Die Fastenzeit gilt als eine Vorbereitungszeit auf Ostern. Dieses Zugehen haben wir ganz verschieden gestaltet. Für viele stand das körperliche Fasten im Vordergrund. Andere betrachteten diese Vorbereitungszeit als eine Aufforderung, mehr aus sich herauszugehen, Kommunikation zu wagen und auch mehr für andere da zu sein. Wieder andere spürten, dass das Fasten des Leibes auch die Unterstützung des Gebetes benötigt, sie versuchten also beides zu praktizieren. Doch wie ist Ostern zu verstehen?

Das Fasten zielt auf einen Wandel des Menschen ab. Leichter, transparenter, fröhlicher soll der Mensch werden und – Gott zugewandt. Dass Menschen den Wandel suchen, sich nach erfüllterem Leben sehnen, eine andere Welt wollen und irgendwie auch Gott erfahren möchten, all das wird von den meisten Menschen bejaht und positiv gesehen. Doch was hat das mit Ostern zu tun? Was ist überhaupt Ostern, Auferstehung? Oft wird diese Frage zu schnell mit dem Satz abgetan: Ostern geschieht jeden Tag, wie der Grieche Heraklit schon gesagt hat, alles ist im Fluss, im Wandel, wird jeden Tag neu und anders – panta rhei! Das ist sicher nicht falsch, aber zu wenig, um zu erahnen, was wir Christen zu Ostern feiern. Denn beim Wandel kann es einen Punkt geben, an dem etwas aufhört und etwas radikal Neues beginnt – zum Beispiel, wenn aus einer Raupe ein Schmetterling schlüpft. Hier macht das Leben gewissermaßen einen Sprung, wir dürfen sagen – auf eine höhere Stufe hin. Derartige Beobachtungen führen uns schon eher an das Verständnis von Ostern heran. Dieser „Sprung“ ist aber irgendwie doch mit dem vorherigen Leben verbunden und besonderen Umständen zu verdanken.
Auch Jesu österliches Leben in Gott stellt keinen kompletten Bruch mit seinem irdischen Leben dar. Jesus wurde von Gott zu neuem Leben auferweckt, weil bereits sein irdisches Leben ganz vom Willen Gottes geprägt, durchdrungen und somit göttlich war. Im irdischen Jesus sahen und spürten die Menschen Gott und seine unendliche Liebe. Deshalb konnte sein Leben im Tod nicht untergehen.
In unserem Leben gibt es durchaus Erfahrungen, die die Auferweckung Jesu, also Ostern verstehen und erahnen helfen: das Weizenkorn, das in die Erde fällt, keimt und durch die wärmende Sonne aus der Erde hervorsprießt; die Knospe, die im Frühling aufspringt, das Kind, das behütet im Leib der Mutter heranwächst und bei der Geburt das Licht der Welt erblickt; ein Mensch, der von einer schweren Krankheit genesen ist und spürt: Von nun an will und muss ich anders leben.
Und dann gibt es da die Erfahrung vieler Menschen, dass Ihre lieben Verstorbenen doch irgendwie anwesend sind, nicht ganz fort… Solche und ähnliche Erfahrungen lassen uns erahnen, was mit Ostern gemeint sein könnte. „Ahnen“, nicht wissen, ahnen und nicht ganz verstehen. Der Apostel Petrus wusste um diese Schwierigkeit, von Gott zu reden, und dennoch sagte er: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.“ (1 Petr 3,15).

Praxis ist wichtig

Wenn wir von Ostern sprechen und uns auf das Fest der Auferstehung Jesu vorbereiten, dann genügt es nicht, nur gedanklich das Fest und seine Botschaft verstehen zu wollen. Wichtig ist auch die religiöse Praxis, beziehungsweise ob wir nun selbst im Alltag jenen Weg einschlagen wollen, der uns Auferstehung schenkt.
„Schenken“, weil wir uns die Auferstehung nicht durch Spiritualität, Arbeit an uns selbst, Aufopferung für andere, das heißt durch unseren eigenen Willen, Kraft und Begabung verschaffen könnten. Denn alles, was von Gott kommt, ist größer als unser Vermögen und kann uns nur geschenkt werden.
Dennoch kommt es auch auf uns an. Denn so wie die Auferweckung Jesu als Antwort Gottes auf das Leben Jesu verstanden werden muss, so wird es auch für uns keine Auferweckung geben, wenn wir nicht die Liebe Gottes annehmen und weiterschenken. Es kommt also auch auf unser Bemühen an. Wir können und brauchen dabei Jesus nicht zu „kopieren“.
Worauf es ankommt, ist, gern Medium, Kanal für die Liebe Gottes in der Welt zu sein. Wenn wir an das im Zweiten Weltkrieg beschädigte Domkreuz zu Münster denken, könnten wir auch sagen – wir sollten versuchen, die nun fehlenden Arme am Kreuz durch unsere in der Welt helfenden und zupackenden Arme zu ersetzen.
Der Apostel Paulus identifizierte sich mit dieser Aufgabe so sehr, dass er eines Tages sagen konnte: „Nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir.“ (Gal 2,20). So begann das neue und österliche Leben in diesem Menschen Paulus, und es kann auch in uns beginnen, schon jetzt.
In der Fastenzeit haben wir ganz besonders um diesen Wandel gebeten. Wichtig ist, dass ein Christ auch „praktisch“ den Glauben lebt, sonst kann es keinen Wandel geben, kein frohes und gesegnetes Osterfest. Dieses aber wünsche ich Ihnen nun von Herzen, allen, die an Christus glauben, allen, die nicht aufhören, die Nähe Gottes zu suchen. Möge Ihr Sehnen und Bemühen gesegnet sein!

Dr. Alexander Hoffmann

Seelsorgstelle für katholische Deutsche aus Russland und den anderen GUS-Staaten
Kaiser-Friedrich-Straße 9, D-53113 Bonn, Tel.: 0049(0)228-24-39-512, E-Mail: kath.russlanddeutsche@t-online.de

03/04/09

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