Dieser Tage beendet Claus Storm seinen achtjährigen Einsatz in Kasachstan als Fachberater für Deutsch als Fremdsprache und Koordinator des Lehrerentsendeprogramms der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA). Im zweiten Teil des Interviews sprach DAZ-Redakteurin Cornelia Riedel über seine persönliche Erfahrungen in Kasachstan und Zukunftspläne.

Zuerst eine Frage: Warum haben Sie sich entschieden, als Lehrer ins Ausland zu gehen?
Man kann nur gewinnen, wenn man ins Ausland geht. Für mich wäre es keine schöne Perspektive, 30 Jahre lang gemeinsam mit anderen in einem Lehrerzimmer grau zu werden. Und das Leben unter anderen Bedingungen öffnet den Blick, vermittelt Zufriedenheit, man entwickelt sich weiter. Erst in Belgien, wo ich acht Jahre lang als Lehrer arbeitete, und in Kasachstan wurde ich zum Spezialisten für Deutsch als Fremdsprache. In Kasachstan habe ich außerdem eine größere innere Ruhe gewonnen und habe gelernt, mit unerwarteten Situationen gelassener umzugehen. Man wird gelassener und lernt, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Man lernt, mit Wechseln umzugehen und sich über Typisches der postsowjetischen Staaten nicht aufzuregen. Und man lernt auch, dass man neben Plan A auch immer Plan B und für alle Fälle auch noch Plan C haben sollte. Und hier gibt es so viele neugierige, höfliche und fleißige Menschen als Schüler, das macht die Arbeit umso schöner. Ich habe Hochachtung vor den Menschen hier, den Lehrerkolleginnen, sie arbeiten unter schwierigen Bedingungen, geben nicht auf, kämpfen mit täglicher materieller Not, haben oft nicht mal Geld für die Gesundheit und notwendige Operationen. Doch sie geben nicht auf und sind nicht verkniffen, angespannt oder zornig, sie sind immer gelassen, scherzen und feiern auch viel. In Europa wäre das vielleicht ein Widerspruch, doch hier entwickeln die Leute eine gewisse Zähigkeit, die sich harmonisch mit ihrem freundlichen Wesen verbindet.

Haben Sie einen Lieblingsort in Kasachstan?
Ich mag Petropawlowsk sehr, dort wurde die alte Architektur nicht kaputtmodernisiert und die Fußgängerzone sehe ich als Vorbild vorsichtiger, gelungener Stadtsanierung. Almaty ist eine sehr grüne Stadt am Rande der Steppe, schön, aber schmutzig und zum Teil schon kaputtmodernisiert. Und Astana ist, mit dem europäischen Blick betrachtet, eher eine Enttäuschung: Man will hier eine moderne europäische Stadt imitieren und wiederholt dabei fast alle europäischen Fehler: Die Stadt wird eher für Autos statt für Menschen gebaut, es gibt Glanz, Glitzer und Glamour statt Atmosphäre, es gibt Marmor statt Bäumen. Der alte Teil der Stadt gefällt mir besser, doch im modernen Astana fühlt man sich verloren und unterkühlt.

Unterwegs zu sein und oft die Arbeitsorte und -länder zu wechseln ist eine Herausforderung für das Familien- und Privatleben. Wie gehen Sie damit um?
Weil ich mich nie dafür entschieden habe, eine Familie zu gründen, sind diese häufigen und langen Wechsel keine großen Belastungen. Natürlich leidet der Freundeskreis darunter, und er wird auch kleiner, wenn man zu lange zu weit weg ist. Aber echte Freundschaften bleiben auch über die Distanz hinweg bestehen, und an oberflächlichen Freundschaften habe ich kein Interesse. Hinzu kommt: Fern der Heimat zu leben und zu arbeiten ist ja nicht nur belastend, sondern auch ein wertvolles Geschenk. Durch all die Wechsel habe ich immer das Gefühl gehabt, dass ich mich weiterentwickle. Doch diese Wechsel müssen mit dem Kopf und mit dem Herzen gemacht werden. Bei mir ist die Bereitschaft zum Wechsel, zum Wandel gleichzeitig Wunsch, Wille und Bedürfnis und gehört zu den schönsten Erfahrungen meines Lebens.

