Kontinuität ist in vielen Bereichen der Wirtschaft ein Schlüssel für Erfolg. Das trifft uneingeschränkt auch auf Investitionen des Staates zu, die vor allem in die Unterstützung eines progressiven Strukturwandels durch Innovationen, Bildung, Schaffung und Erhalt einer modernen technischen Infrastruktur fließen sollten. Nun wäre es mit Sicherheit falsch zu sagen, dass in den genannten Bereichen nichts getan wird. Doch das, was getan wird, ist oft zu wenig und nicht ausreichend effizient. Dabei steht Kasachstan im Vergleich zu den anderen zentralasiatischen Staaten durchaus gut da, wenn auch immer nur relativ. Das jedenfalls sagt der jüngste Report der „International Crisis Group (ICG)“, ein auf internationale Studien im Infrastrukturbereich spezialisiertes Unternehmen.

In dem Dokument wird den zentralasiatischen Staaten als Gesamtheit keinesfalls ein positives Zeugnis ausgestellt. Das drückt sich schon in der Benennung des Reports „Verfall und Zerstörung“ aus. Anhand des Vergleichs einer sehr großen Zahl aktueller Daten des technischen, kulturellen und sozialen Infrastruktursektors kommen die Experten zu dem Schluss, dass die vorhandene Infrastruktur am Rande der Funktionsfähigkeit steht, wobei der Richtungspfeil eher nach unten zeigt. An vielen Beispielen wird dabei der negative Einfluss des Zustandes dieser Strukturen auf das tägliche Leben der Menschen gezeigt. Dabei geht es bunt durch alle Lebensbereiche, wie Krankenhäuser, Schulen, Universitäten und Rathäuser.
Verbal wird der Zustand mit „Verspielen des aus der Sowjetzeit übernommenen Erbes in der Infrastruktur“ beschrieben. Es wird beklagt, das die übernommene Infrastruktur kaum gepflegt und erhalten, geschweige denn verbessert und modernen Erfordernissen angepasst wird. An Ursachen wird ein ganzes Bündel genannt, das von unzureichender Finanzkraft des Staates über schlechte Qualität der wenigen realisierten Projekte bis hin zu übermäßig hohen Ausgaben für Sicherheit und Militär reicht. Auch die völlige Fehlleitung der begrenzten Mittel (zum Beispiel in einige staatliche Prunkobjekte) wird beim Namen genannt.

Die Situation wir dabei besonders kritisch in Tadschikistan und Turkmenistan, mit Abstrichen auch in Usbekistan eingeschätzt. Hier fehlt es insbesondere an Basisserviceleistungen im Gesundheits- und Bildungswesen, aber auch bei der stabilen Bereitstellung von Elektroenergie und schlaglocharmen Straßen. Die auch in diesen Ländern mittlerweile im Gesundheits- und Bildungsbereich vorhandenen privaten Angebote können die Defizite in staatlichen Einrichtungen mangels ausreichender Kaufkraft einer breiteren Bevölkerungsschicht nicht ausgleichen. Für Kasachstan trifft das mit Abstrichen auch zu. Die vielen Eliteschulen und Hightech-Kliniken können die oft elementaren Mängel in Ausstattung und Organisation der Einrichtungen, wohin das einfache Volk gehen muss, nicht übertünchen.

Auch in Kasachstan schafft es die Neubautätigkeit bisher nicht, den allgemeinen Verfall der Infrastruktur wirklich auszugleichen. Problematisch ist die Situation vor allem in ländlichen Regionen und in Kleinstädten, aber auch in Großstädten sind die Probleme leicht zu erkennen. Dazu braucht man nicht mal ein besonders geübtes Auge. Kritisch bewerten die Experten von ICG auch den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung und den starken Mangel an qualifizierten Fachkräften. Beide Dinge wirken negativ auf die Produktivität der Unternehmen und damit auch auf das Erreichen der ehrgeizigen Entwicklungsziele Kasachstans. Es ist für die Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft sicher keine pure Freude, diesen Bericht zu lesen. Jedoch nur ein neutraler und kritischer Blick von außen hilft zu erkennen, wo man wirklich steht.

Bodo Lochmann

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