Im südlichsten Zipfel Kasachstans erreicht das Thermometer noch im September 35 Grad Celsius. Saftige Wassermelonen werden hier lastwagenweise über die schlaglöchrigen Straßen gekarrt und einzig die himmelblaue Kuppel der berühmtesten Grabmoschee in Kasachstan wirkt abkühlend.

Knapp 1000 Kilometer südwestlich von Almaty liegt Schimkent, die südlichste Stadt Kasachstans. Das geschäftige Straßenleben und der Basar führen einem vor Augen und Nase, dass die usbekische Grenze nur einen Katzensprung entfernt ist. Plattenbauten und ein leidlich erhaltenes Leninmosaik erinnern jedoch umso stärker an Sowjetzeiten. Da hilft nur eins: Sich in einen Bus setzen und über die vor Hitze und Abgas flimmernden Asphaltwege mitten durch öde Steppenlandschaften in das verschlafene Turkestan fahren. Das Ticket in die Kleinstadt kostet umgerechnet weniger als zwei Dollar – für über 150 Kilometer, kein schlechter Deal. Einzig wer das Pech hat, neben einem der wenigen funktionierenden Lautsprecher zu sitzen, wird während der ganzen Fahrt von türkisch anmutendem Kebabbudengesang verfolgt. Während der Fahrer in waghalsigen Überholmanövern Lada um Lada frisst, fliegen draußen Baumwollfelder, Schafherden und Kamelfarmen vorbei. Und plötzlich wird einem bewusst, dass die Sowjetunion irgendwo kurz nach Schimkent abgeschüttelt wurde.

Wallfahrtsort Turkestan

Im von Schimkent etwa 150 Kilometer enfernten Wallfahrtsort Turkestan angekommen, ist die Promenade und Flaniermeile des „kleinen Mekka“ mit ihren vielzähligen Souvenierläden nicht zu übersehen. Sie liegt direkt vor der Grabmoschee des Hodscha Sufi Ahmad Jassawi, deren erste Grundmauern bereits im 14. Jahrhundert gelegt wurden. Wer für den „Hadsch“, die traditionelle muslimische Wallfahrt, den Pilgerhut vergessen hat, kann hier zwischen Gebetstüchern und Perlenketten noch schnell einen erwerben. Das monumentale Mausoleum mit 60 Metern Länge und 50 Metern Breite ist eines der bedeutendsten Bauwerke der timuridischen Architektur in Zentralasien. Es wurde in den letzten Jahren renoviert, unter anderem mit Hilfe von Geldern aus der Türkei. Die Fassade und Kuppeln des vermutlich nie ganz fertig gestellten Bauwerks sind prunkvoll im legendären Himmelblau gehalten und mit bunter muselmanischer Ornamentkunst verziert. Das Innere des Gotteshauses enttäuscht den Eintretenden, der entzückt von der äußeren Schönheit des Gebäudes eine Fortsetzung erwartet. Aber hier gibt es nichts außer weiß getünchten Wänden, einigen Informationstafeln und dem Koran, den Nursultan Nasarbajew angeblich persönlich gelesen hat. Die ganze Moscheenanlage ist auf der einen Seite von einer erdfarbenen Schutzmauer umgeben, und großzügig angelegte Rosenfelder versprühen einen süßen Duft.

Türkisch-Kasachische Universität

Nicht nur die Kuppeln des Mausoleums zeugen vom islamischen Einfluss. Unweit des Zentrums steht die neue Türkisch-Kasachische Universität. Das postmoderne Bauwerk befindet sich teils noch im Bau und wird ebenso von einer himmelblauen Kuppel geschmückt. Den Eingang zum Gelände zieren die Fahnen der Herkunftsländer der Studenten. Im Wind wehen Flaggen der zentralasiatischen Republiken, der Türkei, Russlands, der Ukraine, Ungarns, Bulgariens, Moldawiens und der Slowakei. Eine spanische hat´s auch darunter. Das Prunkstück der Universität ist der Museumssaal. Rechts und links vom Eingang stehen die Büsten von Kemal Atatürk und Nursultan Nasarbajew. Erstere Figur der Geschichte ist nur schlicht in Gold gegossen, und die letztere zieren zahlreiche Orden. Die Geschichte Kasachstans illustriert die Innenwand des Museums. Hier steht der Präsident Kasachstans neben den großen kasachischen Dichtern und Denkern. In einem weiteren Gemälde wird die Freundschaft der Turkvölker symbolisch dargestellt: Atatürk und Nasarbajew flankieren die Flaggen der Turkstaaten, wobei auffällt, dass der Schöpfer des Gemäldes den kasachischen Vertreter sichtlich über seinem historischen Amtskollegen schweben lässt.

Die Darstellung im Museum runden Eindrücke auf der Straße in Schimkent und Turkestan ab. Viele Aufschriften sind nur in Kasachisch. Ein Türke kann sich hier ganz einfach verständigen und wird schon mal für einen usbekischen „Bruder“ gehalten. Auf dem Basar tut man sich mit Russisch schon schwer und muss feststellen: In Turkestan ist man eindeutig im kasachischen Kasachstan angekommen. Auf der Flucht vor dem Sowjeterbe verfolgt einen hier in sowjetischer Manier hartnäckig ein anderer: Der kasachische Präsident lacht überlebensgroß von unzähligen Plakaten.

30/09/05

Teilen mit:

Все самое актуальное, важное и интересное - в Телеграм-канале «Немцы Казахстана». Будь в курсе событий! https://t.me/daz_asia