Insbesondere die südeuropäischen EU-Staaten stecken derzeit tief in der Krise. Kolumnist Bodo Lochmann sieht zwar Schritte in die richtige Richtung, doch eine schnelle Erholung ist nicht zu erwarten.

Es gab einmal das von den damaligen Regierungschefs der EU verkündete Ziel, die Europäische Gemeinschaft binnen zehn Jahren zur wettbewerbsfähigsten Region der Welt zu machen. Das war im Jahre 2000, das Vorhaben ist klar gescheitert. Einige europäische Staaten haben heute mit drei Problemen zugleich zu kämpfen: mit staatlicher Überschuldung, Produktionsüberkapazitäten und dem Verlust internationaler Wettbewerbsfähigkeit ihrer Erzeugnisse. Mit einer Kombination aus Zuckerbrot und Peitsche, mit Milliardenkrediten einerseits und enormen Spar- und Reformanstrengungen sollen nun die Staatshaushalte wieder ausgeglichen gestaltet und soll zugleich die verlorene internationale Wettbewerbsfähigkeit zurückorgansiert werden. Ein wohl nicht aussichtsloses, aber extrem schwieriges Vorhaben. Insbesondere die sogenannten PIIGS-Staaten (Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien) stecken in einer schweren Rezession, die sicher nicht alleine, aber auch durch die radikalen Kürzungen der Staatsausgaben mitbefördert wurde. Die Konsolidierung der Staatsfinanzen setzt neben Ausgabenkürzungen aber auch höhere Einnahmen voraus, die nun mal nur bei Wirtschaftswachstum entstehen können.

Das es zu der gegenwärtig verzwickten Situation erst kommen konnte, liegt am Mechanismus der europäischen Währungsunion, also an der Art, wie der Euro eingeführt, vor allem aber dann genutzt wurde. Vor dem Betritt zur europäischen Gemeinschaftswährung konnten die heutigen Problemländer den Verlust internationaler Wettbewerbsfähigkeit ihrer Erzeugnisse leicht durch Abwertung ihrer Währungen ausgleichen. Das brachte ihnen zwar den Ruf von Weichwährungsländern ein, die hohe, manchmal zweistellige Inflationsraten auswiesen und auf den internationalen Kapitalmärkten hohe Zinsen für Kredite zum Decken des Staatshaushaltsdefizits zahlen mussten. Der Mechanismus der äußeren Abwertung (Wechselkursveränderungen) kann nach dem Beitritt zum Euro nun nicht mehr genutzt werden, es bleibt nur die sogenannte „innere Abwertung“, also die relative Reduzierung der Selbstkosten nationaler Erzeugnisse, von denen die Hauptkomponente die Lohnkosten sind. Ökonomisch ist das alles längst bekannt und keine Sensation, politisch durchzusetzen sind Lohnkostenkürzungen aber nur sehr schwer, manchmal auch überhaupt nicht. Bleibt also der Weg der relativen Reduzierung der Lohnstückkosten, wozu die Produktivität schneller steigen muss, als der Lohn. Produktivitätssteigerungen ihrerseits können nun auch nicht so ohne weiteres herbeigezaubert werden, dafür muss die Produktion rationalisiert und automatisiert werden, was erst einmal entsprechende Investitionsanstrengungen voraussetzt.

Auf die heutige Eurozone bezogen müsste der Süden billiger und der Norden (vor allem Deutschland) teurer werden. Dann würde sich eine teilweise Nachfrageverschiebung von deutschen Erzeugnissen zu südeuropäischen ergeben, was zur Schaffung von Arbeitsplätzen, zu Einkommen und zu wachsenden Steuereinnahmen der Südstaaten führen würde. Es gibt in den letzten Monaten in dieser Hinsicht durchaus einige Fortschritte, aber noch ist die Kluft zwischen dem „Weltmeister im Außenhandelsüberschuss“ Deutschland enorm (das Exportplus ist momentan sogar größer als das Chinas). Griechische Waren sind gegenwärtig etwa so teuer, dass sie um 30% billiger werden müssten, um deutsches Niveau zu erreichen. Die zwar kleinen, aber immerhin erreichten Fortschritte in den europäischen Südstaaten machen jedoch Mut. In Italien, Portugal und Spanien wuchsen zwischen 2008 und 2011 die Löhne zwar, aber langsamer als der europäische Durchschnitt. In Griechenland und Irland sind die Löhne sogar spürbar gefallen, während sie in Deutschland um fast 6 % gestiegen sind. Dieser Trend setzt sich wahrscheinlich fort. Auf eine schnelle Wiedererlangung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der PIIGS-Länder ist jedoch nicht zu hoffen. Was in mehr als zehn Jahren vernachlässigt wurde, kann nicht in ein paar Monaten ausgebügelt werden. Die Krise der Eurostaaten wird das Wirtschaftsleben also noch einige Zeit besonders spannend machen.

Bodo Lochmann

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