Alexander Schröder,  Geschäftsführer der Deutsch-Kasachstanischen Assoziation der Unternehmer (DKAU) spricht im Interview mit unserer Zeitung über seine Arbeit und das bisher Erreichte.

Alexander Schröder,  Geschäftsführer der Deutsch-Kasachstanischen Assoziation der Unternehmer (DKAU) spricht im Interview mit unserer Zeitung über seine Arbeit und das bisher Erreichte.

DAZ: Herr Schröder, wie lange sind Sie schon Geschäftsführer der DKAU hier in Kasachstan? Was wurde bisher erreicht und was kann die DKAU bieten?

Alexander Schröder: Ich wurde im August letzten Jahres gewählt und habe schon zuvor in Deutschland und Kasachstan für die DKAU gearbeitet. Seit Februar 2005 lebe ich nun in Almaty. Zuerst mussten wir hier die Arbeitsfähigkeit der DKAU gewährleisten, das heisst, unser Büro im Deutschen Haus einrichten, die Stellen mit qualifiziertem Personal besetzen und eine Datenbank aufbauen. Ebenso wichtig war es, den persönlichen Kontakt zu den Mitgliedern herzustellen und deren Interessen kennen zu lernen. Deswegen habe ich Reisen in verschiedene Regionen des Landes unternommen und Betriebe besichtigt.
Zugleich arbeiten wir an der Außenwirkung der DKAU im deutsch- und russischsprachigen Raum. Wir haben eine eigene Internetseite (www.dkau.kz) aufgebaut, Präsentationsmaterialien gedruckt und einen monatlichen Newsletter eingeführt. All dies ist deutsch und russisch verfaßt. Weiterhin habe ich Interviews für deutsche und kasachstanische Medien gegeben und zugleich deutsche und kasachstanische Organisationen über Projekte der DKAU informiert.

Für unsere Mitgliedsunternehmen stellen wir den Kontakt zu deutschen Firmen her, unterstützen sie in Geschäftsvisafragen oder auf der Suche nach gebrauchten Maschinen in Deutschland oder vermitteln Arbeitsgesuche. So wächst die DKAU zu einem interessanten Ansprechpartner für deutsche Unternehmen heran. Nach einer rheinland-pfälzischen Delegation erwarten wir am 28. September Wirtschaftsvertreter aus Sachsen. Die DKAU als Mitglied des Deutschen Wirtschaftklubs wird erstmalig auf den Tagen der Deutschen Wirtschaft mit einem eigenen Auftritt vertreten sein. Eine Bestätigung, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden, ist sicherlich unsere stetig steigende Mitgliederzahl. Es ist wichtig, dass ein enges Netzwerk entsteht, denn Informationen sind bekanntlich das „A“ und „O“ in der Wirtschaft.

DAZ: Welche langfristigen Ziele verfolgt die DKAU? Was haben Sie schon umgesetzt, was wollen Sie noch erreichen?

Alexander Schröder: Langfristig soll die DKAU die wirtschaftliche Säule der deutschen Minderheit in ganz Kasachstan werden und in Deutschland lebende Aussiedler in die  Entwicklung der deutsch-kasachischen Wirtschaftsbeziehungen einbeziehen. Durch die Kürzung der Mittel zur finanziellen Unterstützung der deutschen Minderheit in Kasachstan besteht nun dringender Bedarf der Selbstorganisation – hier soll die DKAU einen Beitrag dazu leisten. Die DKAU konnte bereits einzeln agierende Unternehmer zusammenführen und eine Dialogplattform bieten. So haben Unternehmer gemeinsame Interessen entdeckt und kooperieren nun.

Kasachstanische Unternehmen sehen sich besonders durch den bevorstehenden WTO-Beitritt steigendem Wettbewerbsdruck durch Firmen aus dem Ausland ausgesetzt. Die DKAU will Unternehmen bei der Anhebung ihrer Konkurrenzfähigkeit unterstützen. Eine Aufgabe der Assoziation ist es damit vor Ort innerbetriebliche Qualifizierungs- und Fortbildungsmaßnahmen zu unterstützen und deutsches Know-How nach Kasachstan zu transferieren.

Zudem soll die DKAU in Zukunft einen Beitrag zur Förderung der deutschen Sprache und Kultur und Sprache leisten. Sie ist damit auch ein Bekenntnis der deutschen Minderheit zu  Vergangenheit und Kultur. Die Assoziation übernimmt somit entwicklungspolitische Aufgaben und spielt gleichzeitig eine wichtige Rolle in der Minderheitenpolitik.

DAZ: Was kosten die Dienstleistungen der DKAU?

Alexander Schröder: Grundsätzlich ist die DKAU eine nichtkommerzielle Organisation. Wenn etwas entgeltlich ist, dann decken wir nur unsere Kosten. Es kommt selbstverständlich auf die Art der Dienstleistung an und darauf, ob es sich um ein Mitgliedsunternehmen handelt, oder nicht. Die Unterstützung bei der Beantragung von Geschäftsvisa nach Deutschland für Mitgliedsunternehmen ist beispielsweise kostenlos, genauso wie Kontaktanbahnung zu unseren Mitgliedern.

