Der Kasachische Deutschlehrerverband hat eine neue Vorsitzende gewählt. Galina Slonowa wird sich gemeinsam mit dem DLV-Vorstand stärker für die Verbreitung und Förderung der deutschen Sprache an den Bildungseinrichtungen Kasachstans einsetzen. DAZ sprach mit Galina Slonowa und Swetlana Garajewa, Mitglied im Vorstand des DLV, über zukünftige Aufgaben und Herausforderungen.

DAZ: Welche Hauptziele verfolgt der Deutschlehrerverband in Kasachstan?

Slonowa/Garajewa: Der Deutschlehrerverband DLV Kasachstans verfolgt das Ziel, die deutsche Sprache nicht nur im Zentrum und den Großstädten, sondern auch in den entfernten Regionen Kasachstans zu fördern, zu verbreiten und zu pflegen. An vielen Schulen im Norden und Osten des Landes wird leider kein Deutschunterricht mehr angeboten, wie wir wissen. Zum einen weil Deutsch durch das Englische verdrängt wird, zum anderen aufgrund bildungspolitischer Entscheidungen.

Junge Lehrer und Absolventen der Weltsprachen-Universität „Abylai Chan“ erhalten momentan keine Möglichkeit, in den Schulen der Provinz den Schülern ihre Kenntnisse beizubringen, weil der Deutschunterricht abgeschafft wurde.

Daher müssen wir vom Vorstand des DLV gemeinsam mit der Bildungspolitik Kasachstans eine Entscheidung zur Förderung der deutschen Sprache treffen. Damit helfen wir den Lehrern, die Deutsch wirklich von ganzem Herzen mögen und unterrichten möchten.

Slonowa: Außerdem ist es immens wichtig, dass die jungen Deutschlehrer in ihrer Arbeit unterstützt werden, vor allem in den Provinzen. Leider ist der Kontakt zu den Außenstellen des DLV und den dortigen Fakultäten nicht gut ausgebaut, er muss dringend intensiviert werden. Deshalb sehe ich den verstärkten Austausch und Dialog mit den dortigen Fachkräften als wichtigste Aufgabe des DLV an.

In allen Gebieten Kasachstans existieren Außenstellen des Deutschlehrerverbandes – insgesamt also 14. Wir beginnen nun, ein Netzwerk mit allen Verbandsfilialen aufzubauen. Um diese Idee von einem umfassenden Netzwerk zu realisieren, planen wir den Aufbau einer neuen Website. Das hängt natürlich von den finanziellen Mitteln ab, die Web-Designer müssen bezahlt werden. Wir vom Vorstand des Deutschlehrerverbands Kasachstans arbeiten übrigens ehrenamtlich, d.h. ohne Gehalt. Das tun wir, weil wir es als unsere „gesellschaftliche Pflicht“ ansehen und weil wir Enthusiasten sind.

Garajewa: Daher ist es das Hauptziel des DLV, unsere Arbeit und unsere Ziele mit den Außenstellen des DLV eng abzustimmen. Es müssen Kontakte und Verbindungen geschaffen werden, um die deutsche Sprache zu pflegen, zu fördern und die Sprachkenntnisse bei den Kollegen zu vertiefen, um letztendlich unsere Schüler und Studenten besser zum Deutschlernen zu motivieren.

Welche Rolle wird der DLV auf der Bildungsmesse im April spielen?

Garajewa: Der Deutschlehrerverband kann und muss eine große Rolle auf der Bildungsmesse spielen. Was die Bildungsangebote betrifft, so haben wir als Deutschlehrer lediglich einmal in fünf Jahren die Möglichkeit, Weiterbildungsangebote in Deutschland wahrzunehmen. Meiner Meinung nach ist das nicht ausreichend. Deshalb könnte der DLV die Möglichkeit nutzen, selbst Seminare anzubieten und bei der Organisation zu unterstützen. Dank der guten Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut können wir jedoch eine breite Palette von Bildungsangeboten für Deutschlehrer in Kasachstan nutzen.

Slonowa: Erfahrene Lehrer könnten in die Regionen (Norden) Kasachstans fahren und dort ihre Vorträge halten. Die wichtigsten und dringlichsten Themen sind hier Deutsch als zweite Fremdsprache oder Didaktik/Methodik. Neue Unterrichtsmethodiken, die wir von deutschen Fachkräften aus Deutschland erhalten, müssen wir für uns weiterentwickeln und unseren Kollegen in ganz Kasachstan erklären und vermitteln. Damit wirken diese Kollegen als Multiplikatoren in den einzelnen Regionen. Denn nicht alle Hochschullehrer haben die Möglichkeit, nach Almaty und Astana oder gar nach Deutschland zu reisen, um an entsprechenden Weiterbildungsseminaren teilzunehmen. Durch diese Multiplikatorenseminare können wir die neue Methodik und Didaktik sowie neuen Lehrstoff verbreiten.

