Wenn man als Adjektiv oder Substantiv in den Wortschatz eingehen will, braucht man einen passenden Namen. Hat man ihn nicht, nützt alles nix. Kafkaesk oder Leonardesk – das klingt! Siebertesk – das klingt nicht!

Ein geeigneter Name ist die halbe Miete, aber damit ist man noch nicht am Ziel. Vor allem muss man aufpassen wie ein Luchs, dass man keine Negativschlagzeilen macht und nicht zu einem Verb verkommt. Zum Beispiel „Hartzen“. Das hätte der arme Peter Hartz damals nicht gedacht, als er ein Konzept in die Arbeitsmarktpolitik einbrachte, dass er eine ganze Ahnenserie ganz allein bestreiten würde, mit Hartz I, Hartz II, Hartz III und Hartz IV, zu so etwas wie einem Schimpfwort und schließlich auch noch zu einer Untat wird. „Hartzen“ heißt unter jungen Menschen: von der Schule gleich zum Bezug sozialer Leistungen und gar nicht erst den müden Versuch unternehmen, so etwas Ähnliches wie eine Ausbildung oder Arbeit zu finden. Nicht so schön. Auch unser Ex-Verteidigungsminister hat seinen Eingang in die Welt der Verben geschafft: „Guttenbergen“ heißt es nun, wenn man nicht selber nachdenkt, sondern pfuscht. Im besseren Falle gerät man zu einer Behörde, und von einer Behörde ist es auch zum Bundespräsidentenamt nicht mehr gar so weit, wie bei Herrn Gauck. Ein positives Beispiel, aber für eine Reform oder Behörde muss man einsilbig daherkommen. Hier finde ich also nicht meinen Platz, ich muss mich in anderen Gewässern umschauen.

Aus Siebert kann man vielleicht noch was Siebert´sches herausholen, aber dafür braucht man noch was zum Dranhängen, z.B. die Siebert´sche Weltformel oder die Siebert´sche Messmethode. Dafür müsste ich aber jahrzehntelang forschen und tüfteln, und das ist es mir dann doch nicht wert. Wie wäre es im Wetter? Ich könnte zum Beispiel namentlich als Sturmhöhe oder Hurrikan durch die Schlagzeilen geistern. Aber dort werden nur Vornamen vergeben, und den Ruhm müsste ich mir mit Hunderttausend anderen Julias teilen. In der Biologie, Physik und Chemie spielt die Aussprachegeschmeidigkeit des Namens weniger eine Rolle, allerdings muss man in diesen Disziplinen etwas gänzlich Neues entdecken, irgendeine Tierart, ein klitzekleines Teilchen oder einen Stern oder so was. Die Wahrscheinlichkeit, dass mir das passiert? Sehr gering. Nicht schlecht gefiele mir, zu einer weltbekannten Schacheröffnung zu werden: die „Siebert´sche Eröffnung“. Aber erstens kommt auch hier kein Klang in die Kiste, das klingt ziemlich genuschelt, und zweitens dümpele ich immer noch auf dem niedrigsten Level herum. Ach, wenn doch mein Name, so wie er ist, für sich selbst spräche, wie bei Loriot.

Ich sehe schon, es kommen nur zwei Wege in Betracht. Entweder ich erfinde eine Maßeinheit für eine Disziplin, in der ich mich als Expertin behaupten kann. Zum Beispiel könnte man Moralbewusstsein in „Siebert“ messen. Ich bin als Moralapostel der Maßstab = 10 Siebert. Wer 8 Siebert schafft, ist schon ziemlich moralisch und fast so gut wie ich. Oder aber, was mir unter Berücksichtigung aller bisherigen Überlegungen, am wahrscheinlichsten vorkommt: Ich heirate einen Mann mit einem Namen, der zu einem wohlklingenden, aussagekräftigen Substantiv oder Adjektiv taugt. Und im Idealfalle bringt er auch noch eine besondere Fachkompetenz und ruhmverdächtige Entdeckung in die Ehe ein, dann ist mein Wortschatz-Name zwar nicht meinen eigenen Verdiensten zu verdanken, steht aber später trotzdem auf meinem Grabstein.

Julia Siebert

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