Der 24-jährige Deutsche Henryk Alff hat sich entschlossen, ein Studienjahr in Almaty zu verbringen, um seine kasachischen Sprachkenntnisse zu vervollständigen. In Berlin studiert er Geografie, Russistik und Zentralasiatische Studien.

„Ich muss mir wohl bald wärmere Sachen zulegen“, sagt Henryk Alff und zieht seine Jacke fester um sich. Dem großgewachsenen 24-jährigen Potsdamer gehen mittlerweile die Klamotten aus. Seit September ist er in Almaty, um ein Jahr lang die kasachische Sprache zu lernen. „Ich bin über den Gebirgssee Issyk Kul hergekommen, und da ich auch noch einen Laptop dabei hatte, war der Platz im Rucksack begrenzt“, erzählt er von seiner abenteuerlichen Reise von Kirgisien aus über die Bergkette des Tienschan nach Almaty. Henryk studiert seit 2002 in Potsdam Geographie und Russistik, an der Freien Universität Berlin belegt er zusätzlich noch Zentralasiatische Studien. Seit zwei Jahren lernt er in Berlin Kasachisch, allerdings nicht bei einem Muttersprachler. „Unser Lehrer war Türke, er beherrschte die kasachische Sprache aber hervorragend. Doch wir haben kaum gesprochen.“ Am meisten Schwierigkeiten bereitet ihm die Grammatik des Kasachischen, er könne aber „eine Zeitung mit ein wenig Hilfe des Wörterbuches gut lesen.“ Dass er hier Kasachisch lernen will, kam ihm auch schon zugute: „Bevor ich nach Almaty kam, bin ich noch zwei Wochen am Issyk Kul gewandert. Wir gingen zu Fuss über die Grenze nach Kirgisien, fuhren aber mit dem Bus zurück – und hatten deshalb keinen Ausreisestempel im Pass. Das bedeutete ziemlichen Ärger mit den Grenzbeamten, bis ich erzählte, ich sei in Kasachstan, um Kasachisch zu studieren. Dann durften wir plötzlich weiter“, grinst er. Alff ist zum zweiten Mal in Almaty, vor zwei Jahren kam er für eine Stippvisite in die Stadt. „Es hat mir damals sehr gut gefallen, deshalb entschloss ich mich jetzt, wieder hierher zu kommen“, erklärt er seine Entscheidung, und seine Stimme klingt fest, wenn er das sagt.Vielleicht hatte aber auch die Erinnerung an eine kasachische Hochzeit, bei der er dabei sein konnte, etwas damit zu tun. Er gerät ins Schwärmen bei der Aufzählung all der Köstlichkeiten, die damals serviert wurden. Es hätte außerdem wenig Sinn gemacht, in Berlin Kasachisch zu lernen und dann im Auslandsjahr wieder mit einer Sprache von vorn anzufangen, meint Henryk. Er würde die Stadt Almaty zwar aufgrund des Verkehrs und der schlechten Luft nicht so berauschend finden, aber dafür hätte das Land sehr viel zu bieten. So drückt er nun jeden Tag von 8.30 Uhr bis 13 Uhr an der KazGU, der nationalen kasachischen Universität, weiter die Schulbank, zusammen mit seinen koreanischen Kurskollegen.

Vögel und die russischen Realisten

Nach dem Abitur entschloss sich Henryk, seinen Zivildienst im Ausland zu absolvieren. Seine Wahl fiel dabei auf Russland, wo er in Nischni Nowgorod an einer Schule für geistig behinderte Kinder und in der Altenplege arbeitete. Dort lernte er auch gut russisch sprechen, was ihm hier in Kasachstan hilft. In dieser Zeit beschäftigte sich Alff viel mit der klassischen russischen Literatur. Er schätzt historische Romane wie „Krieg und Frieden“, in denen ein genaues gesellschaftliches Bild der Zeit gegeben wird, aber auch kasachische Autoren wie Tülen Abdikow und Dschingis Aitmatow. In der kargen Freizeit, die ihm zwischen Uni, Freunden und Hausaufgaben noch bleibt, verbindet er mit Vorliebe drei seiner Hobbies – Trekking, Fotografie und Ornithologie. „Das kann man alles ganz wunderbar hier in Kasachstan machen“, sagt er begeistert und streicht sich die strubbeligen blonden Haare aus der Stirn. Alff sprudelt über vor Ideen, wie er seine Zeit in Kasachstan noch nutzen könnte. Mit zwei Freunden aus Berlin möchte er im kommenden Jahr eine Dokumentation drehen, die sich mit den chinesisch-kasachischen Beziehungen beschäftigt. „Ich will einen der kasachischen Händler auf seiner Einkaufstour nach China begleiten“, beschreibt er sein Vorhaben mit leuchtenden Augen. Das würde auch seiner kinematographischen Leidenschaft entgegenkommen, diesmal nicht von der Warte des Zusehers aus, sondern als selbst Filmschaffender. Und dann wäre da noch ein weiteres Projekt, dass ihm am Herzen liegt: eine Forschungsarbeit über ein Mikrofinanzierungsprojekt des TACIS, einem Entwicklungsförderungsprogramm der EU. „Wie ich das alles unter einen Hut bringen soll, weiß ich noch nicht so genau“, sagt er und blickt etwas verunsichert. Henryk hofft, bald auch in Kasachstan studieren zu können, denn eigentlich ist er nicht nur zum Sprachenlernen hergekommen. Es wurde ihm nämlich ursprünglich zugesichert, in Kasachstan nicht nur einen Sprachkurs belegen, sondern auch sein Geografie-Studium weiter betreiben zu können.

Beobachtungen eines Deutschen

Die kasachische Universität weigert sich nun aber, das bilaterale Abkommen zwischen Deutschland und Kasachstan zu erfüllen. Leider führt das dazu, dass Allf nun fast 2800 Dollar für ein Jahr Kasachischlernen hinzulegen hat. Für Geografie-Kurse wäre extra zu bezahlen. Alff ist zwar Stipendiat des DAAD, doch diese Ungerechtigkeit will er nicht so einfach hinnehmen. „Ich habe jetzt mal den Sprachkurs für drei Monate belegt, danach sehen wir weiter. Vielleicht findet sich ja noch eine Lösung“, gibt sich Allf hoffnungsvoll. Seine Einschätzung der Leute fällt nüchtern aus: „Man nimmt kaum wahr, dass die Kasachen einen anderen kulturellen Background haben als die hier lebenden Russen“, sagt Alff. Die Mentalität sei aber in allen ehemaligen Sowjetrepubliken ähnlich. Auf dem Land sei die Lage sicherlich noch etwas anders, vor allem in den südlichen Gebieten wie zum Beispiel Turkestan, ist sich Alff sicher. Dieses Thema scheint ihn zu beschäftigen. „Die Mentalitätsunterschiede sind hier geringer als zum Beispiel in Usbekistan“, fügt er hinzu. „Aber ich fühle mich hier richtig wohl. Ich gehe auch oft ins Theater oder in die Oper – das könnte ich mir in Deutschland einfach nicht leisten, das ist hier schon Spitze“, sagt er und macht sich in seinen abgewetzten Jeans wieder auf den Weg zum nächsten Abenteuer.

04/11/05

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