Tadschikistan leidet an einem Paradox: In einem der wasserreichsten Länder der Erde steht vielen Bewohnern kein sauberes Trinkwasser zur Verfügung. Vor allem Stadtbewohner haben das Nachsehen

Duschanbe, unweit des goldenen Somoni-Denkmals: Springbrunnen – überall. Am Präsidentenpalast, neben der Universität, gegenüber dem Basar. Bei 42 Grad Hitze wässern Sprinkler die gepflegten Rasenflächen. Auf den Gehwegen daneben bilden sich Lachen. Auf dem zentralen Rudaki-Prospekt bremst ein Tanklastwagen, Wasser schwappt über das Fahrerhaus – der Deckel des Tanks ist nicht verschlossen. In Restaurants lassen sich die Wasserhähne nicht abstellen, das Wasser fließt ohne Unterlass. – Acht Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs präsentiert sich das herausgeputzte Zentrum von Duschanbe im Wohlstand. Und Wohlstand heißt in Tadschikistan: permanente Verfügbarkeit von Wasser.

112. Mikrorayon, im Westen von Duschnabe. Auch hier fließt es. Trübe, stinkende Brühe plätschert durch offene Abflussgräben. Leere Plastikflaschen, Melonenschalen und anderer Dreck schwimmen darin. Vor Haus Nummer 21 plantschen Kinder an der Wasserstelle des Hauses, fließendes Wasser aus der Wand gibt es hier nicht. Die Wasserversorgung für alle Bewohner besteht aus einem Wasserhahn auf der Straße, der das dreckige Grabenwasser nach oben fördert und gleich wieder in den Graben entlässt. Wäsche und Teppiche werden am Wasserhahn vor dem Haus gewaschen, und ihr Trinkwasser holen die Bewohner hier auch. „Es heißt, wir sollen das Wasser nicht trinken,“ sagt eine junge Frau, „aber woher sollen wir das Wasser sonst nehmen?“

Tadschikistan kämpft mit einem paradoxen Problem. Das Land, dessen Territorium zu 95 Prozent vom Hochgebirge des Pamir eingenommen wird, ist eines der wasserreichsten der Erde. Die Pamir-Gletscher und Gebirgsflüsse wie Amudarja und Syrdarja versorgen ein Gebiet von mehreren Tausend Quadratkilometern mit Wasser. Dennoch leidet ein Großteil der tadschikischen Bevölkerung unter akutem Mangel an sauberem Wasser. Fast jedes Jahr treten Typhus-Epidemien auf. Bei der letzten großen Epidemie im Jahr 2003 erkrankten mehrere Tausend Menschen.

Ursache der damaligen Epidemie waren laut tadschikischem Gesundheitsministerium mangelnde Hygiene, verseuchtes Trinkwasser und die schlechte medizinische Versorgung – Spätfolgen des Bürgerkriegs, der von 1991 bis 1997 das Land erschütterte, und unter denen vor allem die Stadtbevölkerung leidet. Bis heute ist die Infrastruktur Tadschikistans noch nicht vollständig wiederaufgebaut. Wenn die Einschusslöcher an vielen Häusern auch nicht mehr zu sehen sind – Strom, Wasser und Gas sind auch in der Hauptstadt Duschanbe jenseits des Zentrums nur sporadisch verfügbar.

„Wir leben damit, dass manchmal eine Woche lang kein Wasser aus der Leitung kommt. Dann warten wir eben mit der Wäsche“, meint Marhabo Sununowa aus Duschanbe lakonisch. Wenn es dann Wasser gibt, handelt es sich oft um eine von den Einheimischen euphemistisch als „Milchkaffee“ bezeichnete braune Mischung aus Sand und Wasser. Etwa 70 Prozent des in Duschanbe benötigten Trinkwassers werden aus Oberflächenwasser gewonnen, wobei die Trinkwasseraufbereitung meist lediglich darin besteht, dem kaum gefilterten Wasser Chlor beizumischen, um so wenigstens einen Teil der Keime abzutöten. Nehmen die Bakterien im Wasser zu, wird die Chlorbeigabe einfach erhöht. Problematischer wird die Situation noch, wenn starke Regenfälle zu einer Überflutung der Kanalisation führen oder wenn Schlammlawinen in den Bergen das Wasser verschmutzen. Dann bleibt der Bevölkerung meist nur, Mineralwasser zu kaufen. Doch nur wenige der etwa eine Million Einwohner Duschanbes können sich das leisten. Denn auch die Mineralwasserpreise steigen stetig an, während die Arbeitslosigkeit seit Jahren bei etwa 40 Prozent liegt.

Zur Behebung der Trinkwasserprobleme in Duschanbe hat die Weltbank Tadschikistan schon im Jahr 2002 einen Kredit von 17 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt. Ziel des „Dushanbe Water Supply Project“ ist es, die Wasserversorgung in Duschanbe sicherer, verlässlicher und effizienter zu machen. Japanische oder deutsche Unternehmen engagieren sich seitdem in Duschanbe, um eine funktionierende Wasserversorgung aufzubauen und der Stadt ein ressourcenschonendes Trinkwassermanagement-System maßzuschneidern. Denn immer noch beträgt der Wasserverbrauch in Tadschikistan pro Kopf und Jahr etwa 2.000 Kubikmeter. Zum Vergleich: In Russland sind es lediglich 400 Kubikmeter.

Doch Skeptiker sehen den Millionenkredit der Weltbank bereits irgendwo versickern, denn eine Verbesserung der Trinkwasserversorgung ist bisher nicht spürbar. Auch was die von Präsident Emomali Rachmonow ausgerufene „Dekade des sauberen Trinkwassers 2005 – 2015″ konkret bringen soll, ist vielen Tadschiken nicht klar. Auch das tadschikische Komitee für Umweltschutz und Landwirtschaft kann adhoc keine konkreten, geplanten Maßmahmen nennen. Er ist zwar überzeugt, dass die Regierung die Situation verbessern wird. „Doch wir werden noch Jahrzehnte brauchen, um die Wasserprobleme in Tadschikistan zu lösen. Es fehlt einfach an politischer Stabilität im ökologischen Bereich“, umschreibt er die Priorität, mit der man sich der Thematik zur Zeit widmet.

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