Was planen Sie für die Zeit nach Kasachstan, werden Sie zurück nach Europa gehen?
Ja, ich gehe sehr gern zurück nach Europa: die grüne Natur, das Wasser, die europäischen Verhältnisse, darauf freue ich mich schon sehr. Doch offen gestanden, zieht es mich nicht an eine deutsche Schule in einer Großstadt mit ihren speziellen Problemen. An einer deutschen Schule arbeitet man ganz oft nicht zusammen, jeder kämpft meistens für sich und mit seinen eigenen Problemen. Im Ausland ist dagegen die Zusammenarbeit das Allererste und das Allerschönste, und das gefällt mir.

Was sind ihre Zukunftspläne, wo geht es nach Kasachstan hin?
Ich hatte meinem Chef von der Schulbehörde in Hamburg gesagt, dass ich nicht zurück möchte an eine Hamburger Schule, und so standen zuerst Überlegungen über einen Einsatz in Hamburgs Partnerstädten Shanghai, Prag oder St. Petersburg an. Mein Dienstherr erwartet von mir, dass ich auch am neuen Dienstort die „Hamburgische Mütze“ trage, also die Region, den Handels-, Wirtschafts- und Tourismusstandort Hamburg hervorhebe und das tue ich gern. Ich werde nun also, und die ZfA hat dem freudig zugestimmt, ab Ende August im polnischen Olsztyn (früher: „Allenstein“) arbeiten, in einer Sprachdiplomschule nahe der Grenze zum Kaliningrader Gebiet. Es ist ein bilinguales Lyzeum und unter anderem werde ich dort auch Seminare für Lehrer und methodisch-fachliches Training für Deutsch als Fremdsprache anbieten. Eine Besonderheit wird der deutschsprachige Geschichtsunterricht sein, den ich zusammen mit einem polnischen Lehrer dort anbieten werde. Mein Ziel ist es, einen modernen, weltoffenen, europäisch orientierten Geschichtsunterricht anzubieten.

Noch eine letzte Frage: Was werden Sie bis zu Ihrer Abreise aus Kasachstan noch tun?
Die dienstlichen Aufgaben gehen bis zum letzten Tag weiter, und täglich kommt immer noch etwas Neues dazu. Der Sprachdiplom-Sommerkurs in Almaty für die Schüler muss abgeschlossen werden, dazu werden wir auch „Pilotprüfungen“ für das neue Format des Sprachdiploms durchführen. Lernmittelspenden müssen an die Schulen verteilt werden. Im Juli und August wird es dann darum gehen, die Stipendienzusagen des Pädagogischen Austauschdienstes für die Fortbildung kasachstanischer Deutschlehrerinnen in Deutschland weiterzuvermitteln und den Stipendiumsaufenthalt vorzubereiten. Dann geht es aber erstmal nach Bischkek zu einem Treffen mit der dortigen ZfA-Fachberaterin, danach auf eine Rundreise durch Kirgisistan mit einem Kollegen. Wir wollen Berufliches und Privates verbinden, Kontakte zu Deutschlehrerinnen suchen und unter anderem die Orte Talas, Rotfront und Osh besuchen. Wir wollen in Privatunterkünften schlafen, nicht in Hotels, und so das Leben und die Menschen in Kirgisistan kennen lernen. Und natürlich die wunderschöne Natur genießen. Denn das ist es, was ich nach acht Jahren in Kasachstan und in Zentralasien in meiner Erinnerung mitnehmen möchte: Die Menschen, die Kultur und das Land!

Herr Storm, die DAZ dankt für das Interview und wünscht eine schöne Zeit in Kirgisistan und Polen!

06/07/07

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