Nach der Herauslösung aus dem sowjetischen Versorgungsverband sieht sich Tadschikistan schon seit fast 20 Jahren großen Infrastrukturproblemen gegenüber. Die Zerstörungen durch den Bürgerkrieg in den 1990er Jahren und das rapide Bevölkerungswachstum verschärfen die Situation zusätzlich. Die Energiekrise im vergangenen Winter brachte ein brennendes Thema sogar ans internationale Tageslicht: die unzureichende Stromversorgung. Wasserpumpen, die ohne Strom funktionieren, bringen daher jetzt für einige Bewohner des Pamir eine große Erleichterung.

/Bild: Sonja Bill/

Das autonome Gebiet Berg-Badachschan ist ein Teil von Tadschikistan, in dem alles ein wenig anders ist als im Rest des Landes. Die Berge sind höher, die Menschen sprechen ein Dutzend eigener Sprachen, ihre Augen sind teilweise blau, und ihre Haut ist von der Höhensonne gezeichnet. Auch in seiner Stromversorgung ist Berg-Badachschan größtenteils autonom. Ein kleines Wasserkrafwerk oberhalb von Chorog, der Hauptstadt des Gebietes, macht es möglich. Der Rest Tadschikistans hängt mehr oder weniger am dünnen Faden des grünen Stromes aus dem Nurek-Wasserkraftwerk.

Strom ist Mangelware

Die Energiekrise mit massiven Stromabschaltungen während einer langen Kälteperiode in diesem Winter hat wieder gezeigt, wie wichtig eine dezentrale Energieversorgung und alternative Energiequellen in Tadschikistan sind. Wochenlang lagen viele Teile Tadschikistans im kalten Dunkel, denn der Nurekstausee oberhalb des höchsten Schüttdammes der Welt hatte zu wenig Wasser, um die Bevölkerung ausreichend mit Strom zu versorgen. Wenn Strom vorhanden war, dann waren trotzdem viele auf 180 – 180 Volt, die die nicht isolierten Wohnungen angesichts einer Temperatur von Minus 20 Grad mit den elektrischen Heizern kaum erwärmen konnten.

In Chorog sah es ein wenig anders aus. Das Wasserkraftwerk produzierte noch, im Hochgebirge herrschten jedoch noch tiefere Temperaturen. Neunzig Prozent der Bewohner im Pamir sind an das Stromnetz angeschlossen, jedoch gibt es in vielen Dörfern nur ein paar Stunden Strom am Tag. Während die Regierung in Duschanbe auf den Bau eines weiteren Kraftwerkes (Rogun) setzt und von den Bürgern einen Monatslohn dafür abschöpfen will, macht man sich im Pamir schon seit längerer Zeit auf die Suche nach Alternativen.

Bewässern ohne Strom

„Einen durchschlagenden Erfolg“ habe man mit dem Aufbau der ersten hydraulischen Wasserpumpe („Widder“) im April diesen Jahres gefeiert, berichtet der deutsche Entwicklungshelfer André Fabian. Der Wasserpumpenbauer Abdusalom Hakimow war aus dem Nachbarland Usbekistan gekommen und hat mit pamirischen Handwerkern drei Tage in einer Choroger Metallwerkstatt verbracht. Dann noch ein wenig sowjetisch-blaue Farbe und schon war sie fertig: Pamirs Pilotpumpe.

Abdusalam Hakimow hat eine kleine Werkstatt in Usbekistan und in den letzten zwei Jahren 20 Hydraulikpumpen verkauft. Die Idee des effizienten „Wasserwidders“ ist alt und stammt aus dem 18. Jahrhundert. Die Erfindung kommt aus Frankreich und wurde im 19. Jahrhundert in den USA weiterentwickelt. Der „Widder“ funktioniert durch einen Druckstoßmechanismus. Die Fließgeschwindigkeit des Wassers, zum Beispiel von einer höher gelegenen Quelle, wird genutzt und mittels eines Stoßventils entsteht eine Druckwelle, die das Wasser nach oben befördert. Durch ein Projekt der Vereinten Nationen 2005 und mit Unterstützung des Entwicklungshelfers Thomas Falk ist die hydraulische Pumpe nach Zentralasien gelangt und wird nun auch in Tadschikistan verwendet. „Viele Leute haben es nicht geglaubt und sind zu mir gekommen – in mein kleines tadschikisches Dorf Andargen in Usbekistan – um die Pumpe zu sehen“, sagt Abdusalom Hakimow und die Augenbrauen über seinen für einen Tadschiken außergewöhnlich blauen Augen bilden kleine Dreiecke. Jetzt hat er die Pumpe auch nach Tadschikistan gebracht, vorerst in den Pamir.

