Die Verkehrssituation hat sich in Almaty in den vergangenen Jahren entscheidend verändert: Immer mehr Autos verstopfen die Straßen, die Metro wurde eröffnet, die Straßenbahn dafür abgeschafft. Was noch immer existiert, sind die Oberleitungsbusse, die emissionsfrei durch die Stadt fahren. Ein Plädoyer für den Trolleybus.

Als ich zum ersten Mal nach Almaty kam, es war im Winter 2013, gab es hier noch eine Straßenbahn. Gelbe Trams, in Deutschland ausgemustert, ratterten langsam durch die Alleen der Stadt. Die Straßenbahn Almaty stellte 2015 ihren Betrieb komplett ein. Zu langsam, zu veraltet, unrentabel und nach einigen schweren Unfällen ein Sicherheitsrisiko. Das ist, wie ich finde, ein großer Verlust für die Stadt und ein Skandal im öffentlichen Nahverkehr.

Almaty hat ein Verkehrsproblem. Die Straßen sind völlig überfüllt, Autos parken in den kleinsten Lücken, auf Gehsteigen und in Einfahrten und nehmen so den Fußgängern ihren Platz weg. Die Lärm- und insbesondere die Abgasbelastung durch den von Staus geprägten Verkehr ist enorm. Die endlosen Blechkarawanen sind zu einem großen Teil für den ohnehin erheblichen Smog in der Stadt verantwortlich. Die oft überfüllten Busse bekämpfen das Problem nur leidlich. Die erst 2011 eröffnete Metro ist zwar sehr schön, aber langsam und ineffizient.

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Alte Fotografien aus den Tagen, als die Stadt noch Alma-Ata hieß und Hauptstadt der Kasachischen Sowjetrepublik war, zeigen: Auf den breiten Prospekten herrschte kaum Verkehr. Zahlreiche Busse brachten ihre Fahrgäste staufrei ans Ziel. Die Straßen waren frei für einen effizienten Nahverkehr. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war es damit vorbei. Der öffentliche Nahverkehr brach vielerorts völlig zusammen.

Früher dachte ich immer, Oberleitungsbusse wären irgendwie etwas sehr Sowjetisches. Das ist natürlich Quatsch. Trotzdem haben scheinbar gerade die Ostblockländer einen Hang zum Trolleybus. In Deutschland verschwanden alle derartigen Systeme spätestens in den 60er und 70er Jahren, oft aber schon lange vor dem Krieg. Aber gerade die Sowjetunion verstand den Trolleybus als elementaren Bestandteil des effizienten, öffentlichen Nahverkehrs. Die längste O-Buslinie der Welt befindet sich auf der Krim, eine Überlandlinie zwischen Simferopol und Jalta. Der nördlichste Trolleybus der Welt ist im russischen Murmansk unterwegs und das kirgisische Naryn ist die kleinste Stadt der Welt, die ein O-Bussystem unterhält. In Kasachstan blieb von ehemals zehn Trolleybusnetzen lediglich jenes in Almaty übrig.

Und da frage ich mich, warum eigentlich nicht viel mehr auf Oberleitungsbusse gesetzt wird? Die Industrie forscht heute mit enormem Aufwand an abgasfreien Batteriebussen und neuartigen Elektroantrieben. Dabei sind Trolleybusse seit Jahrzehnten erfolgreich im Einsatz. Die Infrastruktur ist bei weitem einfacher und günstiger zu errichten als beispielsweise bei einer Straßenbahn, und das Ziel des emissionsfreien Busverkehrs ist ebenso erreicht. Ich bin ein großer Freund des Trolleybusses und ich freue mich, dass er zumindest in Almaty überlebt hat.

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Die Politik hat das Verkehrsproblem erkannt und die Notbremse gezogen. Das Verkehrskonzept der Stadt wird inzwischen radikal neuentwickelt. Viele Straßen wurden bereits in Einbahnstraßen oder Fußgängerzonen umgewandelt und außerdem separate Busspuren eingerichtet. Auf der Timirjazew-Straße wurde in einem groß angelegten Umbau ein sogenanntes Bus-Rapid-Transit-System, kurz BRT, aufgebaut. Dabei wurden die Busspuren und alle Haltestellen in die Fahrbahnmitte gelegt. Dadurch wird für den Busverkehr ein generelles Vorfahrtrecht vor dem Individualverkehr erzielt. Die Busse müssen sich nicht mehr in den fließenden Verkehr einordnen und können auf ihren eigenen Fahrstreifen zügig vorankommen. Eine Entwicklung, die sich in der staugeplagten Stadt auszahlt und auf die Fahrzeiten mehr als positiv auswirkt. Die Busse bleiben hier nicht mehr im Stau stecken.

Auch der Fuhrpark wird kontinuierlich modernisiert. Die allermeisten der alten Busse, die oft noch die Zielanzeigen und Fahrpläne deutscher Städte besaßen und beim Anfahren dicke schwarze Wolken ausstießen, sind längst ausgemustert. An einer konsequenten Entwicklung des städtischen Nahverkehrs wird kein Weg vorbeiführen. Und ich hoffe noch immer, dass auch die Straßenbahn irgendwann wieder über die Straßen Almatys zuckeln wird.

Philipp Dippl

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