Das Erstellen von Prognosen ist schwer, vor allem, wenn es die Zukunft betrifft. So hat sich John Meinhard Keynes, ein Großer unter den Wirtschaftsweisen, zur Schwierigkeit des Erstellens von Ausblicken in die Wirtschaftsentwicklung geäußert. Dass der Mann Recht hatte, zeigt sich wieder mal an den jüngst veröffentlichen Einschätzungen der kasachischen Regierung zur Wirtschaftsentwicklung bis zum Jahre 2015.

Das ist ein sehr langer Zeitraum, der das Bewerten möglicher Entwicklungen nicht leicht macht. Zweifelsfrei ist, dass die Notwendigkeit von solchen Prognosen besteht, weil Marktteilnehmer wissen wollen, welche Rahmenbedingungen sie erwarten. Eine grundlegende Änderung der Prognosen ist nicht wünschenswert, bei so langen Zeiträumen jedoch keinesfalls auszuschließen. Die im September von der Regierung vorgestellte Prognose erfüllt die letztere Bedingung nicht. Seit dem Vorstellen der vorherigen Prognose sind nur zwei Monate ins Land gegangen. Sicher haben sich einige Annahmen der früheren Prognose im Detail verändert, doch nicht so radikal, dass nun wieder neue Zahlen publiziert werden müssen.

Der neuen Prognose liegt ein gestiegener Ölpreis zu Grunde, der für Kasachstan zentrale Bedeutung hat. Andererseits befinden wir uns mit den Prognosedaten deckungsgleich im wortgewaltig angekündigten „Fünfjahrplan der beschleunigten industriell-innovativen Entwicklung“, nach dem sich die Struktur des Bruttoinlandsproduktes (BIP) etwas vom Öl wegbewegen sollte. In den makroökonomischen Kennziffern ist davon nichts zu merken. Soweit zu der kritischen Einschätzung der Prognose.

Es gibt auch eine positive Seite, die vor allem darin auszumachen ist, dass die erwartete Entwicklung wesentlich zurückhaltender eingeschätzt wird, als man das noch bis vor zwei, drei Jahren gewöhnt war. Bis zum Beginn der Immobilienkrise im Jahre 2007 konnten die Wachstumsziele nicht ambitioniert genug sein; jetzt scheint Realismus in die Amtsstuben der Regierung eingezogen zu sein. Um etwa vier Prozent soll das BIP bis 2015 jährlich wachsen, also um weniger als die Hälfte der früheren Zielmarken. Öl bleibt die wirtschaftliche Basis Kasachstans, aber auch hier sind die Entwicklungsziele bescheidener, sprich realistischer geworden. Bis 2015 soll die Förderung des schwarzen Goldes nicht mehr wie noch vor ein paar Jahren auf 150 Millionen Tonnen gesteigert werden, sondern von heute etwa 80 Millionen Tonnen nur noch auf knapp 100 Millionen Tonnen.

Offensichtlich sind die gewaltigen Investitionssummen, die man gebraucht hätte, um 150 Millionen Tonnen zu fördern, unter den aktuellen Rahmenbedingungen auch mit ausländischen Investitionen nicht aufzubringen. Das ist keine Katastrophe, auch wenn das manchmal so dargestellt wird. Schließlich erhöht es den Druck, in anderen Bereichen der Wirtschaft voranzukommen. Auch die Natur dankt für diese zurückgeschraubten Förderungsziele.

Die verarbeitende Industrie soll sich um ein paar Zehntel Prozente schneller entwickeln als die rohstofffördernde. Eine radikale Abwendung von den Rohstoffen ist damit in nächster Zeit nicht zu erwarten. Beachtenswert ist, dass dem Bauwesen keine nennenswerte Ausweitung vorhergesagt wird. Um weniger als ein Prozent soll im Jahresdurchschnitt das Bauvolumen bis 2015 wachsen. Nach dem hemmungslosen Bauboom der Jahre vor der Krise ist das, ökonomisch gesehen, richtig wohltuend, wenn auch weniger angenehm, wenn man an die vielen Leute denkt, die noch schlecht mit Wohnraum versorgt sind.

Die Inflation wird uns mit etwa sieben Prozent jährlich erhalten bleiben, wodurch ein Gutteil der auch bescheidener als früher geplanten Einkommenssteigerung wieder verzehrt wird. Das Resümee der aktuellen Regierungsprognose: Ein solideres Rechenwerk, keine Sensationen, wahrscheinlich von nur kurzer Haltbarkeitsdauer.

Bodo Lochmann

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