Wer Zentralasien kennt, kennt es meist als alternatives Reiseziel. Wenn man sich hier beruflich oder privat aufhält, kommt man nicht umhin, seine Neugier zu stillen und die sehenswerten Naturlandschaften und andere Reiseziele zu erkunden. Welche Kuriositäten einem auf so einer Reise widerfahren können, weiß unsere Autorin zu berichten.

Ein reichlich gedeckter Tisch mit grünem Salat, Tomaten, Gurken, Äpfeln – aus dem eigenen Garten versteht sich – gekrönt von Honig, verschiedensten Trockenfrüchten und Nüssen, Kurt, Rachat-Schokoladepralinen, Teegebäck und der unabdinglichen gegorenen Stutenmilch „Kumyz“ erwartet uns bei der Ankunft. Dazu sei gesagt, dass hier vorerst nur vom Bürotisch die Rede ist, der kurzerhand aus mangelndem Platz zum Buffettisch umfunktioniert wurde. Auf dem eigentlichen Esstisch erwarten uns weitere Gaumenfreuden wie Baursaky, Schwarzbrot und selbstgemachtes Beschbarmak mit frischen Kazy.

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Zwei Österreicherinnen und zwei Holländer zu Gast bei einem kasachischen Ehepaar. Wie wir hier gelandet sind? Mit mehr Glück als Verstand, aus Hungersnot und dank der allseits bekannten kasachischen Gastfreundschaft! Aus dem ursprünglich geplanten Ausflug zum Issyk-See und nach Turgen, wurde eine Exkursion zum BAO, dem Großen Almaty-See. Bereits die Marschrutka-Fahrt dorthin war ein Erlebnis – gespickt mit vielen Infos über Almaty, die Region und den BAO. Aufgrund von Arbeiten entlang der Straße hinauf zum BAO, wurden zusätzliche Zwischenstopps bei zwei Wasserfällen eingelegt. In dieser Zeit bot es sich an zwei Holländer besser kennenzulernen und die Füße im überaus erfrischenden Wasser des Bolschaja-Almatinka-Flusses abzukühlen.

Auf los, geht’s los

Dann ging es endlich los – hinauf zum BAO. Während der Fahrt wurden viele wissenswerte Infos über den Nationalpark Ile-Alatau und dessen vielseitige Flora und Fauna – und natürlich über den See selbst preisgegeben. Der 15 Kilometer südlich von Almaty im Transili-Alatau gelegene Gebirgssee ist 1,6 Kilometer lang und 1 Kilometer breit. Mit einer Wassertiefe von 30-40 Meter umfasst er ein Wasservolumen von rund 14 Mln. m³. Entstanden ist er durch ein Erdbeben und versorgt heute den südlichen Teil von Almaty mit Trinkwasser.

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Auf 2511 m angekommen, konnten es alle kaum erwarten, den ersten Blick auf den See zu erhaschen. Die Erwartungen beim Anblick des Sees wurden mehr als übertroffen. Seine milchig blau-weiß in der Sonne schimmernde Farbe hatte etwas sehr Beruhigendes an sich.

Picknick in den Bergen

Lediglich mit ein paar Trockenfrüchten und Nüssen ausgestattet, begannen unsere Mägen langsam zu knurren. Als hätten sie es geahnt, wurden wir von einem kasachischen Ehepaar zum Picknick eingeladen. Wie sich später herausstellte waren unsere Gastgeber ein Kasache und eine Ukrainerin. Verwöhnt wurden wir mit allerlei Leckereien: Eier, Käse, Hühnchen, Kartoffeln, eine Kreation aus Tomaten und Auberginen mit Mayonnaise und Schwarzbrot. Wohlgemerkt stammte alles, bis auf das Hühnchen, aus eigener Produktion bzw. eigenem Anbau.

Was natürlich nicht fehlen durfte – selbst gemachter kasachischer Apfelwodka und – als die Flasche leer war – russischer Wodka. Sobald sich jemand zierte erneut zuzulangen, waren schon die Worte „kuschai, kuschai!“ – was so viel bedeutet wie „iss, iss!“ – zu hören. Nach jedem Bissen erklangen wiederum die Worte „pej, pej“, also „trink, trink“. Sie wollten gar nicht mehr, dass wir aufhören zu essen und zu trinken. Kanat zufolge steigt Wodka in den Bergen aber ohnehin nicht in den Kopf, und er schenkte uns mit einem breiten Grinsen auf den Lippen immer wieder nach.

Essen für alle Fälle…

Sie bestanden darauf, dass wir am nächsten Tag zu ihnen zum Mittagessen kommen – und mussten natürlich keine allzu große Überredungsarbeit leisten. | Bild: Claudia Schwaiger

Als der erste Hunger gestillt und auf die neue Bekanntschaft mit mehreren Gläschen Wodka angestoßen worden war, kamen wir etwas mehr ins Gespräch. Kanat erzählte, dass er seiner Frau Irina am Vorabend gesagt habe, sie solle doch etwas mehr Essen einpacken – denn man weiß ja nie, wen man in den Bergen so kennenlernt. Er hatte sozusagen schon eine kleine Vorahnung, dass er am darauffolgenden Tag jemanden kennenlernen würde. Das zeugt von der allseits gepriesenen Gastfreundschaft der Kasachen, deren Offenheit gegenüber anderen Menschen und deren Bereitschaft, ihr Essen mit anderen, mitunter Wildfremden, zu teilen.

