Es war ein Paukenschlag, was da am 5. Februar in Genf vor sich ging: Die Ukraine und die Welthandelsorganisation (WTO) unterzeichneten die Dokumente zur Aufnahme der zweitgrößten GUS-Volkswirtschaft als 152.

Mitglied dieser weltumspannenden Freihandelssorganisation. Fast 15 Jahre haben die entsprechenden Verhandlungen gedauert und noch vor wenigen Monaten schien es, als seien sie auf längere Zeit festgefahren. Doch unter der neuen Regierung von Julia Timoschenko wurden frühere Blockaden schnell beiseite geräumt. Damit ist die Ukraine als der erste große, wirtschaftlich wichtige GUS-Staat Mitglied der WTO. Doch es wurden sofort Bedenken geäußert – vor allem von Moskau. Russland hat das Ticket für die WTO immer noch nicht in der Tasche. Sein Beitritt hängt noch von der Lösung einer Reihe von Fragen mit der EU ab. Moskau ist deshalb skeptisch, weil es eine zu starke Hinwendung der Ukraine zu Westeuropa fürchtet, und wahrscheinlich auch, weil Russland selbst als erster durchs Ziel gehen wollte.
Strategisch gesehen verspricht sich jedes Land, das in die WTO drängt, von diesem Schritt eine Stabilisierung seiner Außenwirtschaftsbeziehungen und eine Stärkung des Wirtschaftswachstums. Neben der Nutzung bereits vorhandener Handelsstrukturen wie zum Beispiel niedrige Zölle zwischen den WTO-Mitgliedsstaaten hat Kiew nun die Möglichkeit, über die Ausgestaltung der Regeln mitzudiskutieren. Außerdem kann die Ukraine nun andere WTO-Mitglieder vor das WTO-Handelsgericht zitieren, um dort bestehende Streitfragen lösen zu lassen.

Diesen Vorteilen stehen jedoch einige Nachteile gegenüber. Der größte ist die unausweichliche Verschärfung des Wettbewerbs auf dem heimischen Markt. Es wird ausländischen Waren und Investoren leichter als bisher möglich sein, in der Ukraine mit ihren etwa 60 Millionen potentiellen Kunden zu agieren. Manche ukrainische Unternehmen werden dem nicht standhalten können und vom Markt verschwinden. Die Alternative wäre Abschottung vom Geschehen auf den Weltmärkten und strategischer Schwund der Wettbewerbsfähigkeit. Das ist zu vergleichen mit einem Sportler, der zwar fleißig trainiert, aber keine Wettkämpfe bestreiten darf. Er wird sein Leistungsvermögen nicht unter realen Bedingungen testen können und sich deshalb selbst überschätzen.

Kasachstan verhandelt bereits mehr als zehn Jahre mit der WTO über die Modalitäten seines Beitritts. Für die Aufnahme wurden schon mehrere Daten genannt: 2005, 2006 und 2007. In letzter Zeit dominiert allerdings das Schweigen in dieser Frage. Die langen Verhandlungen resultieren unter anderem daraus, dass die WTO kein zentralistisches Organ ist, sondern die Gespräche mit allen Mitgliedsländern im Einzelnen zu führen sind – auch wenn einige Staaten im Block (EU) auftreten.

Es scheint, dass die Aufnahme der Ukraine ein Signal für Kasachstan, Russland und andere beitrittswillige GUS-Staaten ist. Ursprünglich war angedacht, gemeinsam beizutreten – dies ist nun nicht mehr möglich. Die WTO-Mitgliedschaft würde automatisch eine Reihe von Fragen im gegenseitigen GUS-Handel lösen, die bisher im Rahmen der eigenen Organisationen nur ungenügend oder auch gar nicht gelöst werden konnten. Der Beitritt der Ukraine wird sicher wieder Schwung in die Beitrittsgespräche mit Kasachstan bringen. Deshalb wird Kasachstan wohl bald auch in die WTO aufgenommen werden.

Bodo Lochmann

08/02/08

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