Der Sommer in Europa war in diesem Jahr durchwachsen: Auf einen heißen Juli folgte ein verregneter und kühler August. Im übertragenen Sinne gilt das auch für den Euro und die Eurozone. Nachdem der 750 Milliarden Euro schwere Rettungsschirm aufgespannt worden war, hatten sich die Finanzmärkte einigermaßen beruhigt, doch nun ist die Euro-Region wieder von der Realität eingeholt worden.

Die grundlegenden Probleme der Eurozone sind keinesfalls gelöst. Zwar hat das Rettungspaket die unmittelbar bevorstehende Zahlungsunfähigkeit Griechenlands und einen Zerfall der Eurozone verhindert. Inzwischen sind jedoch die Risikoaufschläge für Staatsanleihen aus den Randstaaten der Eurozone wieder genau so hoch wie auf dem Höhepunkt der Frühjahrskrise. Die Märkte haben sich nur kurzfristig beruhigt und misstrauen der Wirksamkeit des Rettungspakets.

Mit so genannten „Stresstests“ sollte den Sommer über getestet werden, welche finanziellen Belastungen der Bankensektor im neuen Krisenfall aushalten würde, sprich, wie viel neues Kapital benötigt wird, um vergleichbare Finanzkrisen wie die letzte unbeschadet zu überstehen. Der Stresstest wurde gemacht. Das Resultat war nicht überzeugend. Denn der festgestellte Gesamtkapitalbedarf aller Banken wurde sehr schnell nach Veröffentlichung der Daten vom Kapitalbedarf einer einzigen Bank übertroffen. Offensichtlich war der Stresstest viel zu lasch, sprich mit zu weichen Kriterien, durchgeführt worden.

Viele Politiker beruhigen sich im Moment auch damit, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den ersten beiden Quartalen im Durchschnitt der Eurozone wieder kräftig gestiegen ist, darunter besonders stark in Deutschland. Doch in den südlichen Randstaaten der Eurozone sieht das ganz anders aus. Dort wächst das BIP entweder nur sehr mickrig oder gar nicht. Die notwendige Sanierung der Staatsfinanzen ist ohne ein kräftiges Wirtschaftswachstum mit entsprechend höheren Steuereinnahmen kaum zu schaffen. Allein durch Verringern der Ausgaben ist der Staatshaushalt wohl nicht wieder ins Lot zu bringen, zumal sich in den südlichen Eurostaaten gegen die Sparpolitik der Regierungen bei den Betroffenen heftiger Widerstand entwickelt hat.

Konjunkturspritzen, die in der Eurozone (und nicht nur dort) in den letzten beiden Jahren die Produktion einigermaßen am Laufen gehalten haben, werden nun durch umfassende Sparpakete abgelöst. Das muss auf Dauer die Nachfrage reduzieren, das Wachstumstempo des BIPs drücken und wieder Pessimismus aufkommen lassen. Die Probleme existieren unverändert weiter: hohe Haushaltsdefizite und im Verlauf von vielen Jahren aufgebaute Schulden. Ebenso problematisch sind die Zahlungsbilanzdefizite und die vielerorts hohen privaten Schulden. Angesichts schwacher Regierungen und massiver öffentlicher Proteste gegen Sparmaßnahmen und grundlegende Reformen kann man hinsichtlich der Lösung der Probleme pessimistisch sein.

Früher oder später (je später, umso problematischer) wird sich die Eurozone entscheiden müssen: Entweder weiterwursteln wie bisher, sprich die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands nicht anerkennen und eine Restrukturierung seiner Schulden weiter hinauszuschieben und dazu die Eurozone in eine so nicht gewollte und auch völlig falsche Transferzone (einer bezahlt die Schulden der anderen) zu verwandeln oder einen harten Schnitt zu machen. Sollte der erste Weg gewählt werden, ist wohl ein Auseinanderbrechen der bisherigen Eurozone unvermeidlich. Im Moment stehen die Signale aber in die zweite Richtung. Der IWF will harte Stresstests zur Pflicht machen, und die europäischen Finanzminister haben sich auf eine Verschärfung des Stabilitätspaktes geeinigt. Bisher allerdings erst sehr prinzipiell und noch unverbindlich.

Bodo Lochmann

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