Wovon unterscheidet sich die Methodik des DaF-Unterrichts von anderen Systemen?

Garajewa: Es gibt eine viel reichere Palette zur Methodik des DaF-Unterrichts. Die wichtigste Unterrichtsmethodik ist unserer Meinung nach die kommunikative Methodik in Bezug auf die vier Fertigkeiten Sprechen, Schreiben, Lesen und Hörverstehen.

Slonowa: Zur kommunikativen Methodik erhalten wir vom Goethe-Institut viel mehr Lehrmittel für unseren Deutschunterricht, als dies beispielsweise in der Provinz der Fall ist. Diesen Mangel gilt es auszugleichen.

Was motiviert Ihre Schüler und Studenten zum Deutschlernen?

Slonowa: Unsere Studenten sind von der Möglichkeit eines Studiums in Deutschland begeistert. Dafür wird eine Reihe von interessanten Stipendien angeboten. An den meisten Universitäten in Deutschland ist das Studium im Gegensatz zu anderen Ländern immer noch kostenlos, das heißt ohne Studiengebühren. Unsere Abaj-Universität pflegt gute Beziehungen zu Partneruniversitäten in Freiburg und zu zwei Hochschulen in Österreich. Außerdem kann man seine Sprachkenntnisse an Sommerschulen in Deutschland verbessern. Unsere Studenten der Magistratur streben in einem weiteren Schritt eine wissenschaftliche Karriere, eine Promotion, in Deutschland an.

Um in Deutschland zu studieren, müssen unsere Studenten ein Sprachdiplom auf B2-Niveau ablegen. Diesbezüglich arbeiten wir eng mit dem Goethe-Institut zusammen. Mit Sprachkenntnissen auf diesem Niveau und einem Studium im Ausland können sich die Studenten als hochqualifizierte Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt in Kasachstan für eine hochwertigere Arbeit bewerben.

Wie motivieren Sie im Gegensatz dazu diejenigen Studenten, die Deutsch als zu schwer empfinden?

Garajewa: Die beste Motivation ist, mit guten Deutschkenntnissen für Praktika oder Studienaufenthalte nach Deutschland zu fahren. Außerdem rate ich meinen Studenten, dass sie jede Gelegenheit ergreifen sollten, um mit Muttersprachlern zu sprechen. Ich selbst hatte früher nicht so viele Möglichkeiten zu sprechen. Heute gibt es viele deutsche Firmen, wo man im Gespräch mit Muttersprachlern seine Deutschkenntnisse anwenden und schulen kann. Eigentlich hilft nur reden, reden, reden!

Slonowa: Meinen Studenten sage ich immer, dass sie viel leichter und einfacher Deutsch erlernen, wenn sie Deutsch als zweite Fremdsprache neben Englisch gewählt haben. Beide Sprachen sind sich sehr ähnlich. Besonders die Aussprache und Phonetik ist im Deutschen viel einfacher, weil es so gesprochen wird, wie es geschrieben wird.

Welchen beruflichen Weg schlagen ihre Absolventen mit den guten Deutschkenntnissen nach dem Studium ein?

Garajewa: Absolventen unserer Fakultät für Übersetzen und Dolmetschen finden zum Beispiel Stellen in der Wirtschaft, in verschiedenen deutschen Firmen, wie Siemens, Bosch, Mercedes, und kleineren Unternehmen.

Dort bewerben sie sich als Dolmetscher, Übersetzer oder Office Manager. Allerdings mit den zwei Fremdsprachen Englisch und Deutsch, denn Englisch ist ohnehin eine Grundvoraussetzung in der Wirtschaft.

Wir sind darüber hinaus bemüht, auch die Studenten der Anglistik dahingehend zu motivieren, dass sie als zweite Fremdsprache Deutsch wählen.

Wir pflegen gute Kontakte zur Fakultät Dolmetschen und Übersetzen an der Leipziger Universität, aber auch zur Universität Germersheim bei Mainz. Allein drei unserer Studenten mit Deutsch als erster Fremdsprache haben DAAD-Stipendien bewilligt bekommen. Andere DAAD-Stipendiaten sind für ihr Auslandsstudium nach Düsseldorf und Stuttgart gegangen.

