Citius, altius, fortius. Das lateinische Motto der Olympischen Spiele war einst rein auf die sportliche Seite des Olympiaspektakels bezogen. Die Athleten sollten darum wetteifern, schneller, höher oder stärker zu sein. Diesen Anspruch gibt es natürlich auch heute noch, doch er ist klar überlagert von solchen Dingen wie politische Prestiges, umfangreiche staatliche Hilfestellungen für die Sportler, besonders durch Geld. In den letzten Jahrzehnten wurden die Rekorde hinsichtlich Teilnehmer und Zuschauer, vor allem aber betreffs Aufwand gebrochen.

Gigantismus ist der Trend der meisten internationalen sportlichen Großereignisse, auch wenn sich das die austragenden Länder eigentlich nicht leisten können oder nicht leisten sollten. Sotschi scheint den neuen Rekord aufgestellt zu haben, bis 50 Milliarden Dollar wird Russland die Olympiade nach bisherigen Schätzungen gekostet haben. Den Zuschlag hatte die Stadt mal mit einer Kalkulation von 8 Milliarden Dollar bekommen. Bereits das wäre eine gewaltige Summe für ein Ereignis von nur zwei Wochen in einem Land mit enormen Investitionsdefiziten an allen Ecken und Enden, aber wirtschaftliche Vernunft war eher selten ein Merkmal von Prestigeereignissen aller Art. Es war von Sotschi bzw. Russland während der ergabeprozedur auch versprochen worden, grüne, also einigermaßen umweltfreundliche Spiele durchzuführen. Das hat sich fast schon erwartungsgemäß als Illusion erwiesen: nicht nur dass die Grünfläche in der Stadt auf ein Drittel zurückgebaut wurde, auch die gewaltige Anzahl von Neubauten samt ohne Pardon in die Natur gestampfte Infrastruktur spricht gegen den Gedanken der Nachhaltigkeit und ökologischen Vernunft. Auch ein paar tausend Quadratmeter Sonnenkollektoren, die noch schnell auf Dächer montiert wurden, verbessern die schlechte Umweltbilanz nicht.

Olympia in der Machart Chinas oder Russlands auch die Fußball-WM in Brasilien oder Katar zeigen deutlich die Grenzen auf, an die solcherart inszenierte Ereignisse mittlerweile stoßen. Klar, in China und Russland regt sich kaum Protest gegen die manifestierte Unvernunft und das Prestigegehabe, das geben die politischen Strukturen noch nicht her. In den reicheren westlichen Ländern, die sich zwar die Kosten für solche Großveranstaltungen eher leisten könnten (was aber deren Sinnhaftigkeit keinesfalls verbessert), sind die Anwohner immer weniger bereit, solche Großveranstaltungen über sich ergehen zu lassen. Allein das gigantische Spektakel mit seinen Belastungen, vor allem aber die Milliardenausgaben für ein paar Tage Scheinwerferlicht, langfristig bleibende mögliche Schulden, Korruption, die Undurchsichtigkeit der IOC-Prozesse und schwerwiegende Eingriffe in die Natur lässt die Mehrzahl der Menschen kritisch werden. Natürlich tragen die offenen politischen Strukturen in den westlichen Staaten ihren Teil beim Entstehen und Verfestigen von Antimeinungen bei. Es gibt bei Diskussionen um das Für und Wider von Großveranstaltungen natürlich immer auch nicht rationale, mag sein auch unvernünftige Argumente und Meinungen. Das ist bei der Bildung von Meinungen durch große Menschenmassen völlig normal. Aber das Grundgefühl, das grundsätzliche Bedenken gegen die sehr begrenzten Vorteile gigantischer Veranstaltungen ist insgesamt eher richtig. Der Sport insgesamt muss natürlich weiter gefördert und ausgebaut, die gigantischen sportlichen Showveranstaltungen aber auf ein Normalmaß gestutzt werden. Wenn es mit Olympia und anderen Weltsportereignissen jedoch so weitergeht wie in den letzten Jahrzehnten, werden die Spiele nur noch in Staaten stattfinden. Sobald die Menschen nach ihrer Meinung gefragt werden, dürfte die Vernunft vor Showgebaren und Gigantismus siegen. Weniger Kommerz, weniger Gigantismus, weniger Prestigedenken, Nutzung modernisierter, aber vorhandener Anlagen, Rückbesinnung auf das Sportliche bei „Schneller, höher, stärker“ würden der Olympia-Idee zu träglich sein und sie vor dem eventuellen Verfall retten.

Bodo Lochmann

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