Das höchste Leitungsgremium der Volksversammlung Kasachstans ist seine jährliche Mitgliederversammlung in Form einer Tagung. Sie wird vom Präsidenten der Republik Kasachstans nach Bedarf und mindestens einmal pro Jahr einberufen. Die Sitzungen werden im Palast des Friedens und der Eintracht in Astana durchgeführt und haben einen besonderen, einigenden Charakter für die Menschen Kasachstans. An diesen Mitgliederversammlungen nehmen die Vertreter aller ethnischen Gruppen teil, die in Kasachstan ansässig sind, aber auch leitende Funktionäre aus staatlichen und gesellschaftlichen Vereinigungen sowie zahlreiche Gäste aus dem Ausland.

An der 22. Mitgliederversammlung der Volksversammlung Kasachstans 2015 mit dem Titel „Ein Land – ein Schicksal“ nahmen auch Bundestagsabgeordnete aus Deutschland teil: Hartmut Koschyk, der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten sowie Heinrich Zertik, Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Komitees für Internationale Beziehungen. Zertik, der in Kasachstan geboren und aufgewachsen ist und später nach Deutschland emigrierte, wurde der erste Vertreter der Kasachstandeutschen unter den Bundestagsabgeordneten.

In der sitzungsfreien Zeit stellt die Mitgliederversammlung den Rat der Versammlung, in dem die Vorsitzenden der ethnisch-kulturellen Vereinigungen sowie Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Abgeordnete des Parlaments, Minister und Bezirksakime (-gouverneure) vertreten sind. Zwei Stellvertreter des Vorsitzenden der Volksversammlung aus den jeweiligen ethnischen Vereinigungen werden durch Verfügung des Präsidenten im Rotationsprinzip auf Vorlage des Rates bestimmt.

Das Arbeitsorgan ist das Sekretariat der Volksversammlung Kasachstans, welches in der Struktur der Präsidentenverwaltung die Funktion einer eigenständigen Abteilung innehat.
Dem Sekretariat steht der Sekretariatsleiter vor, der gleichzeitig auch als Vertreter des Vorsitzenden der Volksversammlung fungiert. Dadurch wird gewährleistet, dass die Volksversammlung Kasachstans effektiv an der öffentlichen Verwaltung und an den gesellschaftlichen Beziehungen mitwirkt und teilnimmt.

In den einzelnen Regionalbezirken Kasachstans wird die Volksversammlung durch die Akime vertreten. Der Personalbestand der Volksversammlung in den Bezirken, den Großstädten der Republik und der Hauptstadt wird aus der Anzahl der ethnisch-kulturellen Vertreter und anderer gesellschaftlicher Vereinigungen sowie aus den Vertretern der staatlichen Organe und aus Persönlichkeiten in hochrangigen gesellschaftlichen Positionen gebildet. Neun Abgeordnete aus dem Maschilis (Unterhaus), dem Parlament und der Volksversammlung vertreten jeweils die Interessen aller Ethnien des Landes. Zudem wird die Repräsentation der ethnischen Gemeinschaften Kasachstans im Parlament auf Grundlage der direkten Beteiligung an den Volksvertretungen über die politischen Parteien sichergestellt.

In diesem Jahr fand die 25. Jubiläumssitzung der Volksversammlung unter dem Motto „Stabilität, Einigkeit und Verständigung“ statt, an der mehr als 1500 Personen teilnahmen. Das Staatsoberhaupt, Präsident Nursultan Nasarbajew, hob während seiner Ansprache vor den Teilnehmern hervor, dass 2017 ein einzigartiges Jahr in der Geschichte des unabhängigen Kasachstans sei: „In diesem Jahr steht die systematische Modernisierung an oberster Stelle der gesamten Regierungsarbeit. Zum einen haben wir bereits die wirtschaftliche Modernisierung vorangetrieben, zum anderen haben wir mit der politischen Weiterentwicklung begonnen. Drittens gehen wir nun die Modernisierung und Entwicklung des gesellschaftlichen Bewusstseins an.“

