Visitenkarten einer Stadt gibt es viele – der Flughafen, der Bahnhof, der öffentliche Nahverkehr gehören auf jeden Fall dazu. Geht es um letzteres, so muss erst einmal gesagt werden, dass er in Kasachstan prinzipiell funktioniert und es im Vergleich zu vor etwa zehn Jahren auf jeden Fall Fortschritte gibt.

Damals trug das System der „Marschrutki“ die Hauptlast der städtischen Personenbeförderung, also Minibusse, in die vor allem in Spitzenzeiten soviel Leute hineingepresst wurden, wie nur irgendwie möglich. Die Stehenden konnten in der Regel den Kopf nicht aufrecht halten, was bei längeren Fahrtstrecken und der ziemlich rasanten Fahrweise der Fahrer durchaus nicht gerade ein Erlebnis der positiven Art war. Später kamen dann die jetzt noch dominierenden, im Westen ausrangierten oder in Asien gekauften Billigbusse.

Mittlerweile ist ein Teil dieser Fahrzeuge durch moderne, gasbetriebene Yungtong-Busse ersetzt worden, dieser Prozess soll weitergehen. Auch die Metro bedeutet einen ersten Schritt zur Milderung des akuten Verkehrsproblems Almatys, wenn es auch sicher noch ein Jahrzehnt dauern dürfte, bis dieser Verkehrsträger eine nennenswerte Rolle spielen kann. Ja und dann ist nicht zu übersehen, dass das Fahrrad von total Null auf wenigstens etwas gestiegen ist, wenn auch vorwiegend als Freizeitgerät. Zumindest besteht hier eine gewisse Chance, dass sich allmählich auch eine Fahrradkultur entwickelt. Diese kleinen Fortschritte werden aber mehr als überkompensiert durch den privaten Autoverkehr, der die Stadt in vielerlei Punkten unattraktiv macht.

Wie für alle anderen nennenswerten Fragen, gibt es auch für die Entwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs ein staatliches Dokument. Dieses Papier zeichnet allerdings nur sehr grob die gewünschten Entwicklungslinien vor, und hat auf keinen Fall schon den Status eines durchdachten Verkehrsentwicklungsplans. Aktuell manifestiert sich das vor allem in der Qualität des öffentlichen Personenverkehrs. Zwar kommt man mit Bus, Straßenbahn oder Taxi irgendwie in jeden Winkel der Stadt, doch die Frage dabei ist immer das „Wie“. Die Negativpunkte beginnen bei der Technik. Das, was z. B. unter „Straßenbahn“ fährt, ist natürlich ein Lacher….oder Weiner – je nachdem.

Die meisten Busse als Rückgrat des öffentlichen Stadtverkehrs entsprechen auch nicht den Anforderungen unter der Rubrik „kundengerecht“. Für die meisten Linien sind sie zu klein, im Sommer kaum belüftbar, hohe Stufen machen nicht nur für ältere Leute das Ein- und Aussteigen manchmal zum gefährlichen Abenteuer, die Abgaswolke ist eher dunkelschwarz, und laut sind die Dinger sowieso. Klar, das kann man ändern, allerdings ist dafür Geld nötig. Das aber steckt in einer Reihe von Bauten, Paraden und Showprojekten, die wichtiger zu sein scheinen als der tägliche Kleinkram eines modernen Stadtverkehrs. Schneller ließen sich jedoch viele Fragen lösen, die das Leben der Passagiere in den Bussen fast schon zum Erlebnis machen könnten.

Das beginnt bei elementarer Freundlichkeit der Busschaffner, die ihre Fahrgäste als Kunden und nicht nur als Geldbringer begreifen müssten. Dazu gehört, dass endlich aufgehört wird, die Leute beim Aus- und Einsteigen mit „Schneller, schneller“ anzutreiben. Ebenso haben laute Musik und das versteckte Rauchen der Fahrer wenig mit Transportkultur zu tun. Auch wenn sich gegenüber den Marschrutkas die Situation verbessert hat, begreifen sich manche Busfahrer immer noch als kleine Schumacher und müssen unbedingt noch eine Startposition besser sein als der Nachbarstall.

Nicht zuletzt nervt auch die Unbestimmtheit der Abfahrtszeiten und die meist fälligen, aber nicht steuerbaren Wartezeiten. Am Tage und auf vielbefahrenen Strecken ist das kein großes Problem, abends aber – oft schon ab 20.00 Uhr – wird’s dann eins. Die meist kaum lesbaren Bedienzeiten sind sowieso meist Makulatur, weil bis 23.00 ganz einfach kein Bus fährt, auch wenn‘s so angeschrieben ist.

Mit etwas einfacher Organisation ließe sich durchaus manches verbessern, das wird aber so lange nicht eintreten, wie die zuständigen Politiker Busfahren als etwas sozial Niedrigstehendes und deshalb als für sie nicht würdig einstufen. Wer aber die konkreten Zustände nicht kennt, kann sie auch kaum ändern. Eine weitere Bedingung ist die Erkenntnis, dass das individuelle Auto das Verkehrsproblem in Großstädten nicht lösen kann, sondern erst verursacht. Von dieser Erkenntnis ist man aber noch sehr weit weg, allerdings nicht nur in Kasachstan.

Bodo Lochmann

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