Welche Bedeutung haben regenerative Energien heutzutage in Kasachstan? DAZ sprach mit Prof. Manfred Schmidt über Chancen und Herausforderungen sowie über seine Tätigkeit als Gastdozent an der Deutsch-Kasachischen Universität (DKU).

DAZ: Die DKU ist für ihre innovativen Studiengänge und den interdisziplinären Ansatz bekannt. Herr Prof. Schmidt, für welchen Fachbereich sind Sie verantwortlich?

Prof. Dr. Manfred Schmidt: Derzeit bin ich an der Fakultät Energie- und Umwelttechnik als Gastdozent im Rahmen eines Programms der Herder-Stiftung tätig und vertrete in dieser Funktion die Studienrichtung „Energie- und Umwelttechnik“.

Bedauerlicherweise gibt es an diesem Lehrstuhl nur eine festangestellte Mitarbeiterin, die Lehrstuhlleiterin Dr. Nassipkul Dyussembekova.

Bereits im Herbst letzten Jahres habe ich an der DKU Vorlesungen zum Thema „Regenerative Energien“ gehalten. Speziell beschäftigte ich mich dabei mit Solarthermie, Windenergie und Photovoltaik. Regenerative Energien sind im letzten Jahrzehnt zu meinem Spezialgebiet geworden, mit dem ich mich in meinem Buch „Regenerative Energien in der Praxis“ auseinandergesetzt habe. Die regenerativen Energien sind ein Themengebiet, dessen Inhalte sich in fortwährender Entwicklung befinden. Das erfordert, dass ich mich ständig auf dem Laufenden halten muss.

Dabei versuche ich, das Verständnis für regenerative Energien insgesamt zu fördern. Ich möchte vermitteln, dass regenerative Energien vom wissenschaftlichen Standpunkt aus eine andere Sichtweise verlangen als konventionelle Energien.

Welchen Stellenwert nehmen Ihrer Einschätzung nach regenerative Energieformen in Kasachstan ein?

Wenn man sich länger in Kasachstan aufhält und mit diesem Thema beschäftigt, wird man nach einiger Zeit erkennen, dass regenerative Energien in Kasachstan noch keine große Rolle spielen. In Kasachstan gibt es ja bekanntlich momentan Energie im Überfluss, deshalb ist es noch schwer, die Menschen von regenerativen Energien zu überzeugen. Einige, die sich darin auskennen, wissen auch, dass regenerative Energien im Moment etwas teurer sind als konventionelle.

Ein gewisses Interesse ist aber vorhanden. Das hat dazu geführt, dass ich im Mai einige Vorlesungen an der Energieuniversität in Almaty halten werde. Außerdem ist geplant, im Juni an der Universität in Pawlodar einen Sommerkurs zu veranstalten, an dem ich als Lehrender teilnehmen werde.

Für viele Menschen in Kasachstan sind regenerative Energien, wie die zwei Solaranlagen auf dem Dach der DKU, eher ein Prestigeobjekt. Die Anlagen werden installiert und müssen natürlich auch gewartet werden, woran die wenigsten denken.

Aus diesem Grunde sehe ich auch auf diesem Gebiet einen großen Wirkungsbereich für mich. Mit meiner Mitarbeiterin haben wir Überlegungen zur Bildung eines Innovationszentrums angestellt, in dem regenerative Energien eine wichtige Rolle spielen werden.

Gibt es denn eine entsprechende Nachfrage nach regenerativen Energieformen in Kasachstan?

In Almaty gibt es genügend Abnehmer, die sich Solaranlagen installiert haben. Wir dachten aber eher an eine Einführung der regenerativen Energien in ländlichen Gebieten. Das gestaltet sich etwas schwieriger, denn es gibt immer noch Dörfer, die nicht an das konventionelle Energienetz angeschlossen sind. Dort wäre es natürlich optimal, wenn man ein kleines Netz an regenerativen Energien mit Speichern aufbauen könnte. Dafür benötigt man jedoch Hilfe und Unterstützung von staatlicher Seite, außerdem Geldgeber und vor allem Handwerker, die in der Lage sind, diese Anlagen zu warten.

