Mit dem Tag der Deutschen Einheit beschäftige ich mich schon seit Jahren und werde mir bis heute nicht schlüssig, was ich damit anfangen soll. Das ist im Ausland einfacher gewesen. Während meiner Zeit als Lektorin in Russland konnte ich dazu allerhand landeskundliches Trallala anbieten.

Aber aus dem Ausland betrachtet, ist fast alle Landeskunde nur einigermaßen interessant, aus Deutschland heraus eben nicht mehr so sehr…Klar, der Fall der Mauer, das war natürlich super und atemberaubend, der Wahnsinn. Dann kam die Wiedervereinigung, auch wichtig und spannend. Aber dann fing der Schlamassel an, weil es doch nicht so einfach war mit der Zusammenführung der beiden Deutschlands. Es gab Enttäuschungen, Frustrationen, Unverständnis, Zwietracht. Dann gewöhnten wir uns aneinander, und es kam so etwas wie Normalität auf. Die Ossi-Wessi-Sprüche haben sich überholt, und es ist auch nicht mehr lustig, Sächsisch nachzuäffen. Leipzig, Dresden, Weimar etc. werden als attraktive Städte ernstgenommen. Dass unsere Bundeskanzlerin aus dem Osten kommt, wird zwar immer mal wieder erwähnt, ist aber eher eine Nachricht zum Gähnen.

Während ich die Ereignisse vor meinem geistigen Auge noch mal abspule, will dennoch kein feierliches Gefühl aufkommen. Ich überlege, wie es mit den anderen Festtagen ist. Da muss man auch immer nachhelfen. Erst nölen alle rum, dass das doofe Weihnachten schon wieder vor der Tür steht, dass sie keinen Wert darauf legen, ihren Geburtstag zu feiern, oder dass Ostern ja nur etwas für Kinder sei. Doch mit dem ersten Schluck Glühwein und dem Biss in den Zimtstern, wenn einem ein Geburtstagslied gesungen und ein Geschenk überreicht wird und man ein schönes Osterfrühstück kredenzt bekommt, steht sie plötzlich mitten im Raum – die Feierlichkeit. Es braucht Rituale, Torten, Luftballons, Geschenke, Tannenbäume, Lametta, Engel und Kekse. Und es braucht natürlich Lieder. Und jetzt wieder zum Tag der Deutschen Einheit:

Mir fällt nichts Besseres ein, als dass ich ein Deutschlandfähnchen schwenke und mit Mauerresten jongliere. Als ich vor X Jahren in Greifswald studiert habe, haben wir eine Ost-West-Party veranstaltet. Bis Mitternacht war DDR und wir haben DDR-Produkte verzehrt, DDR-Musik gehört, und die Kommilitonen aus der DDR haben ihre FDJ- Hemden getragen. Um 00.00 Uhr war dann Mauerfall und ab 00.01 Uhr fand das ganze Programm auf Westdeutsch statt. Das war einigermaßen originell, aber es passte zu damals, zum Ort und zum Studentenambiente. Heute wäre das irgendwie versucht originell, aber ach Gott ja … Da ich nicht so richtig in Schwung komme, hat mir unser Redakteur ein paar Impulse als Hilfestellung geschickt. Er wies darauf hin, dass der Tag dies Jahr in Stuttgart gefeiert wird und nannte mir folgende Stichworte: „Schwarzwälderkirschtorte“, „Bahnhof“, „alemannische Fastnacht mit ihren Hexen“ „diese Trachtenkostüme mit den roten Bommeln auf dem Kopf“… Huch, dachte ich, das sind ja ganz andere Assoziationen, als ich sie habe. Ich schaue die ganze Zeit mit meinem beschränkten Scheuklappenblick auf das imaginäre wedelnde Deutschlandfähnchen und denke immer nur „Ost-West“, „West-Ost“, Mauer, Kohl, Gorbatschow und so … Aber stimmt, Deutschland ist ja um einiges größer und weiter. Aber Huch! jetzt bin ich mit meinen Zeichen schon am Ende, Tja!

Julia Siebert

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