Während ich in vielen Bereichen, vorzugsweise den Naturwissenschaften, trotz großen Interesses und aufmerksamen Lesens von Fachartikeln deppert bleibe, da hilft alles nix, habe ich wenigstens einen guten Zugang zur Sprache. Immerhin. Was ich allerdings damit in der Praxis anfangen soll, weiß ich täglich weniger.

Ich beherrsche verschiedene Sprachjargons: Ich kann mich schwülstig, auf Kölsch, Straßenköterdeutsch, mit Kraftausdrücken, in Comicsprache und Metaphern ausdrücken. Ich kann den Plaudertaschenstil, Wetter-Smalltalk, zwischen dem Imperativ und Konjunktiv hin und her switchen, anderen ins Wort fallen oder ihnen das Wort im Munde herumdrehen. Ich bin lebensgeschult in interkultureller Kommunikation und habe sogar gelernt, klar und konstruktiv meine Standpunkte, Wünsche und Befindlichkeiten mitzuteilen. Und trotzdem will es mir oft genug nicht gelingen, meine Anliegen zu transportieren. Ich habe noch nicht durchdrungen, woran es an sich und jeweils liegt. Aber zuweilen vergeht mir die Lust am Kommunizieren, und ich tät am liebsten nur noch schweigen.

Vielleicht habe ich die Kommunikation als solche noch nicht richtig verstanden und müsste stärker zwischen Gesprächsstilen, -anlässen und -partnern differenzieren. Dann könnte ich mich besser auf Gespräche einstellen und Enttäuschungen vermeiden. Wenn ich z.B. durch ein Frühwarnsystem erkenne, dass ein Gespräch gar nicht auf den Austausch von Informationen abzielt, sondern nur atmosphärische Wirkung erzeugen soll oder ich es mit einem Gesprächspartner der Kategorie unsicherer Mensch zu tun habe, der Gespräche in erster Linie dazu nutzt, um seine vertraute Welt zu bestätigen, indem er die Aussagen hemmungslos verfälscht, um Fremdes aus dem Gehörten auszuklammern oder in Vertrautes umzuwandeln, dann gebe ich mir nicht so viel Mühe damit, mich klar und deutlich auszudrücken. Halte auch mein Ohr nur halbherzig hin, verschwende nicht meine Energie aufs Verstehen und Verstandenwerden, sondern kann, während ich ein paar Grunzlaute von mir gebe und immer mal mit dem Kopf nicke, parallel heimlich über sinnvolle Dinge nachdenken.

Das Problem ist, das Verstehen und Verstandenwerden bleibt mir ein dringendes Bedürfnis. Mir fallen zwar etliche Leute ein, mit denen das funktioniert. Aber bei ihnen funktioniert es eben auch ohne Worte. Drum lautet mein vorläufiges Fazit: Wenn man verstanden werden will, helfen bei vielen Menschen Worte auch nix, da ist quasi egal, wie man es sagt, die Botschaften kommen eh nicht an. Und bei den Menschen, die einen verstehen wollen und können, versteht man sich auch ohne Worte, da ist quasi auch egal, wie man es sagt, die Botschaften kommen sowieso an.

Dann fragt sich allerdings, wie wir Sprache anderen Menschen beibringen, denen wir bislang suggerieren, dass es hinreichend sei, die Satzteile ordnungsgemäß in Reih und Glied zu bringen, das Dings mit dem Deklinieren und Konjugieren zu beherrschen und eine pralle Ladung Wortschatz mit sich zu führen. Damit kommt man zwar von A nach B und an sein Brot und Salz. Für die eigentliche Verständigung fehlt aber die wichtigste Lehreinheit: Grundlagen zur differentiellen Psychologie der Kommunikation mit kulturdifferenzierten Betrachtungen, die es dem eifrigen Deutschlerner erlauben, je nach Gesprächsintention und Zuhörbereitschaft zielsicher in die passende Floskelkiste zu greifen. Und mit dieser kniffeligen Frage schließe ich für heute und übergebe die Staffel an die Sprachdozenten.

Julia Siebert

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