Die Welt versinkt im Müll. Überall findet sich Abfall: am Straßenrand, am Strand, im Wald, sogar in der kasachischen Steppe. Und während Deutschen das Klischee anhaftet, Mülltrennung über alles zu lieben, muss in anderen Ländern das Bewusstsein für die Müllproblematik erst noch wachsen. Wie das gehen kann, zeigt ein junger Mann aus Almaty.

Täglich wird eine enorme Menge an Abfall produziert. Geschäfte, Restaurants, öffentliche Einrichtungen, Haushalte – jeder ist daran beteiligt. Erst in der vergangenen Woche teilte das Umweltbundesamt mit, dass Deutschland deutlich mehr Verpackungsmüll produziere als alle anderen Staaten in der Europäischen Union: 18,16 Millionen Tonnen im Jahr 2016. Das entspricht 220,5 kg Verpackungsabfall pro Kopf. Insgesamt lag das Abfallaufkommen in Deutschland 2016 bei 412 Millionen Tonnen. Doch wohin mit dem Müll, den wir tagtäglich zurücklassen?

Recycling ist zwar gut und wünschenswert, funktioniert jedoch nicht bei allen Materialien. Während die Recyclingquote in Deutschland bei Glas, Papier/Karton, Aluminium und Stahl bei über 85 Prozent liegt, wird nicht einmal die Hälfte der Kunststoffe wiederverwertet. In Kasachstan sieht die Situation noch um einiges schlechter aus: Laut Energieministerium wird jedes Jahr rund eine Milliarde Tonnen Müll produziert. Davon werden nicht einmal zehn Prozent wiederverwertet. Die Gründe liegen nicht nur in einem weniger ausgeprägten Umweltbewusstsein hierzulande, sondern auch in der fehlenden Technik.

Der Kampf gegen die Müllverschwendung

Mangels gelber, grüner oder blauer Tonnen, wie man sie aus Deutschland kennt, wird in den meisten Haushalten in Kasachstan sämtlicher Müll einfach in eine Tonne geschmissen. Pfand auf Flaschen oder Dosen gibt es nicht. Doch zumindest die Unmengen an Plastiktüten, die einem beim Einkaufen – auch ungewollt – in die Hand gedrückt werden, finden häufig ihr zweites Schicksal als Müllbeutel.

Angesichts dieser Flut an Plastikbeuteln und -bechern setzen sich immer mehr Menschen mit dem Problem auseinander. Die Künstlerin Saule Sulemeinowa zum Beispiel sammelt die Tüten und macht aus ihnen Kunst. 25.000 Stück hat sie so in nur vier Jahren gesammelt. Die App Tazalyk zeigt, wie jeder Einzelne einen Beitrag zum Problemthema Müll leisten kann. Entwickelt hat sie Aibek Rachim im Rahmen des Projekts „WeAlmaty“. Er hat die Trennung und Weiterverarbeitung von Müll zu seiner Aufgabe gemacht.

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Ökologie als Lebensaufgabe

Tazalyk
Erfinder der App: Aibek Rachim. | Foto: privat

Rachim stammt ursprünglich aus Almaty, ging jedoch in Pawlodar zur Schule. Schon als Schüler interessierte er sich für das Thema Ökologie. „Man kann in einer guten Position in einem guten Unternehmen Geld verdienen oder ein eigenes Geschäft oder ein Café eröffnen. Aber ich will einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen, die unserer Generation und unserer Erde einen Nutzen bringt“, erklärt der 21-Jährige zielsicher. In der zehnten Klasse habe er ein Miniunternehmen, das Müll sortiert, gründen wollen. Allerdings fehlten ihm die finanziellen Mittel. „Man braucht Geld und gute Technologien, und muss viel investieren.“

Mögliche Investoren lehnten seine Idee mit der Begründung ab, dass es nicht genug Müll gebe, damit sich eine Weiterverarbeitung lohne. „Aber Müll haben wir doch genug“, hält Rachim entgegen. Nach seinem Schulabschluss kehrte er nach Almaty zurück, um an der Internationalen IT-Universität, die zukünftige Informatikspezialisten ausbildet, zu studieren. In diesem Jahr hat er seinen Bachelorabschluss im Fachbereich „Engineering and Technology“ gemacht.

Doch warum mangelt es angeblich an Abfall für Recyclingunternehmen, wenn reichlich Müll existiert? „Das Problem ist, dass die Müllproduzenten, wie Firmen und einzelne Bewohner der Stadt, nichts über mögliche Abladestellen für eine Weiterverarbeitung wissen. Es besteht keine Verbindung zwischen diesen Instanzen“, erklärt Rachim. Vor diesem Hintergrund entwickelte er 2017 die App Tazalyk. „Das Ziel besteht darin, diese fehlende Verbindung zwischen denen, die Abfall aussortieren, recyceln und weiterverarbeiten, und denen, die Müll produzieren, herzustellen.“

Ein digitaler Helfer in Sachen Mülltrennung

Tazalyk
Die App zeigt verschiedene Abladestellen in Almaty. | Screenshot

„Tazalyk“ ist Kasachisch und bedeutet „Sauberkeit“. Mithilfe der gleichnamigen App ist es möglich, für verschiedene Müllkategorien (Altpapier, Plastik, Elektronik, Glas, gefährliche Substanzen, medizinisches Equipment, Metall und Textil) entsprechende Abladestellen in und rund um Almaty zu finden. Mit einem Klick erhält man zusätzlich detaillierte Informationen, wie Ansprechpartner, Kontakt und Öffnungszeiten. An diesen Punkten sitzt ein Verantwortlicher, der genau weiß, was in die Container kommen darf und was nicht. Danach kommt die Recyclingfirma und holt den Abfall ab. Außerdem gibt es in einigen öffentlichen Gebäuden, wie zum Beispiel im Businesszentrum Smart-Point, sogenannte „Ökoboxen“, in denen man Müll richtig sortiert entsorgen kann.