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Um drei Uhr nachmittags ging es ordentlich beschwipst mit der Marschrutka zurück nach Almaty. Sie bestanden darauf, dass wir am nächsten Tag zu ihnen zum Mittagessen kommen – und mussten natürlich keine allzu große Überredungsarbeit leisten. Mit Badehose und Badehandtuch ausgestattet (für den bevorstehenden Besuch der hauseigenen Banja), und mit einer Flasche Wodka, frischem Obst und österreichischen Mannerschnitten bepackt, standen wir also am Montag um ein Uhr mittags vor Irinas und Kanats Tür. Für alle von uns stand die Verkostung des ersten traditionellen kasachischen Beschbarmaks bevor.

Wiedersehen bei einem Glas frischer Stutenmilch

Die Holländer wurden von Kanat per Handschütteln, meine Freundin und ich nur verbal begrüßt. Über einen schmalen Pfad durch den Garten, vorbei an einer Kinderschaukel, Obstbäumen und Gemüsebeeten, ging es zur Eingangstür. In der Küche grüßte Irina, die noch mit den Vorbereitungen des Mittagessens beschäftigt war. Kaum zu Tisch gebeten, konnte zwischen frischer, in Plastikflaschen abgefüllter Stuten– oder Kamelmilch gewählt werden. Für den Anfang ist es die leicht säuerlich schmeckende Pferdemilch, der wir alle nicht allzu viel abverlangen konnten, geworden. Nach einem kurzen Gesprächswechsel wurde uns angeboten, das Haus und den Garten zu erkunden anstatt rumzusitzen und zu warten.

So begann also die Erkundungstour. Das Haus war klein und bestand aus drei Zimmern. Überall verstreut war Kinderspielzeug von den Enkeln zu sehen. Von auf den Wänden klebenden Fotos lachten die Enkel und auch die eigenen bereits erwachsenen Kinder entgegen. Alle bestaunten auch die von Irina selbstgemalten Aquarellmalereien, die verschiedene Landschaften und Tiere darstellten. Der natürlich dahinwachsende Garten hatte allerlei Gemüse und Obst zu bieten – von Äpfeln und Himbeeren bis zu Salat, Tomaten und Gurken. Außerdem waren dort ein Trampolin für Kinder, ein großes Planschbecken und eine kleine Hütte aus Wellblech, in der sich die bereits angekündigte Banja befand, zu sehen. Kaum war die Erkundungstour beendet, wurden wir schon zu Tisch gerufen.

Beschbarmak die Erste

Bereits im Vorhinein hatten wir uns über Beschbarmak informiert – das Nationalgericht Kasachstans, bestehend aus Kartoffeln, Lasagne ähnlichen gekochten Teigfladen, Zwiebeln und Pferde– oder Rindfleisch. Eine wahre Gaumenfreude war also vorprogrammiert. Begleitet wurde dieses Festmahl von Kazy, einer gekochten Wurst – Pferdefleisch und -fett mit viel Knoblauch in Naturdarm. Klingt köstlich? War es auch! Zu trinken wurde diesmal frische Kamelmilch und – ihr ahnt es wohl bereits – Wodka gereicht. Wann immer neues Fleisch serviert wurde, musste von Letzterem mindestens einen Schluck getrunken werden.

Schweißtreibende Mittagspause

Gemeinsam mit Kanat wagten sich die Holländer anschließend nach anfänglichem Zögern in die Banja. Die Ankündigung von Temperaturen von über 100°C wirkte wohl zunächst doch etwas abschreckend. Schlussendlich fanden jedoch alle großes Gefallen an der russischen Sauna, die traditionell mit einem Holzofen beheizt wird und in der Regel von Männern und Frauen getrennt besucht wird. Dort wird immer wieder Wasser auf die heißen Steine des Saunaofens gegossen, um eine hohe Luftfeuchtigkeit zu erlangen. Zwischen den einzelnen Saunagängen ging es zum Abkühlen immer wieder kurz in das Planschbecken im Garten. Meine Freundin und ich konnten nicht dazu überredet werden und verbrachten unsere Zeit mit Himbeerpflücken.

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Teezeit einmal anders

Ein über 200 Jahre alter Samowar, der von Generation zu Generation weitergegeben wurde. | Bild: Claudia Schwaiger

Als die Jungs genug von der Banja hatten, gab es Tee aus einem über 200 Jahre alten Samowar. Dieses antike Prachtstück ist Familieneigentum und wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Wir alle konnten das erste Mal in unserem Leben mit eigenen Augen bestaunen, wie so ein kupferner Wasserkessel mit Holz beheizt wird. Über einen Ablasshahn am unteren Rand wurde schließlich das heiße Wasser für unseren Tee entnommen. Dazu wurden unsere frisch gepflückten Himbeeren, Äpfel, Rachat-Schokolade aus Almaty, Datteln, Kurt, Rosinen und vieles mehr gereicht.

Vom wunderschönen Großen Almatiner See zum hausgemachten Beschbarmak – eine einzigartige Erfahrung, bei der zwei Österreicherinnen und zwei Holländer die kasachische Gastfreundschaft aus erster Hand kennenlernen durften. Und alles begann mit einem Ausflug, mit dem wir morgens noch gar nicht gerechnet hatten…

Claudia Schwaiger

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