Strukturwandel, also das Verschwinden alter und das Erscheinen neuer Produktionen und Wirtschaftszweige ist nicht nur normal, sondern für den gesellschaftlichen Fortschritt auch unabdingbar. Mit Strukturwandel jeder Art sind fast immer Ängste, Widerstände und Versuche verbunden, überholte Strukturen zu konservieren, beziehungsweise deren Abschaffung möglichst weit hinauszuzögern. Ein Großteil der weltweit in umfangreichem Maße praktizierten staatlichen Subventionen der privaten Wirtschaft dient genau diesem Ziel und schadet damit eher als es nützt.

Nun ist es immer leicht, die Unterstützung progressiven Strukturwandels zu fordern. Schwer dagegen ist es zu bestimmen, welche strukturellen Veränderungen wirklich Zukunft haben, also nachhaltig sind. Schließlich kann sich kein Unternehmen erlauben, in falsche Umbrüche zu investieren. Das Ableiten von zukunftsträchtigen Technologien und Produkten ist durchaus eine Kunst, die weltweit infolge der hohen Komplexität von Wirtschaftsprozessen mit einer hohen Fehlerquote belastet ist. Die meisten, von Unternehmen als innovativ angesehene Produkte, werden von den potentiellen Käufern nicht als solche akzeptiert und verschwinden wieder vom Markt. Mit ihnen gehen aber Aufwendungen in Form von Zeit, Geld und Nerven unwiederbringlich verloren.

Zu den Erfahrungen der in innovativer Hinsicht führenden westlichen Industriestaaten gehört in dieser Hinsicht, dass sich der Staat keinesfalls in die Details der Innovationspolitik einmischen, oder gar detaillierte Vorgaben für zu erfindende Technologien oder Erzeugnisse machen sollte. Die Aufgaben des Staates werden eher darin gesehen, Probleme zu erkennen, eine umfangreiche gesellschaftliche Diskussion darüber anzustoßen und allgemeine Rahmenbedingungen für die Lösung der erkannten Probleme zu schaffen, ohne genaue Lösungen vorzuschreiben.

Voraussetzung für das Definieren neuer Problemfelder ist das kritische Analysieren der Ausgangsituation und der erkennbaren Entwicklungstrends. Betont werden muss das Wort kritisch. Eine zu optimistische Einschätzung eigener Potentiale ist meist schon der Grundstein für den strategischen Misserfolg. Schaut man heute in die Welt, so kann man mehrere strategische Entwicklungslinien erkennen, die die Basis für künftige globale und lokale Strukturveränderungen sein werden.

Zum ersten ist nach der gerade überstandenden Finanzkrise eine Rückkehr zur Realwirtschaft zu beobachten. Natürlich braucht die Welt auch innovative Finanzprodukte, die konsumierbaren Werte werden aber nun mal im Realsektor geschaffen, und den kann man nicht einfach China überlassen. Als zweiter Trend ist eine Verschiebung der wirtschaftlichen Zentren aus dem Westen in den Südosten der Welt festzustellen. China und Indien haben vor einigen Jahrhunderten die Weltwirtschaft entscheidend bestimmt. Jetzt sind diese Länder dabei, den für sie eher nicht natürlichen Zustands des Hinterherhinkens zu beseitigen und den aus ihrer Sicht „Normalzustand“ wieder-herzustellen.

Der dritte Trend beinhaltet den demografischen Wandel. Die Weltbevölkerung steigt im hohen Tempo an, was eine Vielzahl neuer Probleme schafft. Die Entwicklung verläuft sehr unterschiedlich. Während die Bevölkerung Europas und Japans rückläufig sind, wachsen Asien und Afrika eher zu schnell. Die vierte Linie ist die Dekarbonierung der Energiewirtschaft. Durch die Art unserer heutigen Energieversorgung, die mit großen Emissionen von CO2 verbunden ist, wird das Klima negativ beeinflusst. Die bereits angelaufene schnelle Nutzung regenerierbarer Energiequellen wird den Energiesektor, samt dazugehörigem Maschinenbau grundlegend umbauen. Dafür sind gewaltige Investitionen aufzubringen, was nicht in ein paar Jahren möglich sein wird.

Der letzte wohl eindeutig ausmachbare Langzeittrend ist die Digitalisierung des gesellschaftlichen Lebens. Was digitalisierbar ist, wird digitalisiert. Viele von uns haben nach ein paar Tagen ohne Internet schon Entzugserscheinungen und wir können uns gar nicht mehr vorstellen, dass es auch mal anders ging. Je nach Standpunkt sind die Trends Chance oder Bedrohung. Was überwiegt, hängt von vielen Kriterien und Faktoren ab und muss im Einzelnen untersucht werden. Auf jeden Fall sind diese Trends objektiv gegeben, und die Augen vor ihnen zu verschließen, hieße, notwendige Entwicklungen und Strukturveränderungen zu verschlafen. Es ist besser, sich gleich auch unangenehmen Veränderungen zu stellen.

Bodo Lochmann

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