Wer sich selbst und sein Gegenüber richtig erfasst, kann zielbringend reagieren, Gespräche geschickt leiten und Mobbing vermeiden. Die Tandemlektoren der Bosch-Stiftung Jelena Omeltschenko und Bartolomiej Czop veranstalteten ein Seminar zu Kommunikations- und Konfliktmanagement. 17 Studenten der Deutsch-Kasachischen-Universität (DKU) nahmen im Dezember 2010 daran teil. An praktischen Beispielen lernten sie, Konfliktsituationen zu erkennen und richtig einzuschätzen.

/Foto: privat. ‚Teilnehmende Studenten mit Abschlusszeugnis in der Hand.’/

Sascha arbeitet am liebsten allein. Er erstellt Statistiken und wertet sie sorgfältig aus. Er ist ein langjähriger und loyaler Mitarbeiter, dem die Arbeit gefällt. Wenn da nur nicht Mischa, der Neue, wäre. Mischa springt jeden Morgen gutgelaunt ins Büro, erzählt vom Feierabend und der letzten Urlaubsreise durch den Dschungel von Brasilien. Er begrüßt alle Mitarbeiter beim Spitznamen, kennt ihre Familiengeschichten und Leibgerichte. Außerdem überrascht er Sascha jeden Tag mit einer innovativen Geschäftsidee. Sascha hasst Small-talk und findet Mischas Verhalten angeberisch und übertrieben.

Eine typische Szene der Arbeitswelt. Ärger und Konflikt sind vorprogrammiert. Und das nicht etwa, weil sich Sascha und Mischa generell unsympathisch, sondern weil ihre Charaktere grundverschiedenen sind. Die Tandemlektoren Jelena Omeltschenko und Bartolomiej Czop erklärten den Zuhörern das Problem der beiden fiktiven Arbeitskollegen am Riemann-Thomann-Modell. „Es reicht heute nicht mehr aus, nur die beruflichen Voraussetzungen zu erfüllen“, meint Omeltschenko. „Schlüsselkompetenzen wie Teamarbeit, Konfliktbewältigung und rhetorische Fähigkeiten werden in der Arbeitswelt immer wichtiger.“

„Bildung in Sowjetunion war breitgefächert“

Seminarleiterin Jelena Omeltschenko.

Sascha entspricht einer Reinform des Distanz- und Dauertyps. Ein Mensch, dessen Charakter geprägt ist von einer rationellen und individuellen Arbeitsweise, der traditionell an Regeln festhält, zuverlässig und zuweilen pedantisch arbeitet. Mischa hingegen ist ein Nahtyp auf Raumebene und Wechseltyp auf der Zeitebene. Er braucht die Harmonie und die Nähe zu seinem Umfeld, soziale Anerkennung und Zuspruch. Als Wechseltyp ist er offen für alles Neue. Ihn drängt es nach neuen Leuten und Kulturen. Er arbeitet kreativ und spontan, aber chaotisch, und es fällt ihm manchmal schwer, eine Arbeit zu Ende zu führen.

Die beiden Tandemlektoren der Boschstiftung haben sich auf das Seminar in einem Training in Weimar vorbereitet. Dort wurden zusammen mit anderen Tandemlektoren aus Osteuropa, GUS-Ländern und China die Grundlagen erarbeitet. Den beiden fiel auf, dass es nur wenige Arbeiten zu Schlüsselkompetenzen in der russischen Literatur gibt. Omeltschenko führt die fehlende Literatur auf die verschiedenen Bildungswege der Vergangenheit zurück. „Die Ausbildung in der Sowjetunion war sehr enzyklopädisch und breitgefächert. Der europäische Raum geht mehr in die Tiefe und konzentriert sich in der Ausbildung auch auf darüber hinausgehende Schlüsselkompetenzen. In der neueren Zeit werden beide Bildungswege angewandt.“

In Kasachstan ist die Lehre von Kommunikations- und Konfliktmanagement noch relativ neu, neben dem Angebot an der DKU gibt es aber auch am Kasachischen Institut für Management, Ökonomie und Prognosen (KIMEP) bereits Vorlesungen in dieser Richtung. Die Studenten der DKU lernten im Seminar sowohl theoretische Analysemethoden als auch praxisorientierte Konfliktsituationen kennen. Streit ist oft eine Folge von Missverständnissen. Forscher fanden heraus, dass Aussagen auf mehreren Ebenen passieren, mit vier Zungen ausgesprochen und mit vier Ohren gehört werden. Nicht nur, was gesagt wird, ist von Bedeutung, sondern auch das Wie. Jeder kommuniziert außerdem noch auf einer Gefühlsebene. Alle gesagten Worte geben Eigenschaften des Einzelnen preis: Wie will jemand wirken, was will er erreichen und was hält er von seinem Gegenüber.

Ein Beispiel für misslungene Kommunikation ist Mobbing. „Wichtig ist, seine eigenen Bedürfnisse und Interessen nicht zurückzustecken, sondern klar auszudrücken. Wenn der Chef von mir verlangt, dass ich die Arbeit von zwei Stellen erledige, damit er Kosten spart, muss ich das nicht stillschweigend hinnehmen aus Angst, meine Arbeit zu verlieren“, erklärt die Lektorin.

Konflikt als Chance

Die Teilnehmer haben gelernt, die Emotionen des Gegenübers einzuschätzen, zu akzeptieren und damit angemessen umzugehen. Darauf aufbauend, Gespräche so zu lenken, dass Lösungswege auf beiden Seiten möglich und akzeptabel sind. Viele Konflikte können vermieden werden, wenn sie angesprochen werden. Es bedarf meistens einer Mittelsperson, um zwei verhärtete Fronten durch ihre Emotionen zu leiten und an konkrete Problemlösungen heranzuführen. Konflikt kann dann aber eine Chance sein, neue Wege einzuschlagen.

Für die meisten Studierenden der DKU war es die erste Erfahrung mit Kommunikationsmanagement. Toleranz und Dialog sind dabei besonders wichtig. Verständnis für das Gegenüber, den Nachbar oder den Fremden helfen letztendlich, auch die eigene Person besser zu verstehen. Identitäts- und Konfliktfragen auf persönlicher und nationaler Ebene können durch kompetenzorientiertes Denken besser diskutiert werden. Wenn Mischa also weiß, wie Sascha tickt, wird er ihn nicht frühmorgens mit seinen Ideen und Erlebnissen überrumpeln, sondern seinen Mitteilungsdrang zügeln und den geeigneten Augenblick abwarten. Ebenso wird Sascha versuchen, sich Mischa gegenüber ein bisschen zu öffnen und vielleicht selbst mal etwas von seinem letzten Urlaub erzählen.

Von Marion von Zieglauer

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