausstellern legen wir Wert darauf, dass nicht nur die repräsentative Seite berücksichtigt wird, sondern auch Nischenunternehmen eine Chance bekommen und unterstützt werden. Diese Chance wollen wir auch unseren weltweiten Kunden anbieten. Dies ist übrigens ein innovativer Gedanke, der erstmals realisiert werden soll. Natürlich könnte es sein, dass die anvisierten kasachischen Unternehmen nicht wettbewerbsfähig sind. Momentan haben wir die Situation, dass neben den chinesischen Anbietern, die weltweit führend sind in Messebeteiligungen, Italien an dritter Stelle steht. Wir können den kasachischen Anbietern, wie erwähnt, mit der Messebeteiligung eine Chance offerieren, sich und ihre Produkte zu präsentieren und neu zu vermarkten.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Malina Weindl.

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