Morgens um sieben aufstehen, Zähne putzen, robuste Kleidung an und auf geht es in Richtung Wiesn. Wer an den Oktoberfestwochenenden einen Sitzplatz in einem der begehrten Festzelte ergattern will, der muss früh raus. Das bayrische Volksfest ist weltbekannt, und nicht selten werden Deutsche im Ausland gefragt, ob sie denn auch jedes Jahr zum Oktoberfest gingen. Eine Menge Mythen und Rekorde ranken sich um das riesige Fest auf der Theresienwiese am Stadtrand von München.

Am 17. Oktober 1810 fand das erste Oktoberfest in München statt. Wird der bayrische Rummel heute mit abertausenden trinkfreudigen Besuchern und einem hohen Prominentenandrang assoziiert, so war das Fest ursprünglich eine sehr exklusive Veranstaltung. Die Hochzeit von Ludwig von Bayern und Prinzessin Therese von Hildburghausen sollte mit einem großen Pferderennen gefeiert werden. Zu Ehren der Prinzessin wurde der Veranstaltungsort „Theresienwiese“ getauft.

Ab diesem Jahr sollte das Oktoberfest nun bis zum heutigen Tag jährlich stattfinden. Seit 1810 musste die Feielichkeit nur 24 Mal ausfallen. Die beiden Weltkriege, Cholera und die Hyperinflation in den 20er Jahren waren Gründe für das Pausieren des Volksfestes.

Heute wird das Oktoberfest alljährlich von einem großen Presse-Tamtam begleitet. Politiker und Prominente jeder Couleur setzen sich auf den Wiesn in Szene. Jüngst meldete die dpa, dass der bekannte deutsche Torwart Jens Lehmann für sein nächstes Bundesliga-Spiel gesperrt wurde, weil er nach der Niederlage seines Vereins Vfb Stuttgart gegen den 1. FC Köln das Oktoberfest besuchte. Im vergangenen Jahr verursachte Marga Beckstein, die Frau des damaligen Ministerpräsidenten Günther Beckstein, einen kleinen Skandal, weil sie sich weigerte, bei der Eröffnung des Oktoberfestes im Dirndl zu erscheinen. Und in diesem Jahr, kurz vor der Bundestagswahl, nutzen Politiker die Medienaufmerksamkeit auf den Wiesn für den ein oder anderen wohl platzierten Seitenhieb gegenüber der politischen Konkurrenz. Traditionell eröffnet der Münchener Oberbürgermeister das Oktoberfest, in dem er um Punkt 12 Uhr mittags des Eröffnungstages das erste Bierfass ansticht und dann laut auf Bairisch ausruft: „O’zapft is“ (Es ist angezapft).

Alle anderen kommen vorrangig auf die Theresienwiese, um sich zu amüsieren. Sechs Millionen Besucher drängten sich nach Angaben der Veranstalter im vergangenen Jahr über das Festgelände. Sie verzehrten dort 6,5 Millionen Maß Bier und knapp 460. 000 Brathennen, auf Bairisch Brathendl genannt. Bei all diesem Gedränge und Gelage verliert mancher als Folge des Biergenusses nicht nur seine Orientierung, sondern auch diesen oder jenen Wertgegenstand. 410 Geldbörsen, 280 Mobiltelefone und nicht weniger als 1600 Kleidungsstücke wurden 2008 auf den Wiesn verloren, meldet die offizielle Webseite des Oktoberfestes. Ins Schmunzeln gerät man bei der Liste der kuriosen Fundsachen: Ein Rauhaardackel, eine Aluleiter, eine Taucherbrille oder vier Eheringe. Man könnte vermuten, das ein oder andere wurde nicht verloren, sondern im Gewühl entsorgt.

Heute bietet das Oktoberfest neben Speis und Trank vor allem Rummel. Viele Fahrgeschäfte locken die Besucher mit dem Versprechen auf Kribbeln im Bauch in ihre Achter- oder Loopingbahnen. Früher, als das Oktoberfest noch ohne Strom auskam, amüsierten sich die Menschen beim Baumsteigen oder Schubkarrenrennen. Auch das gegenseitige Füttern mit Mus bei verbundenen Augen, versprach großen Gaudi für die Zuschauer, so kann man in den Anekdoten auf der Oktoberfest-Webseite lesen.

Auch wenn sich vieles verändert hat, die Freude am ausgelassenen Feiern lockt heute wie damals jedes Jahr Millionen von Besuchern auf die Theresienwiese in München. Mit dem feinen Unterschied, dass man vor knapp 200 Jahren noch nicht Gefahr lief, am nächsten Morgen sein Mobiltelefon zu vermissen.

Von Jennifer Brandt

25/09/09

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