Der Präsident Kasachstans machte in diesem Zuge auf seinen Artikel „Blick in die Zukunft – Wege der Modernisierung des gesellschaftlichen Bewusstseins“ aufmerksam und lenkte die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer auf seine Sichtweise zur Evolution der kasachischen Gesellschaft: „Insbesondere habe ich mich mit dem Idealtypus des Bürgers Kasachstans auseinandergesetzt und sein Wesen gekennzeichnet, wie ich ihn gern sehen möchte: Zunächst ist er eine schöpferische Persönlichkeit, die im Vergleich mit anderen Ländern bestehen kann. Zweitens ist der Bürger Kasachstans Pragmatiker und Realist, der sich an konkreten Zielen und deren Umsetzung orientiert. Drittens ist er ein Mensch, der in seiner nationalen Identität gefestigt ist und sich von allem lossagt, was die Entwicklung der Nation hemmen könnte. Viertens befindet sich dieser Mensch auf dem Höhepunkt des globalen Wissens – das bedeutet: Für ihn nimmt die Bildung den höchsten Stellenwert ein. Fünftens ist er ein verantwortungsbewusster Bürger, der genau versteht, dass nur die evolutionäre Entwicklung einem Volke die Chance auf Weiterentwicklung und Fortschritt geben kann. Sechstens haben wir es mit einem Menschen zu tun, der ein weites, offenes Bewusstsein hat, mehrere Sprachen spricht und intellektuell ist, bereit zu Veränderungen und zu neuen, besseren weltanschaulichen Erfahrungen (…).“

Nursultan Nasarbajew würdigte die Rolle der Nationalkommission in der Modernisierung des gesellschaftlichen Bewusstseins, indem er die Bedeutung des umfassenden Studiums der Thesen seines programmatischen Artikels hervorhob. Der Präsident äußerte seine Zuversicht dahingehend, dass die Volksversammlung Kasachstans an der Modernisierung des gesellschaftlichen Bewusstseins aktiv teilnehmen möge. Er zählte daraufhin eine Reihe von Projekten auf, in denen die Mitglieder der Versammlung ihr Potenzial verwirklichen könnten: 1. „Viele Möglichkeiten erschließen sich für die Mitglieder der Volksversammlung im Projekt ‚Malaja Rodina‘ (Die engere Heimat).

2. In direkter Beziehung zur Volksversammlung steht das Projekt ‚100 neue Persönlichkeiten Kasachstans‘. Diese Personen sollten unabhängig von ihrem ethnischen, religiösen und regionalen Kontext sowie unabhängig von ihrem Geschlecht vorgestellt werden. Einziges Auswahlkriterium ist hier der jeweilige Beitrag der Person zur Entwicklung Kasachstans.

3. Die Volksversammlung kann darüber hinaus das Projekt ‚Moderne kasachische Kultur im globalen Kontext‘ vorantreiben und mitbestimmen.“

Nasarbajew unterstrich darüber hinaus die Bedeutung des Projekts „Neue humanistische Bildung für die Jugend“: „Hier geht es um neue, hervorragende Lehrbücher zu den Fächern Philosophie, Soziologie, Wirtschaft, Kulturwissenschaften, Orientalistik – in verschiedenen Sprachen, wie z.B. in Englisch, Russisch, Französisch, Spanisch u.a. Ich bin davon überzeugt, dass die Integration dieses Wissenschaftszweiges in den Lehrplan diesen auf ein neues Niveau anhebt.“

Das Staatsoberhaupt richtete die Aufmerksamkeit der Tagungsteilnehmer auf aktuelle globale Risiken, mit denen Staat und Gesellschaft konfrontiert werden, und beauftragte die zentralen und örtlichen Regierungsorgane mit der Erarbeitung neuer, unkonventioneller Lösungen zur Bewahrung des Friedens, und der Verständigung und Eintracht im Land: „Die Gesellschaft und die Bürger sollten verstehen, dass Frieden und Stabilität sich nicht von allein einstellen. Der Staat ist schon sehr nah am ‚Puls‘ aller multiethnischen und multikonfessionellen Prozesse. Die Volksversammlung Kasachstans und alle Regierungsorgane arbeiten tagtäglich unter Anstrengungen daran, den nationalen Zusammenhalt zu festigen.“

Der Präsident kam auf die Richtigkeit und Aktualität der getroffenen Maßnahmen zu sprechen und setzte eine Reihe neuer Aufgaben für die Volksversammlung und die staatlichen Institutionen fest:

1. „Erste Aufgabe: Wir müssen ein gesellschaftliches Bewusstsein entwickeln, das den Aufgaben der systematischen Modernisierung entspricht. In diesen Prozess sollten alle miteinbezogen werden – Staat und Bürger, Bildungssektor und sozialer Sektor, die private Wirtschaft und die Massenmedien.“

