Dagmar Schreiber (48) reist seit über 16 Jahren durch Kasachstan und arbeitet als CIM-Expertin im Informations- und Ressourcenzentrum Ökotourismus in Almaty.

/Bild: Dagmar Schreiber. ‚Im Oktober letzten Jahres hat Kasachstan die Visaregeln für Reisende aus Deutschland verschärft.’/

In diesem Jahr wird die Anzahl ausländischer Touristen in Kasachstan sinken, und zwar um mindestens 25 Prozent. Man muss kein Prophet sein, um das vorauszusagen. Es genügt der Blick auf die Internetseite der Botschaft Kasachstans in Deutschland, auf der seit Oktober letzten Jahres zu lesen ist, dass ab sofort für die Visa-Erteilung das persönliche Erscheinen des Antragstellers notwendig sei. Diese Regelung betrifft den gesamten Schengen-Raum und Großbritannien. In Deutschland wird sie inzwischen besonders konsequent angewendet:

Dagmar Schreiber

„Ab 11.04.2011 wird für die Antragstellung in allen konsularischen Vertretungen der Republik Kasachstan in Deutschland ein Termin benötigt. Die konsularischen Vertretungen vergeben die Termine zur Beantragung von Visa und anderen konsularischen Angelegenheiten nur telefonisch. Dafür bitten wir, Ihren Vor-, Nachnamen, den gewünschten Reisezeitraum und Kontaktdaten anzugeben. Ausnahmen wegen des gekauften Tickets, Sommerurlaubs usw. sind nicht vorgesehen. Über die Bearbeitungsfrist wird Ihnen nach der Einreichung der Unterlagen mitgeteilt.“

Ein Schock. Nach jahrelangen Visa-Erleichterungen nun dieser für die meisten unverständliche Rückschritt. Früher konnte man den Pass samt Antrag per Post schicken oder ein Visabüro mit der lästigen Prozedur beauftragen. Die Visabüros übernahmen auch die Prüfung der Anträge und den Versand. Damit entlasteten sie die Mitarbeiter der Konsulate. Jetzt nun – als Antwort darauf, dass Deutschland mit kasachstanischen Antragstellern ähnlich verfährt – diese von den meisten als Schikane empfundene neue Regelung. Das tut sich nicht jeder an. Es ist nicht mit dem Hinfahren getan. Die Mitarbeiter der Konsulate, die der neuen Aufgaben kaum noch Herr werden, müssen die Antragsteller warten lassen. Das Konsulat in Wolfrathshausen konnte wochenlang nur 30 Anträge pro Tag annehmen – die übrigen Besucher wurden wieder nach Hause geschickt. Die Regel gilt für alle ohne Ausnahme.

Einige wenige Enthusiasten lassen sich nicht abschrecken. Zum Beispiel eine kleine Gruppe von Botanikern, die unbedingt die tulipa regeli sehen wollen, eine seltene Tulpe, die nur in Kasachstan wächst. Dreimal mussten die Tulpenliebhaber in Wolfrathshausen anreisen, um ihr Visum zu bekommen. Andere geben verständlicherweise auf. Wer ein Stückchen Nomadenkultur erleben will, fährt ersatzweise einfach nach Kirgistan oder in die Mongolei.
Ich versuche seit acht Jahren in Kasachstan mit hiesigen Partnern nachhaltigen Tourismus zu entwickeln, das Image des  Landes bei Reisenden zu verbessern und Kasachstan als „Destination“ aufzubauen. Für mich ist diese Entwicklung völlig unverständlich. Den Schaden tragen nicht nur die wenigen Reiseveranstalter vor Ort, die Touren für Ausländer anbieten. Den Schaden trägt langfristig das Land selbst – ein solcher Imageverlust ist nicht leicht wieder wettzumachen.

Dabei könnte gerade Kasachstan eine Pionierrolle bei der weiteren Erleichterung der Visafragen übernehmen. Als Transitland an der Seidenstraße gelegen, buhlt man hier schon seit Jahren um jene Touristen, die vor allem nach Usbekistan und Chinas reisen, bietet ihnen das „einzigartige Stück am goldenen Zweig der Großen Seidenstraße“ an, das zwischen Schymkent / Turkistan und Chorgos liegt. Es gäbe eine Chance, einen Großteil dieses Touristenstroms über kasachstanisches Territorium zu leiten: Kasachstan könnte den ersten Schritt tun, einen revolutionären Schritt, und die Visa Usbekistans und Chinas auf seinem Territorium anerkennen. Das würde bedeuten, dass ein Reisender, der diese Visa hat, Kasachstan als Bonus noch mit dazubekommt.  Sofort wäre das Land wieder in aller Munde – aber dieses Mal nicht als Bremser, sondern als Vorreiter. Eine Rolle, die viel besser zum außenpolitischen Ehrgeiz der hiesigen Elite passen würde, als die jetzige, rückwärtsgewandte.

Dagmar Schreiber

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