In Litauen konnten Investoren für eine Großraffinerie bieten. KazMunaiGas gab ein Gebot ab, hatte aber keine reale Chance, den Zuschlag zu erhalten. Der kasachische Energieriese leidet unter dem „Gazprom-Syndrom“, er war kein willkommener Investor.

Kasachstans Energieriese KazMunaiGas und Russlands Konzerne Lukoil und TNK-BP boten jüngst beim Verkauf eines 53-Prozent-Anteils an der Mazeikiu Ölraffinerie in Litauen – der größten im Baltikum, zu der auch Pipelines und ein Hafenterminal gehören – mit.

KazMunaiGas und die russischen Firmen kassierten eine Absage. Nachdem ein US-Konkursgericht den Verkauf der Anteile genehmigt hatte, ging das Investitionsobjekt von einer in London ansässigen Yukos-Tochter, die erst den Gerichtsentscheid abzuwarten hatte, an den polnischen Konzern Naftowy Orlen (PKN-Orlen). Laut Dow Jones International hat sich PKN-Orlen die Transaktion 1,49 Milliarden US-Dollar kosten lassen. Der polnische Konzern darf nun die litauische Raffinerie betreiben und wird hierzu auf Öl aus Kasachstan und Russland angewiesen sein.

Großgeschäft mit „Gazprom-Syndrom“

Das Großgeschäft in Litauen hat Symbolcharakter für politische Scharmützel im Energiesektor. Seit Monaten versucht Gazprom, der russische Erdgaskonzern in Staatshand, sich direkt in Westeuropas Energiemärkte einzukaufen und dort in Raffinieren oder Versorgungsunternehmen zu investieren. Der Rubel soll auch bei der Veredelung und dem Verkauf von Rohstoffen vor Ort rollen. Rohstoffe will der Westen zwar beziehen, doch als Investor wird Russlands Gazprom nicht mit offenen Armen empfangen. Unter gleichen Vorzeichen erhielt die staatliche kasachische Öl- und Gasfirma KazMunaiGas, die laut der Nachrichtenagentur Reuters 1,2 Milliarden US-Dollar in Litauen investieren wollte, beim Mazeikiu-Verkauf eine Absage. Energiemärkte sind – ob in West oder Ost – traditionell von polit-strategischen Überlegungen geprägt und eine Spielwiese für „ökonomische Nationalisten“, die durch ausländische Kontrolle der Energieversorgung um die Sicherheit der Heimat fürchten. Gazprom oder KazMunaiGas sind doppelt ungeliebte Investoren in Litauen und im Rest Europas. Die Absage des Verkaufs an eine russische oder kasachische Energiefirma spiegelt Misstrauen in den Energiesektor beider Länder, genauer die spezielle Verquickung von Geschäft und Staat, wieder. Ein bezeichnendes Signal, dass die Mazeikiu-Raffinerie einst Yukos gehörte. Vor allem am Mazeikiu-Standort selber ist das Misstrauen gegenüber politischer Einflussnahme in Energiefragen hoch. Das junge Litauen erlebte Anfang der 1990er und später während der russischen Wirtschaftskrise Ende der 1990er Energieblockaden. Damit der Mazeikiu-Komplex an russische Firmen gehe, drohte der Kreml bei Verkauf an einen polnischen Konzern mit Engpässen für die litauische Raffinerie.

Herausforderung an vertragliche Rechte

Im Lichte solcher Verquickung von Politik und Business entschied sich Litauens Regierung gegen einen Verkauf an eine russische Firma und politisch gesteuerte Unternehmen. KazMunaiGas hatte damit ebenso keine reale Chance. Auch in Kasachstan wird von ausländischer Seite eine immer engere Verquickung von Staat und Ölgeschäft beklagt. Dies sogar vom Auswärtigen Amt Amerikas. Obwohl die USA an und für sich ein enger Verbündeter Kasachstans sind. Die Vereinigten Staaten erkannten Kasachstan als erstes Land weltweit an. Heute beklagt das US Department of State offen, dass seit 2004 keine westliche Ölfirma mehr ein bedeutendes Geschäft in Kasachstan unterzeichnet hat. Die US-Diplomaten sehen gar eine Gefahr für Eigentumsrechte. „Marktwirtschaftliche Errungenschaften, die erfolgreich Investoren angezogen haben, werden seitens der Regierung durch eine Tendenz, vertragliche Rechte herauszufordern, untergraben“, so das Department of State in seinem „Investment Climate Statement“. Im Lichte all dieser Kontroversen verkaufte das kleine Litauen die Mazeikiu-Raffinerie an eine Yukos-Auslandstocher – die von russischer Seite nicht anerkannt wird – lieber nicht erneut an einen Energiekonzern aus Russland oder Kasachstan.

Von Gunter Deuber

09/06/06

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