Welche Schwerpunkte setzen Sie in Ihrer Arbeit?

Meinen Schwerpunkt sehe ich darin, die Grundlagen für Photovoltaik, Windenergie und Solarthermie zu vermitteln. Diese sind allerdings in den Fachgebieten der Thermodynamik, Strömungslehre und Elektrotechnik sehr unterschiedlich. Mir geht es darum, die Charakteristika der regenerativen Energien sowie die thermodynamischen Bewertungsgrößen zu vermitteln.

In meinen Lehrveranstaltungen wende ich die Methodik der Powerpoint-Vorträge und praktischen Übungen an. Diese Aufgaben werden gemeinsam besprochen und müssen dann selbständig gelöst werden. Alle notwendigen Materialien sende ich meinen Studenten per E-Mail zu, was bisher dankbar angenommen wird.

Alles in allem versuche ich mit diesem Ansatz, das grundlegende Verständnis für regenerative Energien zu fördern. Meiner Einschätzung nach ist unter den Studenten dafür genügend Potenzial vorhanden.

Welchen Stellenwert hat die Fachsprache Deutsch in Ihren Veranstaltungen?

Die Fachsprache Deutsch ist seit dem letzten Jahr hier an der DKU ein großes Thema. Meine Auffassung ist, dass ich als Fachdozent den Studenten die nötige Lexik und Fachterminologie beibringe. Die methodischen Besonderheiten der Fachsprache Deutsch müssten in einem weiteren Schritt von ausgebildeten Dozenten vermittelt werden.

Mithilfe von Vortrag und Sprechen im Unterricht vermittle ich ja schon ein „Fachdeutsch“. Ich erkläre bestimmte Wörter, Komposita, die nicht auf Anhieb zu erschließen sind und frage die Studenten, wie viel sie von meinen Ausführungen verstanden haben.

Außerdem habe ich festgestellt, dass ich selbst wieder verstärkt auf die deutsche Sprache schaue: Man macht sozusagen eine neue Bekanntschaft mit seiner eigenen Muttersprache. Ich möchte ja, dass mich meine Studenten verstehen. Viele Ausdrücke stammen nicht aus dem Deutschen, sondern weisen oft einen lateinischen Ursprung auf.

Letztendlich kommt es darauf an, dass die Studenten die fachliche Lexik beherrschen und diese anwenden können.

Stichwort Gast- oder Kurzzeitdozentur: Welche Projekte können Sie sich in der kurzen Zeit als Kurzzeitdozent vornehmen oder sind Sie eher ein Impulsgeber und geben Anstöße für bestimmte Entwicklungen in der Lehre?

Die Gastdozentur der sogenannten „Herder-Dozenten“ dauert mindestens drei Monate im Semester.

In diesem Zeitraum kann man schon einiges bewegen.

Zuallererst sollte man jedoch die Partner vor Ort kennenlernen. Mir persönlich kommt es darauf an, während meiner Gastdozentur auch einmal verschiedene Betriebe in Almaty im näheren Umfeld kennenzulernen. Als ich das letzte Mal im Herbst an der DKU gelehrt habe, versuchte ich bereits, einige Unternehmen zu besuchen, muss dies aber noch intensivieren.
Momentan habe ich gute Kontakte zu verschiedenen Hochschulen, aber es fehlt der Kontakt zu den Ingenieurbüros, der sich am besten über Einheimische herstellen lässt.

Wenn man Projekte aufbauen will, dann ist der Zeitraum von drei Monaten einfach zu kurz, denn es braucht seine Zeit, bis man sich entsprechend vernetzt hat.

Ein weiteres Projekt sind die Solaranlagen auf dem Dach unserer Hochschule. Es besteht Kontakt zum Betrieb, der die solarthermische und die Photovoltaik-Anlage installiert hat. Allerdings beträgt der Anteil an Solaranlagen am Gesamtgeschäft dieser Firma nur ca. 1%. Die solarthermische Anlage wird jedoch nicht zur weiteren Energienutzung eingesetzt. In dieses Projekt muss jetzt Zeit und Energie gesteckt werden. Jemand muss die Initiative und Verantwortung übernehmen, um die solarthermische Energie auch sinnvoll zu nutzen. Ein anderer Aspekt ist der Personalmangel an unserer Fakultät. Die Lehrstuhlleiterin ist Ingenieurin für Elektrotechnik und bräuchte auf langfristige Sicht mehr ausgebildete Dozenten für die Lehre.