2. Als zweite Aufgabe erkannte N.Nasarbajew die Notwendigkeit, die staatsbürgerliche Identität sowie die Einigkeit und Verständigung zu stärken. Diesbezüglich beauftragte der Präsident das Ministerium für religiöse Fragen und die Zivilgesellschaft, gemeinsam mit den Akimen einen Plan auszuarbeiten, der die Maßnahmen der Räte gegen die Ausbreitung des religiösen Extremismus für die Jahre 2017/18 auf allen Ebenen der Volksversammlung darlegt. Dies erfordere auch, „dass die Arbeit der Räte für gesellschaftliche Verständigung (innerhalb der Volksversammlung) reglementiert wird sowie konkrete Kriterien für diese Tätigkeit ausgearbeitet werden.“ Außerdem beauftragte er die Regierung, die Akimate und die Volksversammlung, Vorschläge zur Weiterentwicklung der Wohltätigkeit und deren Transparenz vorzulegen. Es soll dahin führen, dass die Bezirksakime sowie die Akime der Städte Astana und Almaty die Arbeit innerhalb der Volksversammlung intensivieren, und zwar die Tätigkeit der Räte für gesellschaftliche Verständigung, Wohltätigkeit und Mediation.

Im Verlauf der Sitzung richtete Präsident Nasarbajew besonderes Augenmerk auf die Informationsarbeit und ordnete an, im Jahr 2018 ein multifunktionales und multimediales (Internet-)Portal der Volksversammlung sowie eine interaktive historische Karte zum Thema „Die Völker Kasachstans“ zu erstellen: „Die elektronische Karte soll den Prozess der Konsolidierung aller Ethnien im ‚alten, historischen‘ Kasachstan veranschaulichen, mit Berücksichtigung der besonderen staatenbildenden Mission der kasachischen Ethnie.“

Der Präsident der Republik Kasachstan hat daraufhin das Ministerium für Bildung und Forschung damit betraut, gemeinsam mit der Volksversammlung diese elektronische Karte auf wissenschaftlicher Grundlage fertigzustellen und diese am „Tag der Dankbarkeit“ im nächsten Jahr zu präsentieren.

Des Weiteren rief Nursultan Nasarbajew die Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst auf, sich am Projekt „Malaja Rodina“ zu beteiligen sowie ihre Landsleute in den Auls und Dörfern mit aller Kraft zu unterstützen.

Zum Abschluss der 25. Jubiläumssitzung nahm die Volksversammlung einen Beschluss an, in dem hervorgehoben wurde, dass die Modernisierung des gesellschaftlichen Bewusstseins ein objektiv notwendiger und gesetzmäßiger Prozess ist, welcher zur Integrität und Entwicklung Kasachstans beiträgt.

Heinrich Zertik (li.) zusammen mit Hartmut Koschyk und Jeraly Tugzhanov. | Bild: DAZ-Archiv

Heinrich Zertik, Bundestagsabgeordneter: „Insgesamt leben 800.000 Kasachstandeutsche in der Bundesrepublik Deutschland – sie sind damit Botschafter der Freundschaft Kasachstans in Europa. Wir sind stolz darauf, in Kasachstan geboren worden zu sein und dort gelebt zu haben. Erlauben Sie mir, mich im Namen aller Kasachstandeutschen vor der kasachischen Erde zu verneigen! Ich bin aus dem Gebiet Tschemolgan, ein Landsmann des berühmten Akyns Zhambyl Zhabajew. So wie alle Kinder wuchs ich damals gemeinsam mit kasachischen, russischen und uigurischen Kindern auf. Der Geschmack von Kumys und Kurt, die frühlingshafte Steppe und der tiefblaue Himmel machten meine Kindheit so unvergesslich! Ich kenne Kasachstandeutsche, die aus der Heimat das Kraut „Zhusan“ mit nach Deutschland brachten, direkt aus der Steppe. Den Geruch von Zhusan lässt in nostalgischen Momenten die Erinnerung an die Heimat Kasachstan wiederauferstehen. Heute sind wir Kasachstandeutschen stolz auf unsere Heimat Kasachstan!“

Informationen zusammengetragen von Olesja Klimenko. Übersetzung von Malina Weindl.

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