Die Deutschstämmigen in Russland, Kasachstan und anderen Staaten haben über Jahrzehnte die deutschen Traditionen gepflegt und an ihre Kinder weitervermittelt. Das Weihnachtsfest war für sie das größte Fest im Jahr. Währenddessen wurden in Deutschland im Laufe der Jahre auch neue Traditionen eingeführt. Unsere Autorin Oxana Bytschenko, selbst von Kasachstan nach Deutschland ausgewandert, berichtet.

Als Russlanddeutscher in Zentralasien aufzuwachsen, bedeutete zur Sowjetzeit, dass man sowohl die deutschen als auch die russischen und moslemischen Feiertage beging. Mit meiner Familie habe ich Weihnachten und Ostern gefeiert. Mit den Russen freute ich mich dann auf Silvester und orthodoxe Ostern. Im März traf ich mich mit Tadschiken oder Kasachen bei den Feierlichkeiten zu Nauryz.

Für alle Deutschstämmigen war das Weihnachtsfest aber das Wichtigste im Jahr. Der Heiligabend war für sie der Höhepunkt, an dem die ganze Familie zusammenkam. Meistens hat sich die Familie im Haus der Großeltern versammelt, wobei viel gegessen, gelacht und getrunken wurde. Wochen zuvor wurde zusammen mit den Kindern der Tannenbaum aufgestellt. Verschiedene bunte Figuren schmückten die meist künstliche Tanne. Die Geschenke für die Kinder kamen unter den Baum. Mütter und Omas haben sich tagelang zum Kochen und Backen in der Küche eingeschlossen. Auch hier wurden verschiedene Kulturen vermischt. So gab es auf unserem Weihnachtstisch immer russische Sülze, deutschen Apfelstrudel und Berge von Gebäck.

Vor dem Essen besuchte die ganze Familie einen Gottesdienst in einer deutschen Kirche. Dafür haben sich alle in der Familie ihre schönsten Anzüge und Kleider angezogen. In der Kirche erklärte der Pastor die Bedeutung des Weihnachtsfestes und las aus der Bibel vor. Nach dem Gottesdienst versammelte sich die Familie zu Hause am Tisch und das große Essen begann. Später am Abend wurden dann die Kinder beschenkt, meistens mit Anziehsachen und der Schokolade, die Verwandte aus Deutschland geschickt hatten.
Ich musste meinen erstaunten russischen Freunden immer erklären, wieso wir denn am 24. Dezember feiern und Geschenke bekommen. Silvester ist doch erst eine Woche später! Denn während der Sowjetzeit wurden die Kinder erst zu Neujahr beschenkt. So hatten aber die deutschen Kinder doppelte Freude.

Die Russen in Kasachstan und Tadschikistan haben das orthodoxe Weihnachtsfest am 7. Januar nicht gefeiert, denn Religion war zur Sowjetzeit verboten. Die Deutschen haben aber bei ihrer Ansiedelung an der Wolga und sonstwo in Russland Privilegien wie die freie Ausübung ihres Glaubens bekommen. Daher wurden die deutschen Bräuche lange Zeit weiter praktiziert.

Angekommen in Deutschland Anfang der Neunziger, musste ich jedoch feststellen, dass Weihnachten hierzulande zu einem kommerziellen Fest verkommen ist. Die Menschen laufen bereits Wochen vor Heiligabend durch die Städte und suchen passende Geschenke. Die Kinder freuen sich auf Weihnachten, weil es da Geschenke gibt und kennen oft nicht die Bedeutung des Festes. Schließlich geht es in Deutschland weniger um das Zusammensein zu Weihnachten als darum, freie Tage zu haben und teure Geschenke zu bekommen.
Die Weihnachtsmärkte, die in jeder Stadt stattfinden, treiben den kommerziellen Unsinn des Weihnachtsfestes noch mehr an. Überfüllte Straßen, gestresste Menschen, Kinder, die über ihre Geschenke meckern – das alles hat wenig mit Weihnachten zu tun.

Aber es gibt in Deutschland auch schöne Bräuche, die viele Russlanddeutsche nicht kennen, wie das Schmücken der Städte und die Sternsinger. In der Vorweihnachtszeit hängen in allen deutschen Städten und Häusern Lichterketten, Sterne und bunter Schmuck. Und am 6. Januar ziehen Kinder, als die Heiligen Drei Könige verkleidet, von Haus zu Haus. Sie erzählen die Weihnachtsgeschichte und singen Lieder vor. Am Ende bitten sie um Geldspenden, die sie dann für wohltätige Zwecke einsetzen. Bevor sie gehen, schreiben sie an die Häuser die drei Buchstaben „C+M+B“. Die Buchstaben sind die Anfangsbuchstaben der Heiligen Drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar. Sie sind eine Art Schutzformel, die die Menschen im Haus im folgenden Jahr vor Krankheiten und Unglück beschützen soll.

23/12/05

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