Fast alle Staaten stellen im Moment bekanntlich riesige Geldmengen bereit, um der Wirtschaftskonjunktur wieder Fahrt zu verleihen und das Auftreten größerer sozialer Verwerfungen zu verhindern oder zumindest zu bremsen. Der Ausgang des Unterfangens ist ziemlich ungewiss, und das Beispiel Deutschlands mit seiner „Abwrackprämie“ – die den Kauf neuer Autos stimulieren soll – zeigt, dass man dabei auf ziemlich seltsame Ideen kommen kann.

Das Ausgeben von Geld ist zwar leicht, das Erreichen gewünschter Effekte dagegen eher schwer bis ungewiss. Das Bereitstellen dieser Geldmengen wird unweigerlich zu einer drastisch höheren Staatsverschuldung führen, und auch die Inflation wird sich in ein paar Jahren in neue Höhen begeben.

Aus dieser Sicht ist es interessant, mal einen Blick auf die Verschuldung Kasachstans zu werfen. Hier werden ja enorme 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zur Krisenbewältigung eingesetzt, weltweit ein Spitzenwert. Die Industriestaaten wenden letztlich „ nur“ bis zu 4 oder 5 Prozent des BIP auf. Der kasachische Spitzenwert ist auch interessant, weil noch vor etwa zwei bis drei Jahren von hohen Tribünen des Landes verkündet wurde, dass hierzulande keine Krise bevorsteht. Das wahre Leben ist aber oft dynamischer als Programme, Pläne und Wünsche.

Vor der Betrachtung der Staatsverschuldung Kasachstans muss eine sprachliche Dopplung, die zu Missverständnissen führen kann, ausgeräumt werden. Das Wort Staat kann im Sinne von „Land“, aber auch als „staatliche Administration“ verstanden werden. Die jeweiligen Schulden sind aber verschiedene Kategorien, die man nicht verwechseln sollte. Das „Land“ Kasachstan hat Auslandsschulden etwa in Höhe der Wirtschaftsleistung, also des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das ist ziemlich viel. International wird die Schwelle von 70 bis 75 Prozent des BIP als kritisch angesehen. Die Außenschulden des Landes sind in Relation zu den Exporterlösen und zu den Devisenreserven zu setzen, um zu sehen, ob das Land diese Schulden auch bedienen kann. Dieser Koeffizient hat sich zwar auch verschlechtert, er ist im Moment aber noch nicht ganz im kritischen Bereich. Doch „Landesschulden“ sind keine Staatsschulden. Ihr größter Teil sind Schulden von Privatunternehmen, darunter des Bankensektors. Können diese Schulden nicht rechtzeitig bedient werden, geht schlimmstenfalls das Privatunternehmen pleite. Das ist zwar unangenehm, betrifft den Staat jedoch erst einmal nicht direkt.

Die eigentlichen Staatsschulden, also die aufgenommenen Kredite zur Finanzierung von Aufgaben des Staates als administratives System, sind für Kasachstan eigentlich kein Problem. Sie betragen im Moment ganze 6,4 Prozent des BIP. Auch wenn man die geringe Inlandsverschuldung dazurechnet, bleibt der Wert noch deutlich unter 10 Prozent. Damit sind aus dieser Sicht die Staatsfinanzen in Ordnung, und eine höhere Verschuldung würde keine besonderen Probleme verursachen. Um diese Aussage zu untersetzen, muss man sich die Verschuldungsquote der reichen Industriestaaten anschauen. Diese liegt zwischen etwa 50 Prozent vom BIP (Großbritannien) und 200 Prozent des BIP (Japan). Deutschland und die USA liegen mit über 60 Prozent derzeit im Mittelfeld.

In diesem Haushaltsjahr muss der kasachische Finanzminister 50 Millionen Dollar zum Bedienen der Auslandschulden – das heißt für deren Zinsen und Tilgung – bereitstellen. Das dürfte trotz der aktuellen Finanzkrise kein Problem werden. In den Jahren seiner Unabhängigkeit hat Kasachstan im Ausland insgesamt für 4,5 Milliarden Dollar Kredite aufgenommen. Bisher wurden davon 2,1 Milliarden Dollar getilgt. In den 1990er Jahren wurden diese Mittel fast ausschließlich für die Deckung des Staatshaushaltsdefizits eingesetzt, also überwiegend für laufende Ausgaben. Die ab 2000 aufgenommenen Kredite wurden ausschließlich investiert, also einer Verwendung zugeführt, die irgendwann wieder Ertrag bringt. Zwischen 2000 und 2008 wurden mit ausländischen Krediten immerhin 44 Investitionsprojekte finanziert. Wenn diese Mittel wirklich produktiv, also für die Fertigung wettbewerbsfähiger Erzeugnisse eingesetzt wurden, wäre das eine sehr sinnvolle Verwendung.

Die Zukunft muss nun zeigen, wie es mit der Staatsverschuldung weitergeht. Im Moment, und bei Bedarf auch in den nächsten etwa zwei Jahren, dürfte der staatliche Reservefonds ausreichen, um ein drastisches Ansteigen der Staatsschulden zu verhindern. Bis dahin sollte die Weltkonjunktur hoffentlich wieder in Fahrt gekommen sein und die Steuerquelle sprudeln. Sollte das nicht der Fall sein, wird sich Kasachstan in die Zahl der Länder einreihen müssen, die mit höherer, aber nicht unbedingt dramatischer Staatsverschuldung leben müssen.

Bodo Lochmann

17/04/09

Teilen mit:

Все самое актуальное, важное и интересное - в Телеграм-канале «Немцы Казахстана». Будь в курсе событий! https://t.me/daz_asia