Um die App noch attraktiver zu gestalten wurde das Programm zu einer Art Wettbewerb ausgearbeitet. Einmal auf dem Smartphone installiert, kann man sich mit seiner Telefonnummer anmelden und ein persönliches Profil erstellen. Zu Beginn ist dort noch der Status „nicht-gleichgültig“ angegeben. Je mehr Müll jedoch ordnungsgemäß weggebracht wird, desto weiter entwickelt sich der Status, bis man zum „Öko-Superheld“ aufsteigt. Gleichzeitig wird angezeigt, wie viel Strom und Wasser man schon gespart hat und wie viele Bäume bereits gerettet sind. Ein kleines Bäumchen, das auf dem Display mit den jeweiligen Erfolgen wächst, zeigt den Fortschritt an. Wird Müll auf einer angezeichneten Stelle abgegeben, schreibt der zuständige Verwalter einen Punkt auf dem Tazalyk-Konto gut. Bei ausreichender Anzahl an Punkten gibt es Preise, beispielsweise ein Ticket für einen Kinobesuch im KinoPark. Die ersten fünf „Öko-Superhelden“ erhielten einen Gutschein über 5.000 Tenge (ca. 12,50 Euro) für den Buch- und Spielzeugladen Meloman. „Man muss den Menschen Anreize geben, Müll zu trennen“, meint Programmierer Rachim.

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Recyclingunternehmen als Kooperationspartner

Der Hauptpartner für die App ist „Kazakhstan Waste Recycling“, eines der größten Unternehmen auf kasachischem Territorium und Tochtergesellschaft von „Kagazy Recycling“. Nach eigenen Angaben sammelt und sortiert „Kazakhstan Waste Recycling“ jeden Monat 4.000 Tonnen an Altpapier und schützt so 85.000 ausgewachsene Bäume oder 10 km2 Wald vor dem Abholzen. Sechs Abladestellen betreibt das Unternehmen in Almaty, wo man nicht nur Altpapier, sondern auch Polyäthylen, Tetrapacks und PET-Flaschen ablagern kann.

Viktoria Gorobzowa, Geschäftsführerin von „Kagazy Recycling“  glaubt, dass der meiste Müll an den Abladestellen eher von wohlhabenderen Bürgern stammt, die sich um Umweltfragen Gedanken machen. „Menschen mit einem geringerem Einkommen denken nicht über Mülltrennung nach“, sagt sie. Es brauche Zeit, um diese Einstellung zu ändern. „Vor einigen Jahren wurden in Almaty Stationen zur Trennung von Plastik, Papier und sonstigen Müll eingeführt. Aber die Leute verloren das Interesse an dieser Initiative, als sie sahen, dass ein Abfuhrwagen kommt, den ganzen Müll auf einen Haufen wirft und ihn zu einer Mülldeponie fährt“, erklärt sie nüchtern.

„Kazakhstan Waste Recycling“ ist zudem Mitglied der Vereinigung „KazWaste“, einer 2013 gegründete Vereinigung, der mehr als 40 Organisationen und individuelle Unternehmer angehören, welche die „grüne Wirtschaft“ fördern wollen. Dabei geht es vor allem um den richtigen Umgang mit Müll. Die Assoziation kämpft gegen ökologisch gefährliche Praktiken und für die Gesundheit schädliche Methoden der Verschrottung.

Positives Fazit

Rachim pflegt einen engen Kontakt mit den Recyclingunternehmen, hat die Fabriken bereits besucht und sich ausgiebig mit ihnen befasst. Daher garantiert er eine fachgerechte Weiterverarbeitung des an abgegebenen Abfalls. Altpapier werde zum Beispiel in eine bestimmte Apparatur gegeben, in der dem Papier Zellulose hinzugefügt wird. Aus dieser Mischung werden Rollen für neues Papier hergestellt, erklärt der junge Mann. Für die Wiederverwertung von Plastik sind kleinere Unternehmen zuständig. „Plastikflaschen werden zerkleinert und durchlaufen den Prozess der Granulationen, bei dem sie in Flocken verwandelt und für die Herstellung von Rohren verwendet werden. Diese Rohre verkaufen die Unternehmen dann weiter“, so Rachim.

Mehr als 2.000 Benutzer kann Tazalyk inzwischen zählen. Inzwischen arbeitet er mit Privatpersonen, Unternehmen und der Regierung zusammen. Er will auch in staatlichen Behörden die „Ökoboxen“ aufzustellen. Außerdem soll nicht nur Almaty zu einer „Recycling-Metropole“ werden. „Wir planen derzeit unser Projekt in den kommenden zwei Monaten auch in anderen Städten auszubauen“, so Rachim. „Unternehmen aus Moskau, Minsk und Bischkek haben bereits ihr Interesse bekundet.“

Die App finden Sie unter folgendem Link: http://mytazalyk.kz/

Lisa Marie Lang

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