DAZ: Wie können Sie einen Unternehmer aus Deutschland oder Kasachstan ganz konkret unterstützen?

Alexander Schröder: Eine Kernaufgabe der DKAU ist es, die Interessen ihrer Mitglieder vor staatlichen Einrichtungen zu vertreten. Einer in Astana ansässigen Firma konnten wir beispielsweise helfen, einen ein Jahr andauernden Streit mit lokalen Behörden beizulegen und eine hohe Geldstrafe abzuwenden.

Ein dramatischer Beispielfall ist mit dem Namen Juri Wegelin und seinem Unternehmen „Gold Product“ verbunden. Der Firmeninhaber und DKAU-Vizepräsident, Juri Wegelin, kehrte aus Deutschland zurück und baute „Gold Product“ hier zu einer profitablen Firma auf. Heute gehört „Gold Product“ mit seinen 1700 Mitarbeitern zu den größten Steuerzahlern im Gebiet Almaty. Im November 2004 begannen staatliche Organe das Unternehmen unter Druck zu setzen. Langwierige Steuerprüfungen, häufige Qualitätstests der abgefüllten Weine, diskreditierende Berichte über Qualitätsprobleme in der Presse, zeitweise Produktionsstillegung und gar die Verhaftung von Juri Wegelin lähmten das Unternehmen und führten zu gravierenden wirtschaftlichen und persönlichen Verlusten. Herr Wegelin befindet sich als deutscher Staatsbürger seit fünf Monaten in Untersuchungshaft, obwohl keine Anklageschrift vorliegt. Die DKAU unterstützt Wegelin seit Beginn des Konfliktes. Wir haben unter Nutzung weitreichender Beziehungen Maßnahmen zu seinem Schutz eingeleitet. Ein der DKAU nahestehender Senator stellte eine Anfrage hinsichtlich der Inhaftierung Wegelins im Parlament. Weiterhin haben wir dem Präsidenten Kasachstans einen offiziellen Brief geschrieben und weitere deutsche Institutionen miteinbezogen. Die Deutsche Botschaft wurde von uns über den Vorfall informiert, da sie über die Inhaftierung von kasachischer Seite nicht benachrichtigt wurde. Auch der Wirtschaftsklub in Kasachstan und der Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft sind in Kenntnis gesetzt. Nun sind endlich erste nichtoffizielle, positive Signale zu erkennen. Am 27. September wird hier im Deutschen Haus in Almaty eine Pressekonferenz der DKAU stattfinden, bei der wir auch den Fall Wegelin thematisieren werden.

Außerdem vermitteln wir Kontakte zwischen Unternehmern, die an Kooperationen in Kasachstan interessiert sind, und unseren Mitgliedern. Auch organisieren wir Unternehmerreisen, helfen bei der Geschäftsvisavermittlung und unterstützen bei der Personalvermittlung.

DAZ: Warum lohnt es sich, nach Kasachstan zu kommen? Kann dieser Standort gerade für kleine und mittelständische Unternehmen aus Deutschland „als Tor nach Zentralasien“ bezeichnet werden?

Alexander Schröder: Wenn man sich hier umschaut, sieht man eine beachtliche wirtschaftliche Vitalität – was man von Deutschland derzeit leider nicht sagen kann. Trotz Vorurteilen: Wirtschaftswachstum findet hier nicht nur im Öl- und Gassektor statt. Es vollzieht sich ein gesamtwirtschaftlicher Erneuerungsprozess. Es wird gebaut, das Dienstleistungsgewerbe boomt, und noch vor Jahren zerfallene Betriebe werden wieder aufgebaut oder umfunktioniert. Eine Sättigung des Marktes ist hier noch längst nicht absehbar. Dass der Wachstumsmarkt Kasachstans das Interesse deutscher Firmen weckt, zeigt die steigende Zahl der Besuche von Wirtschaftsdelegationen. Zumal Kasachstan bekanntlich das stabilste Land Zentralasiens ist, das Wirtschaftswachstum beständig hoch ist und der Bankensektor als zuverlässig gilt. Zur Flankierung der Diversifikation der Wirtschaftsstruktur  gibt es von Staatsseite Steuervorteile für das verarbeitende Gewerbe.

Hinsichtlich seines Marktpotenzials ist Kasachstan als neuntgrößtes Land der Erde in Relation zu einer Bevölkerungszahl von etwa 15 Millionen Einwohnern dünn besiedelt. Damit konzentriert sich das Wirtschaftswachstum um die Ballungsgebiete und die beachtlichen Rohstofflagerstätten. Trotzdem spielt die von Ihnen genannte Position Kasachstans als „Tor nach Zentralasien“ für Investoren eine wichtige Rolle. Dies hat beispielsweise die deutsche Firma Knauf richtig erkannt. Es müssen jedoch weite Strecken überwunden werden, und wenn Sie schon auf die Infrastruktur ansprechen, dann besteht hier streckenweise, gerade zwischen den Industriestandorten, großer Aufholbedarf. Aber auch das wird bereits in Angriff genommen, und es locken Bauaufträge.

