Es ist einer der wichtigsten Termine für die Vertreter der deutschen Minderheiten: die jährliche Tagung ihrer Arbeitsgemeinschaft. Vom 5. bis zum 8. November fand sie zum 27. Mal statt. In Berlin diskutierten die Minderheitenvertreter mit hochrangigen Entscheidungsträgern der Bundesregierung und beschäftigten sich mit der Zukunftsstrategie der AGDM. Der Zufall wollte es, dass auch der Festakt zum 30-jährigen Jubiläum des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten in diesen Zeitraum fiel.

Was Identität ausmacht

„Tradition ist Bewahrung des Feuers und nicht Anbetung der Asche“, mit diesem Zitat von Gustav Mahler versinnbildlichte AGDM-Sprecher Bernard Gaida, dass „die deutschen Volksgruppen in den Ländern Europas und der GUS Staaten sowie alle nationalen Minderheiten der Erde sich die Pflege und Bewahrung ihrer Kultur als Ziel gesetzt haben“. Damit sei ihre Tradition gemeint, also die Kultur, die in der Vergangenheit und in der Heimat verwurzelt ist. Es ist das historische, kulturelle und sprachliche Erbe, das über die Identität entscheidet, so AGDM-Sprecher Gaida.

Albert Rau, Maria Borisjewitsch und Dmitry Redler
Albert Rau, Maria Borisjewitsch und Dmitry Redler von der Gesellschaft der Deutschen Kasachstans „Wiedergeburt“ in Berlin. | Foto: DAZ

53 Vertreter der der deutschen Minderheiten und Vertreter von Jugendorganisationen aus insgesamt 19 Ländern kamen Anfang November in die deutsche Hauptstadt. Von der Gesellschaft der Deutschen Kasachstans nahmen der Vorsitzender der „Wiedergeburt“, Albert Rau, Geschäftsführer Dmitry Redler und Maria Borisjewitsch vom Jugendverband der Minderheit teil. Auf dem Programm standen etliche Treffen im politischen Berlin.

So wurden die Minderheitenvertreter unter anderem vom Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer, und ebenso von der „AG Vertriebene, Aussiedler und nationale Minderheiten“ der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag empfangen. Im Auswärtigen Amt begrüßte sie die Staatsministerin für internationale Kultur- und Bildungspolitik, Michelle Müntefering. Es folgten Fachgespräch mit Vertretern des Goethe-Instituts und des Instituts für Auslandsbeziehungen.

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Gestärkt in die Zukunft

Ein besonderer Punkt der diesjährigen Jahrestagung der AGDM stellte die Präsentation der „Zukunftsstrategie Deutscher Minderheiten“ sowie der Broschüre „Gestärkt in die Zukunft“ dar. Letztere ist das Ergebnis einer „Zukunftswerkstatt“ und wird als wegweisendes und zukunftsorientiertes Unterstützungsmaterial für die weitere Arbeit der AGDM Koordination in Berlin dienen. In den Dokumenten ist ausdrücklich festgehalten, dass die Jugend- und Spracharbeit die beiden wichtigsten Aufgaben für die kommenden Jahre sind.

Der Minderheitenbeauftragte der Bundesregierung, Bernd Fabritius, betonte, dass man vor allem die besondere Spezifik von Deutsch als Minderheiten-Muttersprache noch stärker herausarbeiten müsse, da wesentliche Unterschiede zu Sprachvermittlungskonzepten von Deutsch als Fremdsprache bestehen. In der Jugendarbeit schlug Fabritius vor, vermehrt auf das Thema Digitalisierung zu setzen. „Vertreter der jungen Generation rechtzeitig in die Verantwortung bringen!“, sagte er. Dies trage zur Kontinuität in der Verbandsarbeit bei.

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Verpflichtung zur Unterstützung

Übergabe der AGDM-Studie.
Übergabe der AGDM-Studie. | Foto: Stiftung Verbundenheit

Ein weiterer Höhepunkt der AGDM-Jahrestagung war die Teilnahme an dem Festakt aus Anlass des 30-jährigen Bestehens des Amtes des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten am 7. November 2018. Alle noch lebenden Amtsvorgänger waren zu dem Festakt erschienen, darüber hinaus Vertreter von Heimatvertriebenen und -verbliebenen, Landsmannschaften und Spätaussiedlerverbänden. Deutsche Minderheiten in über 20 Ländern in Mittel- und Osteuropa sowie den Staaten der ehemaligen Sowjetunion werden von der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der Verantwortung Deutschlands für die Bewältigung der Folgen des Zweiten Weltkriegs unterstützt und gefördert.

„Wir müssen uns stets vor Augen halten, dass die Deutschen aus dem östlichen Europa und der ehemaligen Sowjetunion aus diesem Grund mit einer regelrechten Sehnsucht nach Heimat zu uns kamen und kommen. Nach Jahrzehnten der Verfolgung, Unterdrückung und Ausgrenzung wollen diese Menschen endlich wieder in einem vertrauten, freundlichen, heimatlichen Raum leben, wohlgelitten ‚als Deutsche unter Deutschen‘, und diese Sehnsucht dürfen und wollen wir nicht enttäuschen“, so Fabritius. Auf dem gleichen Grund beruhe die Verpflichtung zur Unterstützung der Heimatverbliebenen, zu welcher sich die Bundesregierung in der Koalitionsvereinbarung ausdrücklich bekannt habe.

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Verbesserungen möglich

Der Bundesbeauftragte hob hervor, dass die Ignoranz gegenüber dem Sonderschicksal der Deutschen aus dem Osten bedauerlicherweise zu den großen Verdrängungsleistungen der deutschen Nachkriegsgesellschaft gehöre: „Dieser Verdrängung und Ignoranz entgegenzuwirken, ist eine der wichtigen Aufgaben des Beauftragten für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten.“

Der Ratsvorsitzende der „Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland“, Hartmut Koschyk, zeigte sich zufrieden, wie sich in den vergangenen Jahren die Unterstützung für die deutschen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa und den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion durch den Bund entwickelt hat. Gleichzeitig erklärte Koschyk, dass es nichts gibt, was nicht noch verbessert werden könnte. Denn: „Wer sich nicht selbst erneuert, wird irgendwann erneuert“, so Koschyk.

Info

Die AGDM ist der Dachverband der Selbstorganisationen der 27 deutschen bzw. deutschsprachigen Minderheiten in Europa und als Arbeitsgemeinschaft innerhalb der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten organisiert. Sie verfügt über eine Koordinierungsstelle in Berlin.

Othmara Glas

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