Die Pumpe als Flaggschiff alternativer Lösungen

Der erste Schritt ist getan. „Ich gebe 20 Jahre Garantie“ und nach einer Atempause: „Minimum“, sagt Abdusalom Hakimow freudig am Hang stehend. Dort, wo 30 Meter oberhalb der Pumpe das Wasser plätschert. „Bis zu 100 Meter sind möglich“, meint er stolz. Und noch jemand ist stolz. André Fabian und Rustam Serawschojew, die Herrn Hakimow nach Chorog eingeladen haben. Beide sind für den Deutschen Entwicklungsdienst (DED) und die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in einem Projekt zur Wüstenbekämpfung tätig. Besonders für Gebirgsregionen wie den Pamir, ist die Pumpe eine willkommene Alternative zur üblichen Trinkwasserversorgung und Bewässerung mit elektrischen Pumpen. Mittlerweile sind schon vier solcher Pumpen in Betrieb.

„Ich denke die Pumpe wird eines unserer Flaggschiffe“, so Fabian. Durch die relativ einfache Technik und Wartung kann sie von Einheimischen nachgebaut werden. Zehn pamirische Handwerker haben am Training teilgenommen und sind nun in der Lage, die Pumpe eigenhändig herzustellen. „Nach einem Fernsehbericht rennen uns die Leute die Bude ein“, freut sich Fabian. 130 bis 140 Dollar wird sie kosten. Der Preis ist so kalkuliert, dass etwa 30 Dollar zur Erweiterung der jeweiligen Werkstatt des Herstellers dienen können. Zukunftsinvestition nennt das André Fabian. Neben der verbesserten Einkunftssituation von einigen Handwerkern in Chorog, hat auch die Bevölkerung etwas davon. Nämlich Wasser.

Entlastung schaffen für Frauen

„Tadschikistan ist der allerbeste Ort für diese Pumpen“, meint Abdusalom Hakimow mit einem Lachen. Hier gibt es Berge und Wasser. In Usbekistan, dort, wo er in einem kleinen Dorf mit tadschikischstämmiger Bevölkerung lebt, gibt es ersteres auch. Wasser jedoch ist ein großes Problem. Die Flüsse haben meist zu wenig, um eine groß angelegte Bewässerung sicherzustellen, und die Einsatzorte für „Wasserwidder“ sind begrenzt. In Zentralasien ist das Thema Wasser national- und konfliktgetränkt. Im wasserreichsten Land Zentralasiens Tadschikistan hat man aber vorerst mit dieser Ressource keine Probleme. Noch weniger auf dem gletscherreichen Dach der Welt, dem Pamir, der 60 Prozent der Wasserreserven von ganz Zentralasien beherbergt.

Mit Hilfe der Pumpe können nun Dörfer mit Wasser versorgt werden, deren Bewohnerinnen – das Wasserholen ist eine der traditionellen Aufgaben der Frauen in Tadschikistan – früher stundenlang Wasser schleppen mussten. Dies wird sich auch positiv auf die Gesundheit der Frauen auswirken. Außerdem können etwa private Gemüsegärten bewässert werden; unabhängig von der labilen Stromversorgung und mit geringeren Kosten. Im Sinne der Wüstenbekämpfung ist auch die Bepflanzung von lawinengefährdeten Hängen und deren Bewässerung möglich.

Alles fließt weiter

Andere Entwicklungshilfeorganisationen haben ihr Interesse bekundet: die Welthungerhilfe, das GTZ-Projekt zur Katastrophenvorsorge und FOCUS (Focus Humanitarian Assistance des Aga Khan Development Networks) in Afghanistan wollen Handwerker im Pumpenbau ausbilden lassen. Auf Initiative des Projekts in Chorog setzen sich verschiedene staatliche und nichtstaatliche Organisationen, die im Bereich Energieversorgung und -effizienz tätig sind zusammen, um eine gemeinsame Strategie für die Bewußtseinsbildung für Energieeffizienz in der Pamir-Region zu entwickeln. Die Bewohner von Bergbadachschan sollen sensibilisiert werden und Pamirs Pilotpumpe in Serie gehen. (DED)

Im Pamir will der DED seine Arbeit intensivieren und schreibt in Kürze neue Stellen aus:
www.ded.de.

Von Sonja Bill

25/07/08

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