Vikor Littau hat seine Kindheit in Kasachstan verbracht und ist Anfang der 1990er Jahre nach Deutschland ausgewandert. Auf die turbulenten Veränderungen in seinem Leben blickt er heute gelassen zurück.

Seit über zehn Jahren ist der Russlanddeutsche Viktor Littau Inhaber des erfolgreichen Musikhauses in Lüdinghausen. Auch seine Musikschule mit über 120 Schülern und vielfältigen Angeboten hat sich zur festen Größe im Kulturleben der Region etabliert. Der Weg zu diesem Erfolg war allerdings kein gerader. Littau wurde 1973 im Dorf Mironowka in Omsk geboren, nach sechs Jahren zog die Familie nach Kasachstan in die Stadt Schtschutschinsk. Als die Littaus im November 1991 nach Deutschland auswanderten, hatte Viktor gerade die Mittelschule abgeschlossen.

Nach dem Intensivsprachkurs bei der Otto Benecke Stiftung in Eringerfeld bei Geseke, einer Kleinstadt am Hellweg, jobbte der junge Russlanddeutsche bei verschiedenen Firmen. Er hat „jeden Job angenommen, den ich finden konnte, um Geld zu verdienen und die Sprache in der Praxis anwenden zu können. Ich habe von der Gärtnerei, Hühnerfabrik, Maggi-Werk bis zum Callcenter alles ausprobiert und meine Erfahrungen in verschiedenen Bereichen gesammelt“, erzählt Littau.

Littau ist musikalisches Naturtalent

Während seiner Wehrdienstzeit hatte er den LKW-Führerschein und den Staplerschein gemacht und bekam mit diesen Qualifikationen einen ersten festen Arbeitsplatz beim Maggi-Werk.

Und doch war der Traum von Viktor Littau immer ein anderer. Seit seiner Kindheit hatte er Musik gemacht, jedoch kam eine Ausbildung in diesem Bereich wegen der Auswanderung nach Deutschland nicht zustande. „Ich habe ein absolutes Gehör und spiele demensprechend viele Instrumente nach Gehör. Auch ohne Notenkenntnisse kann ich mit jedem Musiker sofort mitspielen – egal ob es Volks-, moderne Musik, Jazz oder andere Stillrichtung sind“, sagt Littau.

Heute ist er froh darüber, dass er sich vor über zehn Jahren der Herausforderung stellte, die sein Leben radikal veränderte. Im Schnellverfahren machte er eine Umschulung zum Kaufmann im Einzelhandel in einem Pianohaus in Dortmund. Danach wagte er sich in die Selbstständigkeit und gründete ein eigenes Musikhaus – genau elf Jahre nach seiner Einwanderung nach Deutschland. Zunächst führte Littau ein klassisches Musikhaus mit einem kleinen Sortiment, überwiegend Klaviere und klassische Gitarren.

Um die laufenden Kosten zu decken, gründete er 2002 zusätzlich noch eine Musikschule mit dem Schwerpunkt musikalische Früherziehung ab 12 Monaten. Das Konzept, den Kleinen „direkt in meinen Räumen Musik zugänglich zu machen“ ging auf. Nach einem Jahr rentierte sich die Musikschule, der junge Fachhändler konnte die schwierige Anfangszeit mit zwei Standbeinen meistern. Die Musikschule gibt es nach wie vor, sie hat alle möglichen Angebote, etwa 120 Kinder in Ausbildung und beschäftigt neun freiberufliche Musiklehrer. Die Schüler seiner Musikschule sind eine feste Größe im Kulturleben der Region geworden, darunter die Instrumentalgruppe „Kalinka“ oder das Gitarrenensemble.

Akkordeon-Experte Littau

Schon bald merkte Littau, dass es in unterschiedlichen Bereichen großen Bedarf gibt – in kurzer Zeit baute er sein Musikhaus zu einem Vollsortiment-Handel aus. „Ich habe alles verkauft, was einen Ton macht. Von der Maultrommel über Harfen bis zum Konzertflügel“, sagt er. Eine weitere Geschäftsidee brachte ihn auf den Gedanken, dass viele Landsleute sich freuen würden, wenn sie einen Ansprechpartner hätten, der auch russisch sprechen könnte. Mit einer Anzeige in einer russischsprachigen Zeitung begann seine Laufbahn im Harmonika-Bereich. „Bereits nach der ersten Anzeige hatte ich eine Kundenkartei mit über 300 Interessenten bundesweit.

Zu 90 Prozent waren es Landsleute, die einen Bajan (Knopfakkordeon), ein Akkordeon oder eine russische Harmonika (Garmoschka) haben wollten“, erzählt Littau.

In Europa konnte er alles besorgen außer der russischen „Garmoschka“. Seine Freude über die „Garmoschka“-Lieferung aus Russland hielt sich in Grenzen, weil er fast alle Instrumente nacharbeiten musste, damit sie den Anforderungen der Kunden entsprachen. „So habe ich mich entschlossen, eine russische Garmoschka selbst zu bauen“, sagt Viktor. Seit 2003 gibt es die neue Marke LITTAU, die inzwischen den Markt sehr verändert hat. „Ich verwende die neuesten Technologien aus dem Elektronik-Bereich und rüste traditionelle Harmonikas nach. Daraus entsteht ein Instrument, das wie ein Orchester klingt“, erklärt Littau. Seitdem beschäftigt er sich mit der Entwicklung von hochwertigen Harmonikainstrumenten.

Warum gerade in diesem Bereich? „Weil mir dieses Instrument seit meiner Kindheit am Herzen liegt. Und weil jedes Instrument im Laufe der Zeit weiter entwickelt wurde, nur die Garmoschka nicht. Die Folge ist, dass immer weniger junge Menschen dieses Instrument spielen und es in 20-30 Jahren aussterben könnte. Dadurch ginge ein Stück einzigartiger Kultur verloren, was an sich sehr schade wäre“, erzählt Littau.

Mit Littaus Instrumenten kann sich ein Harmonikaspieler sein eigenes Ensemble selbst zusammenstellen und ohne jegliche Automatik, wie man es aus dem Keyboardbereich kennt, bis zu neun Instrumente gleichzeitig spielen. „Es gibt nichts, was auf diesem Instrument nicht möglich wäre. Mittlerweile habe ich so ungefähr alles berücksichtigt, was in der Praxis gebraucht wird, und es in die Tat umgesetzt“, sagt der Fachhändler. Heute hat Littau Zulieferer aus fünf Ländern, seine Kunden spielen in Irland, Panama, Schweden, Weißrussland, Ukraine, Russland und natürlich in Deutschland.

Er reist viel und zeigt sein Instrument auf Festivals in Deutschland und Russland. Auch nimmt er regelmäßig an internationalen Musikmessen teil, wie die Frankfurter Musikmesse oder die Musikmesse „Rossia“ in Moskau, um sich über den Markt zu informieren und präsent zu sein.
Mit der Kinder– und Jugend-Instrumentalgruppe „Kalinka“ (Leitung Tanja Geiger) tritt er bei Kulturveranstaltungen vor Ort und Umgebung auf, unter anderem auch schon mal beim Rahmenprogramm der Wanderausstellung. Und mit dem „Littau Trio“, bestehend aus Lehrern der Littau-Musikschule, begeistert er das Publikum auch mal mit südamerikanischen oder spanischen Klängen.

Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift „Volk auf dem Weg“, herausgegeben von der Landsmannschaft der Russlanddeutschen e.V., erschienen. Die Deutsche Allgemeine Zeitung druckt ihn mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

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