Wasser ist ein vielseitig eingesetzter Stoff. Es ist vor allem Grundlebensmittel für Menschen, Tiere und Pflanzen, aber auch Transportmittel, Einsatzstoff in der Industrie und vieles mehr. Wasser ist im Unterschied zu Öl, das heute weltweit Primärenergieträger Nr. 1 ist, aber durch andere Energieträger ersetzt werden kann, als Lebensmittel nicht ersetzbar. Jeder fünfte Mensch der Erde verfügt über keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, und diese Zahl weist trotz vieler internationaler Deklarationen und Programme keine eindeutige Tendenz zur Verringerung. Hieraus resultiert eine Vielzahl von sozialen, wirtschaftlichen und politischen Konflikten und das auch in der Region Zentralasien.

Der Kern des hiesigen Problems liegt sowohl in der regional und zeitlich ungleichmäßigen Verteilung und Bereitstellung von Wasser als auch in dessen regional und zeitlich ungleichmäßigem Verbrauch. Die „Bergländer“ Kirgisistan und Tadschikistan verfügen über große Wasserressourcen, die dort jedoch vorwiegend zur Stromerzeugung eingesetzt werden müssen. Das ist naturgegeben vor allem im Winter notwendig, während Usbekistan, Kasachstan und Turkmenistan Wasser vor allem für die Landwirtschaft brauchen, also im Frühjahr und Sommer. Dann sind aber die großen Staubecken der Bergländer leer.
Nun ist die Verteilung von Wasserangebot und Wassernachfrage ein „Geschenk“ der Natur und auch mit größtem technischen Aufwand kaum ausgleichbar. Zu Sowjetzeiten wurde diese objektiv gegebene Nichtübereinstimmung zentral geregelt, das politische Problem entstand jedoch erst mit der nationalen Unabhängigkeit der Staaten. Jetzt sieht jedes Land erst mal zu, dass es seine eigenen Probleme löst. Der Integrationsgedanke ist im Bereich Wasser wie auch in anderen Bereichen eher unterentwickelt.

Nach langem Hin und Her ist kürzlich eine Übereinkunft zur Wasserverteilung zwischen den beteiligten Ländern erreicht worden. In diesem Dokument sind konkrete Wassermengen fixiert, die zum Beispiel Kasachstan im Verlauf eines Jahres vertraglich nutzen kann. Auch zwischen den anderen Ländern wurden Teile des Wasserkonflikts durch das Eingehen von Kompromissen entschärft, wodurch die Lage in Zentralasien in vieler Hinsicht stabiler geworden sein dürfte. Doch mit dem Unterzeichnen des Dokuments sind entscheidende Grundfragen der Wassernutzung in Zentralasien noch nicht geregelt.

So besteht zum Beispiel Tadschikistan nach wie vor darauf, das schon zu Sowjetzeiten begonnene Wassergroßkraftwerk Rogun fertig zu bauen. Das bedeutet einen gewaltigen Einschnitt in die Natur und in die vorhandenen Wirtschaftsstrukturen. Zum einen werden gewaltige Wassermassen anzustauen sein, die über Jahre hinaus den Wasserabfluss nach Usbekistan und Kasachstan drastisch verringern werden. Das schafft dort Probleme bei der Weiterführung der wasserintensiven Baumwollwirtschaft. Außerdem werden die Wassermassen, die zu speichern sind, enormen Druck auf den Talsperrengrund ausüben, was infolge der Erdbebenwahrscheinlichkeit nicht ungefährlich ist.

Nun kann man sich bei diesem Beispiel damit beruhigen, dass es Tadschikistan offensichtlich auf längere Zeit kaum gelingen wird, die benötigten mehr als zwei Milliarden Dollar für den Weiterbau des Wasserkraftwerks zusammenzubringen. Schließlich ist mit Mühe und Not, darunter auch mit viel Druck auf die Bevölkerung, nicht mal die Hälfte der benötigten Gelder zusammengekommen. Dass das Projekt veraltet ist und in vielen Punkten nicht mehr modernen Standards entspricht und dass der Bau einer Serie kleinerer Wasserkraftwerke schneller und effizienter zu bewältigen wäre, scheint keine offenen Ohren zu finden. Nach der Unterzeichnung der genannten Übereinkunft wurde dann trotz der erreichten Ergebnisse von Beteiligten der Begriff „Wasser-Egoismus“ in Umlauf gebracht. Das ist zwar nur ein Wort, aber dennoch kein gutes Omen.

Bodo Lochmann

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