Der deutsche Bier- und Getränkehersteller bleibt auf Expansionskurs und lässt nun auch in Almaty das weit und breit günstigste Lizenzbier brauen.

Oettinger scheint sich in der ehemaligen Sowjetunion sichtlich wohl zu fühlen. Schon nach dem Produktionsstart in der Ukraine 2011 verkündete Geschäftsführer Dirk Kollmar: „Oettinger und die GUS-Staaten – das ist bereits nach kurzer Zeit eine Erfolgsgeschichte, der wir noch weitere Kapitel hinzufügen möchten“. Das nächste Kapitel der Oettinger-Geschichte wird nun in Kasachstan geschrieben: Seit April laufen auch in Almaty die für die Marke typischen braunen Glasflaschen über die Fließbänder. Zusammen mit dem russisch-amerikanischen Partner „Oasis Drinks“ stattete der Bierhersteller die neu errichtete Brauerei „Perwij piwsawod“ mit Brauanlagen aus Deutschland aus. Die vorherige Fabrik des ältesten kasachischen Brauhauses musste vor fünf Jahren einer Umgehungsstraße weichen.

Noch wird das Bier zwar nicht flächendeckend angeboten, zu groß die Entfernungen, nicht ausreichend die Infrastruktur in Kasachstan. Exportchef Jan-Peter Stölken ist dennoch zuversichtlich, dass bis Mitte nächsten Jahres landesweite Vertriebsnetze erschlossen sein werden. Das Geschäft ist allerdings nicht ohne Risiko, denn der kasachische Biermarkt gilt als gesättigt. Vor allem die Biergiganten Anadolu Efes aus der Türkei und die dänische Carlsberg-Gruppe dominieren mit einem gemeinsamen Marktanteil von fast 90 Prozent das Geschäft. Marktchancen für deutsches Bier gibt es vor allem als Nischenprodukt für eine wachsende Mittel- und Oberschicht. Denn Waren „Made in Germany“ stehen hoch im Kurs in Kasachstan, wie man unter anderem an der erfolgreichen Supermarktkette „Interfood“ erkennen kann. Dort werden trotz hoher Preise beinahe ausschließlich deutsche Produkte angeboten, eine Flasche Importbier kann schnell bis zu vier Euro kosten. Ein Preis, den sich auch in Deutschland kein Normalverdiener leisten kann. Erst recht nicht in Kasachstan, wo 80 Prozent der Einwohner ein Monatseinkommen von unter 200 US-Dollar beziehen. Doch eben diesen Schichten deutsches Bier zu erschwinglichen Preisen anzubieten ist Oettingers erklärte Strategie: „Wir wollen das günstigste Lizenzbier sein unter den Preisen von Importbier“, machte Stölken im Gespräch mit der DAZ klar. Tatsächlich gehören günstige Preise zur Unternehmensphilosophie: In Deutschland verzichtet der Bierbrauer mit Firmensitz im thüringischen Gotha auf Werbung und spart dadurch enorme Kosten ein, weswegen Oettinger-Bier auch in der Bundesrepublik weitaus günstiger als die Konkurrenz ist.

Exportgeschäft als Rettungsanker

Doch schützt den absatzstärksten deutschen Bierhersteller auch diese Niedrigpreispolitik nicht vor rückläufigen Verkaufszahlen auf dem heimischen Biermarkt. Im ersten Halbjahr 2013 ist der Bierkonsum in der Bundesrepublik erneut um fünf Prozent zurückgegangen, die Bierproduzenten müssen sich also auf die Suche nach Alternativen machen. Doch bekommen die deutschen Exporteure nun die Spätfolgen der späten internationalen Orientierung zu spüren: Auf ausländischen Märkten finden sie vom Biergeschäft oft nur noch Krümel vor, den Kuchen haben bereits Braukonzerne wie die britische SABMiller-Gruppe oder Anheuser-Busch/InBev aus Belgien unter sich aufgeteilt. Deswegen erwartet Exportchef Stölken auch keinen schnellen Durchbruch: „Wir wollen die Marke Oettinger hier langfristig aufbauen und wissen, dass das Zeit braucht.“ Auf lange Sicht ist ein jährlicher Ausstoß zwischen 70 und 80.000 Hektoliter angeplant.

Nichtsdestotrotz erwirtschaftet Oettinger bereits heute ein Drittel seines Umsatzes von rund 450 Millionen Euro im Ausland und ist damit – wenngleich international ein kleiner Fisch – Deutschlands erfolgreichste Exportbrauerei. Das Lizenzgeschäft spielt hierbei eine wichtige Rolle: Außer in Almaty lässt Oettinger sein Pils noch in Lizenzbrauereien in Moskau, Minsk sowie im ukrainischen Radomyschl brauen. Und das Ende der „Erfolgsgeschichte“ scheint noch immer nicht erreicht, mindestens zwei Kapitel sind noch in Arbeit. Dabei handelt es sich um Projekte in Osteuropa und Afrika, die sich im Moment noch in der Verhandlungsphase befinden.

Dass dort kaum einer weiß, dass Oettinger in Deutschland eher das Image des Billig-Biers und weniger der Premium-Marke hat, als welche sie sich im Ausland vermarktet, kommt dem Biererzeuger sicherlich nicht ungelegen.

Von Igor Steinle

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