Ich habe ja nichts dagegen, dass alle Welt auf Digitalfotografie umsteigt, dass die Fotoapparate immer klitzekleiner und moderner werden, niemand mehr Papierfotos zur Hand hat, sondern man sich die Bilder nur auch auf den Laptops zeigen lassen kann; dass die Fotoapparate nicht mehr ein echtes ordentliches Klick und Ritschratsch verlauten lassen, weil es die Mechanik so macht und braucht und nicht, weil ein Tonkünstler dieses Geräusch nachahmt, um ein wenig Nostalgie in die Modernität einfließen zu lassen.

Aber bitteschön, jeder, wie er will! Man muss auch gar nicht auf meine altbackenen Angewohnheiten Rücksicht nehmen und mein Unbehagen der modernen Technik gegenüber. Aber ich möchte, bitteschön, auch nicht dazu genötigt werden, das mitzutun. Grad heute wollte ich im Fotogeschäft meines Viertels einen Schwarz-Weiß-Film zur Negativentwicklung bringen, um dann die Abzüge im Fotolabor selbst vorzunehmen. Die junge Tochter des Inhabers sagt: „Ich weiß nicht, ob das geht, ich muss meinen Vater fragen.“ Entweder ich habe ein Déjà vu oder wir hatten diese Situation schon mal, denke ich. Ich entscheide mich für die ´Hatten-wir-schon-mal-Variante` und sage: „Doch, das geht. Zuletzt hatten wir das auch so gemacht.“ „Nein, das geht nicht!“ mischt sich der Vater ein. Vielleicht war er beleidigt, dass ich ihm seine Antwort weggenommen hatte. Er ist Italiener, und vielleicht haben die Italiener da ein spezifisches Ehrgefühl. „Aber es ging doch zuletzt.“ „Jetzt geht es eben nicht mehr.“ „Ja, aber das war doch erst vor zwei Wochen!“ „Ja, jetzt eben nicht mehr. Das ist die Digitalfotografie. Das lohnt sich nicht mehr.“ „Wann genau hat der Fotolaborant das denn gesagt, dass das nicht mehr geht?“

Diese Frage war natürlich unter Kommunikationsgesichtspunkten nicht weiterführend, fast schon beleidigend. Aber ich komme nur schlecht damit zurecht, dass etwas vor ganz kurzem noch ging und jetzt plötzlich nicht mehr. Hätte das Labor pleite gemacht, täte mir das zwar für den Inhaber leid, aber damit könnte ich noch leben. Aber hier bin ich Zeugin und betroffenes Opfer des Aussterbens einer Teildisziplin der Fotokunst. Ich hatte vor, noch viele Jahrzehnte meine Fotos per Hand im Labor selbst zu entwickeln. Was nicht nur Spaß macht, sondern auch deswegen wichtig ist, weil ich nämlich gar nicht fotografieren kann und im Labor mein Gestümper ein wenig ausgleichen kann. Nun gut, mit der Digitalfotografie könnte ich auch am Computer meine Schludrigkeiten verwischen. Aber ich will eben lieber bei Rotlicht in den Entwicklungs- und Fixierbädern panschen und zugucken, wie die Bilder langsam entstehen. Ich will es nicht wahrhaben und bohre weiter nach. „Ja, aber Abzüge gehen?“ „Ja, Abzüge gehen.“ „Aber wenn der Fotolaborant Abzüge macht, muss er ja vorher auch die Filme entwickeln. Dann muss er ja einfach nur die Abzüge nicht machen.“ „Ja, aber das geht jetzt nicht mehr.“ Diese Nachricht muss ich noch verdauen. Es wurde in letzter Zeit eh immer schwerer, Schwarz-Weiß-Filme zu erstehen, und Ersatzteile für meine klobigen Apparate gibt es schon längst nicht mehr. Nun weiß ich kaum noch, wo ich meine Filme entwickeln lassen kann, und wie lange man überhaupt noch Fotopapier und die Laborchemikalien kaufen kann. Und wenn außer mir keiner mehr mit den alten, schweren Dingern fotografiert und selbst entwickelt, wandelt das Bürgerzentrum „mein“ Fotolabor wahrscheinlich in einen Meditationsraum um. Da gibt’s nur eins: Schnell alles, was man noch irgendwie irgendwo an altem Fotokrempel kaufen kann, zusammenraffen und horten, dass es für die nächsten Jahrzehnte reicht.

Julia Siebert

29/02/08

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