Wie in anderen ehemaligen Sowjetrepubliken wird auch in Usbekistan seit 70 Jahren der 9. Mai als Feiertag begangen. Aber durch die Initiative des usbekischen Präsidenten wurde dieser Tag im Jahr 1999 in „Tag der Erinnerung und der Ehre “ umbenannt. Mit der neuen Bezeichnung hat der Tag eine neue formelle Ausrichtung erhalten. In allen Viloyaten (Gebieten) und Stadtzentren wurde das „Trauernde Mutter-Denkmal“ erbaut. Diese Areale werden als Gedenkplätze genutzt. Die errichteten Skulpturen stellen eine mit Geduld und Hoffnung auf ihren Sohn und auf das Ende des Kriegs wartende Mutter dar.

Auch dieses Jahr waren tausende Leute mit Blumen in der Hand auf dem Gedenkplatz versammelt. Um neun Uhr war der Präsident vor Ort und eröffnete mit der Kranzniederlegung vor dem „Trauernden Mutter-Denkmal“ die Feier des „Tages der Erinnerung und der Ehre“. Daraufhin hielt er seine Fernsehansprache zum Volk und führte Gespräche mit Journalisten vor Ort. Darin erklärte er ausführlich, warum die Usbeken den neunten Mai nicht als den „Tag des Sieges“ mit Militärparaden, sondern als den „Tag der Erinnerung und der Ehre“ feiern, und welcher Sinn in diesen zwei Wörtern steckt.

Mutter als trauernde Heldin

“Trauernde-Mutter”-Denkmal. | Bild: Autor

Der Zweite Weltkrieg war einer der blutigsten Kriege mit den größten Verlusten in der Geschichte der Menschheit. Ein Drittel der usbekischen Bevölkerung nahm an diesem Krieg teil. 500.000 davon sind gestorben, und weitere Tausende sind nach wie vor vermisst. Damals maß die Bevölkerung Usbekistans etwa sieben Millionen Einwohner. Aufgrund des Krieges herrschten Trauer, Not, Armut und Elend. Tausende Witwen und Waisen blieben zurück.

Aber trotz dieser unerträglichen Schwierigkeiten hat das Volk nicht aufgegeben, sondern blieb tapfer. An der Front und hinter der Front kämpften alle für die Heimat. Mit den Zwangsdeportationen kamen sehr viele Nationen nach Usbekistan, und usbekische Frauen und Mütter zeigten ihre Toleranz und Barmherzigkeit. Zu dieser Zeit hob man Sätze wie „Sen yetim emassan jigarim“ (Du bist kein Waisenkind) hervor und nahm die Leidenden – vorrangig Mütter, Kinder und Waisen – verschiedener Nationalitäten auf und half ihnen.

Frieden statt Militär ehren

Das erklärt wahrscheinlich, warum man nicht den einen Siegestag feiert, sondern täglich auf diese trauernde Mutter achten soll, um zu verstehen, warum diese so grüblerisch, traurig und voller Bedauern dargestellt ist, und wie die Kriegstage gewesen sein müssen.

Die diesjährige Veranstaltung bot etwas Neues – das „Unsterbliche Regiment“. Zum ersten Mal wurde diese aus Russland übergeschwappte Aktion auch in Usbekistan durchgeführt. Menschen liefen mit Fotografien in den Händen an der ewigen Flamme entlang. Die Fotos ihrer Großeltern, die im „Großen Vaterländischen Krieg“ gekämpft haben, haltend, bewegte sich das „Regiment“ durch die Straßen, Lieder wie „Tag des Sieges“ und „Katjuscha“ singend.
Die Erinnerung und Ehre an diese Helden seien eine menschliche Pflicht, äußert sich der Regierungschef und fügt außerdem hinzu: „Wenn die Leute, die ihr Leben für die Heimat geopfert haben, wiedergeboren würden, was würden sie sich von uns wünschen? Natürlich nicht die Militärparade, sondern, dass wir den Frieden, dieses freie und friedliche Leben ehren und wertschätzen“. „Jedes Volk, jeder Mensch lebt mit seiner Erinnerung und Geschichte. Wenn man nur mit dem heutigen Tag lebt, kann man nicht als Mensch bezeichnet werden“ so der Präsident, der dazu aufrief, dass wir uns alle die Fragen stellen müssen, wer wir waren, wer wir heute sind und wer wir sein werden?