Außerdem plane ich, ein Buch gemeinsam mit der Lehrstuhlleiterin Dr. Dyussembekova herauszugeben. Es geht in diesem Buch nicht allein um regenerative Energien, sondern auch um Gebäudeeffizienz. Meine fachliche Bezeichnung dafür ist „Energie-generierendes Gebäude“ oder „Nullemissionsgebäude“. Wichtig ist uns hierbei, dass dieses Buch in der Landessprache Kasachisch sowie in Russisch verfasst ist.

Wenn Sie Lehre und Forschung in Deutschland und hier an der DKU in Almaty vergleichen – wo liegen die Gemeinsamkeiten, wo die Unterschiede?

Meiner Einschätzung nach ist das Verhältnis von Lehre und Forschung an der DKU noch nicht ausgewogen. Die Forschung läuft noch nicht optimal und muss intensiviert werden. Der Grund dafür ist eindeutig der Personalmangel. Es gibt verschiedene Forschungsprojekte mit Studenten, aber wenn man ernsthafte Forschung betreiben möchte, muss dies von Spezialisten gemacht werden. Es wurde angedacht, in einer Art Kompetenzzentrum Wissenschaftler einzustellen, die auch längerfristig vor Ort sind und sich so in die Materie einarbeiten können. Diese Herangehensweise würde es ermöglichen, neue Themen zu akquirieren.

Ohne ständige Kräfte kann man in der Forschung und Lehre keine Kontinuität sicherstellen – Forschung an sich ist gar nicht erst möglich. Wenn Sie so wollen, bin ich momentan ein Kontinuitätsfaktor am Lehrstuhl für Energie- und Umwelttechnik. Das sind Gegebenheiten und Tatsachen, die man erst einmal so annehmen muss.

Sie kommen seit einigen Jahren immer wieder als Gastdozent nach Kasachstan. Was reizt Sie an der Kultur, an Land und Leuten?

Dazu muss ich als kleine Randnotiz anmerken, dass ich schon einmal vor 42 Jahren mit einer Reisegruppe hier in Kasachstan und Zentralasien zu Besuch war, als es die Sowjetunion noch gab. Der ausschlaggebende Grund für meinen jetzigen Aufenthalt ist jedoch, dass ich als emeritierter Professor nach der Zeit an der Universität eine weitere interessante Beschäftigung suchte. Dabei bin ich auf das Programm der Herder-Dozenten aufmerksam geworden. Die Bedingung für eine Tätigkeit als Herder-Dozent war jedoch, dass ich mindestens drei Monate für eine Gastdozentur ins Ausland gehe. Diese Entscheidung fiel mir ehrlich gesagt anfangs schwer, weil ich gut in Deutschland vernetzt bin. Aber als ich im September letzten Jahres hierher kam, lernte ich interessante deutsche Kollegen kennen, war von der Stadt, den Menschen sowie von der Natur begeistert. Das kulturelle Angebot von Almaty hat mich außerdem sehr beeindruckt – ich selbst habe eine Vorliebe für das Ballett und kenne mittlerweile schon fast das ganze Repertoire an Ballettaufführungen.

Was wünschen Sie Ihren Studenten für die Zukunft, was liegt Ihnen am Herzen?

Ich wünsche der DKU natürlich, dass sie wachsen und gedeihen möge! Vor allem wünsche ich mir, dass die Universität über mehr ständige Lehrkräfte verfügt. Den Studenten wünsche ich, dass sie sich darüber bewusst sind, dass sie sich den DKU-Abschluss wirklich erkämpfen müssen. Das Beste wäre sicherlich, wenn fähige Studenten mit sehr guten Deutschkenntnissen ihr Wissen auch in den deutschen Firmen vor Ort in Kasachstan verstärkt anwenden und einbringen könnten.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Malina Weindl.

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