Diesen Vorteil versuchen wir den Studenten zu vermitteln: Mit zwei Fremdsprachen hat man selbstverständlich bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt als nur mit einer Sprache.

In Deutschland findet momentan vor allem in Grundschulen ein Generationenwechsel statt. Das Alter der Lehrer/Innen sinkt und verspricht viele Änderungen im Unterrichtsbetrieb. Wie bewerten Sie diese Situation in Kasachstan?

Garajewa: Meiner Einschätzung nach sind die älteren Kollegen etwas motivierter und enthusiastischer, Deutsch zu unterrichten. Sie sind viel aktiver in der Förderung und Verbreitung der deutschen Sprache. Viele ältere Deutschlehrer versuchen alle Hebel in Bewegung zu setzen, um Werbung für Deutsch zu betreiben, die Sprache zu erhalten und zu pflegen. In Deutschland hatte ich einen anderen Eindruck erhalten. Ich nahm an einem Seminar in Frankfurt teil und stellte fest, dass dort gerade die jüngeren Deutschlehrer viel motivierter sind. Natürlich gibt es für die relative Gleichgültigkeit der jüngeren Lehrergeneration in Kasachstan verschiedene Gründe. Aber es wäre gut, wenn wir gerade unseren jungen Kollegen Unterstützung geben und methodische Hilfe leisten könnten. Denn die junge Generation ist unsere Zukunft.

Die Veränderungen im Unterrichtsbetrieb, die Sie ansprachen, sehe ich so nicht. Für alle Kollegen, sowohl für die erfahrene ältere Generation als auch für die jüngere gibt es gleiche Chancen der Aus- und Weiterbildung. Die Hauptsache ist, dass man den starken Wunsch hat, sich weiterzuentwickeln und seine Sprachkenntnisse stetig zu vertiefen.

Dahingehend sind wir auch dem Goethe-Institut sehr dankbar, dass für alle Deutsch-Lehrkräfte Weiterbildungen und Fachseminare angeboten werden.

Welche Herausforderungen gibt es in Studium oder Lehrbetrieb?

Garajewa: Unsere Absolventen sind nach dem Studium etwas „resigniert“. Lange Jahre haben sie die Sprache Deutsch, Methodik und Didaktik studiert, Schulpraktika durchlaufen. Dann kommen die als junge Pädagogen an die Schulen und erfahren, dass der Deutschunterricht abgeschafft bzw. gekürzt wurde. Viele sind gezwungen umzuschulen, eine neue Fremdsprache zu lernen. Meist nehmen sie Englischkurse, um dann statt Deutsch Englisch zu unterrichten. Das ist keine optimale Situation, an die sich gut ausgebildete Fachkräfte erst einmal anpassen müssen.

Schwierigkeiten treten auch dann auf, wenn die jungen Absolventen gezwungen sind, statt an der Schule zu unterrichten, in die Wirtschaft zu gehen und eine artfremde Arbeit zu verrichten.

Was würden Sie Ihren Studenten gern mit auf den Weg mitgeben?

Garajewa: Wir möchten die Studenten mit unserem Enthusiasmus und der Liebe zur deutschen Sprache anstecken, sie für Deutsch begeistern. Vielleicht klingt der Begriff jetzt zu stark, aber wir sind auch in einer gewissen Art und Weise „Patrioten“. Wir propagieren und werben schon seit vielen Jahren für die deutsche Sprache. Mit unseren Studenten organisieren wir gemeinsam verschiedene Veranstaltungen zum Thema Sprache und Kultur. Für uns ist es wichtig, dass unsere Studenten und zukünftigen Lehrer von Deutsch begeistert sind und im Ergebnis davon motiviert zu unterrichten.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Malina Weindl.

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Galina Slonowa ist die neugewählte Präsidentin des DLV, des Kasachischen Deutschlehrerverbandes. Sie ist Dozentin an der Abai-Universität, Fakultät für Fremdsprachen und Internationale Beziehungen, Lehrstuhl für die Sprachen Deutsch und Französisch. Seit nunmehr 30 Jahren ist sie im Bildungswesen tätig.

Swetlana Garajewa ist Dozentin an der Weltsprachenuniversität „Abylai Chan“ am Lehrstuhl für Übersetzen und Dolmetschen. Sie blickt ebenfalls auf eine Berufstätigkeit von 30 Jahren zurück und ist Vorstandsmitglied im DLV.

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