Kasachstan wird den Internationalen Währungsfonds (IWF) infolge der Finanzkrise nicht um Hilfe bitten müssen. Das ist erst einmal eine gute, wenn auch keine sensationelle Aussage; schließlich hat das Land in den Boomzeiten bis 2008 einiges an internationalen Devisenreserven angesammelt, die genau für den im Moment vorliegenden Zweck bestimmt sind.

Trotz eines geringeren Devisenzuflusses infolge niedrigerer Ölpreise betragen die Gold- und Devisenreserven der Nationalbank immer noch 19,8 Milliarden Dollar, die für die Stabilisierung des Wechselkurses und der Sicherung der internationalen Zahlungsverpflichtungen bestimmt sind. Darüber hinaus liegen im Nationalen Reservefonds, der aus den Öl-Steuereinnahmen geschaffen wurde, noch einmal 23 Milliarden Dollar. Dieser Fonds ist für die Stabilisierung des Staatshaushaltes vorgesehen. Somit kann erst einmal eine Weile gewirtschaftet werden, zumal ja der Devisenstrom nicht gänzlich versiegt und die Außenhandelsbilanz nach wie vor positiv ist.

Das erklärt neben einer Reihe anderer Tatsachen auch den Grundoptimismus, den man bei den Regierungsvertretern feststellt. Bei einer Reihe von strategischen Entwicklungsprogrammen werden auch keine prinzipiellen Abstriche gemacht. Dazu gehört unter anderem die Diversifizierung der Wirtschaft. Die bisher dahin zielenden Maßnahmen haben zwar noch keine grundlegenden Veränderungen der einseitigen Wirtschaftsstruktur gebracht, aber einige Grundsteine sind durchaus gelegt. Die Anstrengungen zur Diversifizierung gehen richtigerweise von dem aus, was man hat, unter anderem vom Öl. Da gibt es ja eine große Diskrepanz: Von den etwas mehr als 70 Millionen Tonnen Förderung werden nur etwa 18 Prozent im eigenen Land verarbeitet, der Rest wird als Rohöl exportiert.
Das soll sich nun ändern. Zuerst wird natürlich ein staatliches Strategiepapier erarbeitet. Das geht zum einen von der Situation unzureichender Erdölverarbeitung aus, zum anderen vom wachsenden Bedarf an qualitativ hochwertigen Kraftstoffen, die in Kasachstan im Moment noch nicht produziert werden. Das betrifft sowohl den Reinheitsgrad der Kraftstoffe als auch den Grad der Ölverarbeitung. Letzteres bedeutet, dass weniger als die Hälfte des eingesetzten Öls zu Kraftstoffen wird, der Rest findet Verwendung als minderwertigere Produkte.

Eine Verordnung zur Begrenzung des Schadstoffausstoßes von Kraftfahrzeugen zum Beispiel soll die Ölverarbeitung beflügeln. Danach soll nun ab 01. Juni 2010 die Euronorm 2 gelten, Euro-3 ab Anfang 2014 und Euro-4 ab Anfang 2016. Das ist natürlich ein gutes Anliegen, das im Vergleich mit anderen Ländern allerdings mit mindestens zehnjähriger Verspätung in Angriff genommen wird. Die bisherigen Diskussionen um die Einführung von Euro-2 waren eher vom Drang geprägt, die Einführung dieser Norm zu verhindern. Argumentiert wurde überwiegend mit fehlenden Kontrollgeräten in den Werkstätten; und was man nicht messen kann, braucht man nicht einzuführen. Was das Umdenken in Sachen Messgeräte bewirkt hat, weiß ich nicht. Die Begründung war aber seinerzeit schon nicht allzu stichhaltig. Wie dem auch sei. Selbst hierzulande scheint sich der ökologische Fortschritt auf den Weg machen zu wollen, wenn auch nur in Euro-Zweier und nicht gleich in Euro-Vierer-Schritten.

Jedenfalls will man die Ölverarbeitung im Lande ankurbeln und statt bisher etwa 12 Millionen Tonnen künftig 18 – 19 Millionen Tonnen selbst verarbeiten. Damit bleibt man zwar in erster Linie immer noch Exporteur von Rohöl, aber der Deckung des Landesbedarfs aus eigenem Aufkommen wäre man damit schon ein Stück näher gekommen. Der Verarbeitungsgrad von Öl soll sich dabei durchaus radikal auf etwa 85 Prozent erhöhen.

Diese Dinge stehen im Moment nur auf dem Papier, aber immerhin: Es gibt ein klares Ziel. Der Umsetzungszeitraum dieser Strategie reicht bis 2017. Die Situation soll sich also eher allmählich ändern.

Ein Haken an der Sache aber bleibt: Im Moment ist die Finanzierung der Umrüstung und des Ausbaus der Ölverarbeitungskapazitäten noch nicht vollständig gesichert. Trotz der strategischen Vorteile der Einzelprojekte sind die Banken im Moment mit neuen Finanzierungszusagen sehr vorsichtig. Ausländische Investoren aber muss man erst einmal begeistern für Euro-2 in Kasachstan.

Bodo Lochmann

26/06/09

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