An den Parlamentswahlen in Kasachstan scheiden sich die Geister. 819 Beobachter waren vor Ort, als am Sonntag die Regierungspartei von Präsident Nasarbajew haushoch gewann. Die OSZE sparte nicht mit Kritik. Anders sahen es die vier Schweizer Beobachter, die von der kasachischen Regierung eingeladen worden waren, den Urnengang während sechs Tagen zu verfolgen.

Am Wahltag besuchte die Delegation mit den beiden ehemaligen SVP-Nationalräten Christian Miesch und Leonhard Füglistaller, dem Politologen Martin Emch sowie dem gewerkschaftsnahen Peter Staub in den Städten Karaganda und Temirtau zehn Wahllokale.
Anschließend hatten sie Kontakt mit Medienvertretern. Die Auszählung der Stimmen in der Hauptstadt Astana verpassten sie jedoch wegen eines Schneesturms.

Mit der Unternehmerpartei Ak Schol (kasach.: „Lichter Weg“) und der Kommunistischen Volkspartei Kasachstans haben bei den Wahlen im größten Land Zentralasiens zwei neue Kräfte den Sprung ins Parlament geschafft. Beide erhielten über 7 Prozent der Stimmen. Mit 80,74 Prozent schaffte die Regierungspartei von Präsident Nursultan Nasarbajew den erwarteten hohen Sieg bei einer Wahlbeteiligung von rund 75 Prozent.

Genau wie den Sieg der Regierungspartei Nur Otan (kasach.: „Leuchtendes Vaterland“) erwartete man auch die Kritik der Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit (OSZE). Die fundamentalen Prinzipien demokratischer Wahlen seien missachtet worden. Von einer Inszenierung und unzureichender Transparenz bei der Auszählung war mitunter die Rede, zahlreiche Parteien und Kandidaten seien an der Teilnahme gehindert worden.

Auch der Schweizer Wahlbeobachter Staub scheute sich nicht, den Urnengang kritisch zu beleuchten. Er bemängelte den relativ kurzfristigen Ausschluss von 60 Prozent der Kandidaten – meist mit der Begründung, sie hätten die Steuererklärung nicht richtig ausgefüllt. Er forderte mehr Transparenz bei der Frage, wie Kandidaten-Listen zustande kommen.

Die von Oppositionsparteien kritisierte kurze Wahlfrist von drei Monaten sei wohl im Gesetz verankert – bei bislang nur einer Partei im Parlament sei dieses Gesetz allerdings fragwürdig. „Die Kommunisten gaben bei einem Treffen an, sie hätten zu wenig Geld für den Wahlkampf zur Verfügung gehabt“, sagte Staub. Auch bei der Zusammensetzung des Parlaments ortete Staub Verbesserungsbedarf. Kasachstan, das mit 16 Millionen Einwohnern etwa doppelt so groß ist wie die Schweiz, hat nur 107 Mitglieder. „Bei zudem über 20 verschiedenen Nationalitäten wäre es nicht schlecht, die Zahl zu verdoppeln“, forderte Staub. Zudem sei auch das Quorum von 7 Prozent eine hohe Hürde. Den technischen Ablauf der Wahlen indes lobte auch der Gewerkschafter Staub. Transparente Urnen, keine Polizeipräsenz, Vorhänge in den Wahllokalen und die Anwesenheit von Direktbetroffenen bei den Auszählungen hätten die Rechtmäßigkeit garantiert.

Für Miesch, der bereits an rund 30 Beobachter-Missionen teilgenommen hat, war es die sechste Reise nach Kasachstan. „Unrechtmäßigkeiten und Mängel gibt es in jedem Land“, konstatierte er am Mittwoch in Bern – man bedenke etwa den Fall Lumengo in der Schweiz. Positiv überrascht habe ihn, dass es bei der technischen Durchführung in den Wahllokalen keine Probleme gab und die Parteien bei den Auszählungen Zugang zu den Wahllokalen hatten. „Der Einsatz war okay.“

Sein Parteikollege bestätigte dies: „Ich kann mir nicht vorstellen, wie man in diesem Umfeld eine Unkorrektheit hätte begehen können“, sagte Füglistaller. Den OSZE-Bericht könne er nicht nachvollziehen. Bei einem Treffen mit dem Vorsitzenden der Ak-Schol-Partei habe er überhaupt nicht den Eindruck erhalten, die zwei neuen Parteien seien regierungsnah. „Wir müssen dem Land Zeit geben“, forderte er. Schließlich habe die Schweiz vor 200 Jahren auch noch anders ausgesehen, was die Demokratie angehe. Überdies sei Kasachstan für die Schweiz ein interessanter Wirtschaftspartner, mit dem ein Freihandelsabkommen bestehe, das es besser zu nützen gelte. Für Kasachstan gelte es allerdings, die Nachfolgeregelung für den 71-jährigen Präsidenten einzuleiten, damit das Land den demokratischen Prozess weitergehen könne.

Im Gegensatz zu den Schweizer Wahlbeobachtern verfolgten die Experten der OSZE teilweise monatelang den Wahlkampf in Kasachstan. Miesch, der als erfahrener Beobachter bei seiner neuerlichen Mission auch Kontakt mit alten Kollegen hatte, ortet hier den Grund dafür, dass die OSZE zu einem diametral entgegengesetzten Urteil kommen konnte. So müsse die OSZE sowohl langfristige Beobachtung als auch den technischen Ablauf am Wahltag beurteilen. „Da stellt sich dann die Frage, wie man das in einen Bericht verpacken kann“, sagt Miesch.

Von David Kunz

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