Ähnlich wie in anderen GUS-Ländern ist der Markt hier gekennzeichnet von versteckten Monopolen. Erfolg oder Misserfolg hängt häufig von Kontakten und dem nötigen Kleingeld ab. Es ist also nicht leicht hier, man braucht Marktkenntnis und teilweise einen langen Atem. Es locken aber beachtliche Profitchancen.
Kürzlich hatte ich ein Gespräch mit einem in Deutschland lebenden Aussiedler. Er erzählte, dass er zwar gar keine schlechte Arbeit in Deutschland gefunden habe, jedoch im Vergleich mit seinen in Almaty lebenden Freunden eher auf der Stelle tritt.  Jetzt plant er, wieder mit seiner Familie nach Kasachstan zu kommen.

DAZ: Deutsche Investitionen in Kasachstan sind bisher eher selten sowohl von Seiten der Großkonzerne als auch des Mittelstandes. Wieso?

Alexander Schröder: Viele deutsche Unternehmer möchten einfach nur verkaufen oder hier Aufträge ausführen. Erst später denkt man über Direktinvestitionen nach. Das hängt vielleicht mit einer eher konservativen Haltung zusammen. Man denkt in Deutschland gerne langfristig und ist eher zögerlich und risikoscheu. Die Zurückhaltung deutscher Firmen ist sicherlich auch mit negativen Erfahrungen verbunden, die einige Unternehmen kurz nach der Unabhängigkeit Kasachstans gemacht haben. Die bereits angesprochene Intransparenz ist eine wesentliche Hemmschwelle. Trotzdem: Die, die sagen „reingehen können wir immer noch…“, denen rate ich zu bedenken, dass in vielen Sektoren der Kuchen schon verteilt ist. Es wird immer schwerer, ein Stück davon abzubekommen.

DAZ: Warum haben Ihrer Ansicht nach die Wirtschaftsbeziehungen Deutschland-Kasachstan Potenzial? Welche Branchen schätzen Sie als besonders interessant ein?

Alexander Schröder: Deutsche Produkte sind hier wegen ihrer Qualität gefragt. Auch die „deutschen Tugenden“, wie Genauigkeit, Arbeitsliebe und Pünktlichkeit prägen das hiesige Image Deutschlands. Daher haben Deutsche prinzipiell einen guten Stand. Allerdings werden Produkte aus anderen Ländern häufig wegen der relativen Hochpreisigkeit deutscher Erzeugnisse präferiert. Ein Unternehmer unserer Assoziation, der vor Jahren noch mit deutschen Einsatzstoffen produzierte, ist fast vollständig zu türkischen und chinesischen Lieferanten gewechselt. Andererseits scheint sich langsam die Einsicht zu verbreiten, dass sehr günstige Angebote nicht immer die beste Lösung sind. Preisdumping hat türkischen Baufirmen zwar Grossaufträge beschert, aber wegen mangelnder Qualität haben sie dann erhebliche Imageverluste erlitten. Da in Kasachstan mittlerweile das notwendige Kapital vorhanden ist, dürften sich deutsche Produkte einer steigender Nachfrage erfreuen. Interessante Branchen sind Petrochemie, Bau- und Druckindustrie, Metallverarbeitung, Logistik und langsam auch der Tourismus. Vor allem besteht Bedarf an gebrauchten Maschinen aller Art.

DAZ: Welche Rolle könnten Kasachstandeutsche  ob in Deutschland oder vor Ort  spielen?

Alexander Schröder: Zwischen beiden Ländern besteht wegen der großen Anzahl der ausgewanderten ehemaligen Staatsbürger Kasachstans eine besondere Beziehung, die zum Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit genutzt werden sollte. Dies haben der deutsche Bundeskanzler und der Präsident Kasachstans bei ihrem letzten Treffen bekräftigt.

Die in Deutschland lebenden Aussiedler bilden aufgrund der erworbenen Kenntnisse über Deutschland, beider Mentalitäten und Sprachen ein gutes Potential zur Entwicklung der deutsch-kasachstanischen Wirtschaftsbeziehungen. Das Interesse bei den Aussiedlern an Kasachstan ist gewachsen. Einige können sich gut vorstellen, hier, zumindest für gewisse Zeit, zu arbeiten und zu leben. Für Deutschland und Kasachstan wäre das ein wichtiger Zugewinn, auch unter Berücksichtigung der jeweiligen Arbeitsmarktsituation.  Hier sind aber noch einige Hürden zu nehmen. Problematisch ist beispielsweise die Frage der Arbeitserlaubnis für Kasachstan. Hierbei kann die DKAU als Ansprechpartner dienen und eine wichtige Brückenfunktion übernehmen.

Das Interview führte Gunter Deuber

23/09/05

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