Glück und Frieden für alle

Liste der gefallenen Soldaten in Usbekistan. | Bild: Autor

Mit Sicherheit kann man sagen, dass mit den heutigen Errungenschaften und Bemühungen für das Blühen Usbekistans und das freie und friedliche Leben unserer Veteranen gesorgt wird. In dem im Auftrag der UNO erarbeiteten Weltglücksberichts 2016 (World Happyness Report) des Earth Institute (Columbia-Universität, New York) erhielt Usbekistan den ersten Platz im Glücksranking (Happyness Ranking) unter den GUS-Ländern und den 49. Platz von 157 untersuchten Ländern und Regionen (zum Vergleich: Deutschland ist auf Platz 16, Kasachstan ist auf Platz 54, Russland auf 56, Turkmenistan auf Platz 65, Kirgisistan auf 85, Tadschikistan auf Platz 100).

Allerdings hat sich Usbekistan im Vergleich zum Vorjahr um vier Plätze verschlechtert. Der Glücksindex wird an Faktoren wie dem Einkommen, der Lebenserwartung, dem sozialen Netzwerk sowie der gefühlten Freiheit errechnet. Anhand dieser Position kann man den statistischen Glücksfaktor der usbekischen Bevölkerung ablesen, der gar als Vorbild für einige andere Länder dienen kann. Oder man folgt dem Beispiel der Länder und Regionen wie Bhutan, Vereinigte Arabischen Emirate, Ecuador, Schottland oder Venezuela und schafft einen Ministerposten für die Angelegenheiten des gesellschaftlichen Glücks.

Er weinte bei dem Wort „Krieg“

Wenn man die auf der Straße Marschierenden spontan nach ihrer Meinung zu diesem Tag fragt, äußern sich diese nicht mit Tränen in den Augen, sondern sagen etwa: „Auf diesem Foto ist mein Urgroßvater Kamil, und er hat niemals mit uns über den Krieg gesprochen. Aber an jedem 9. Mai hat er nur geweint bei dem Wort „Krieg“. Dieser Tag war für ihn heilig und unvergesslich.“ Ein Student an der Gedenkstätte sagt: „Die Opfer hatten viele Gesichter – Russen, Armenier, Usbeken und viele andere. Deshalb sind diese Veranstaltungen sehr wichtig für die Jugend, damit wir nicht vergessen, wer unsere Vorfahren waren, die für unser Glück und unsere Freiheit kämpften. Die Erinnerung muss von Generation zu Generation weitergegeben werden.“ Und der 28-jährige Abror Kuwondikow erzählt: „ Als ich Kind war, wollte ich immer mit meinem Großvater über die Kriegsereignisse sprechen, es fehlte uns Brot, so aßen wir Wurzeln. Wir wurden von Wehrmachtssoldaten gefangen genommen. Ich werde das auch meinen Kindern und Enkeln an diesem Gedenktag erzählen, so werden wir die Geschichte unserer Vorfahren in den Köpfen erhalten.“

Der 23-jährige Mehriddin Schakarbosew erinnert sich: „In unserem Dorf gab es vor 15 Jahren einen einhändigen alten Mann, und wir riefen ihn den „einhändigen Bobo“ und liefen hinter ihm her und riefen „Wo ist Ihre eine Hand?“ „Eech, meine Kleinen, diese Hand ist in den tiefen Okopen (Schützengräben) von Nowgorod geblieben. Frieden und Glück kann man mit nichts aufwiegen“, antwortete er. „Meine Kleinen, jetzt ist es in euren Händen, ihr habt den Frieden, schätzt ihn!“, fügte er hinzu. Diesen „goldenen Satz“ verstehe ich jetzt. Laut Statistik leben mehr als 130 Nationen in Usbekistan.

E. Kästner

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