Das Zentralasien-Seminar an der Humboldt-Universität in Berlin ist einzigartig in Deutschland. Hier können Studierende Sprachen von Paschtu bis Kasachisch lernen, Seminare zur Bergbaupolitik in der Mongolei besuchen und ihr regionales Wissen vertiefen. Im Zuge eines neuen Strukturplans der Uni-Leitung drohen dem Institut nun substantielle Kürzungen, die den Fortbestand des Instituts gefährden. Die Initiative „Weißer Fleck Zentralasien“, bestehend aus aktuellen und ehemaligen Studierenden des Zentralasien-Seminars, stellt sich mit kreativer Energie gegen diese Kürzungspläne. Wir haben mit ihnen über die Zustände an der Fakultät und den Protest gesprochen.

Wann habt ihr von den bevorstehenden Kürzungen erfahren?

Anfang des Semesters kursierten erste Gerüchte am Institut. Dann folgte eine Sitzung der Fachschaft, die die angestoßene Kürzungsdebatte zum Thema hatte. Alle Informationen, die wir zu dem Zeitpunkt hatten, bekamen wird durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Von offizieller Seite gab es keine Statements zum Strukturplan, so dass wir erst auch nicht wussten, was die Einzelheiten sind.

Kannst du kurz erklären, was genau es mit dem Strukturplan auf sich hat?

Der Strukturplan stammt vom neuen Uni-Präsidium, das sich das Ziel gesetzt hat, die Humboldt-Universität wirtschaftlicher zu gestalten. Darin ist vorgesehen, in der Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftlichen Fakultät bis 2030 6,3% der Kosten einzusparen.
Konkret würde das die Streichung einer Professur samt den dazugehörigen Stellen für wissenschaftliches Personal und studentische Hilfskräfte bedeuten. Innerhalb der Fakultät hat das Dekanat entschieden, dass das Institut für Asien- und Afrikawissenschaften (IAAW) den Großteil der Kürzungen tragen soll, zu dem auch das Zentralasien-Seminar gehört.

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Warum ist ausgerechnet das IAAW betroffen?

Zunächst einmal möchte ich betonen, dass wir gegen jegliche Einsparungen von Uni-Mitteln sind. Insbesondere Regionalwissenschaften können nicht unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit betrieben werden. Außerdem sind viele Fachbereiche ohnehin schon stark unterfinanziert. Am IAAW wurden seit 1994 13 Professuren gestrichen, obwohl die Zahl der Studierenden seitdem stark gestiegen ist. Momentan decken elf Professuren drei Viertel der Weltbevölkerung ab. Zudem gibt es schon jetzt eine schlechte Betreuungsrate. Was die genauen Argumente des Präsidiums sind, wissen wir nicht. Den Strukturplan haben wir nämlich bis heute nicht zu Gesicht bekommen.

Das klingt nicht gerade transparent…

Selbst Mitglieder des Kuratoriums, das über den Strukturplan entschieden hat, hatten den Plan erst drei Tage vor der Abstimmung bekommen. Das ist viel zu wenig Zeit, um sich wirklich mit den Inhalten auseinander zu setzen. Auch die Einbeziehung der Studenten in den ganzen Prozess ist gering. Zwar konnte eine Studentenvertreterin mitstimmen, bei einfachem Mehrheitsentscheid und acht weiteren Stimmen war das aber nicht ausschlaggebend. Insgesamt herrscht am Institut bei vielen die Meinung, dass man gegen die Entscheidungen von oben ohnmächtig ist.

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Im Gegensatz dazu habt ihr angefangen, euch zu wehren. Wie sieht euer Protest aus?

In erster Linie versuchen wir all das, was vom Präsidium und Dekanat verabsäumt wird: Die Studierenden und die anderen Institutsangehörigen über den Kürzungsprozess zu informieren. Das Ganze nimmt mittlerweile absurde Züge an, selbst Professoren sind schon zu uns gekommen, um sich nach dem neuesten Stand zu erkundigen. Darüber hinaus haben wir auch bei öffentlichen Veranstaltungen wie der Langen Nacht der Wissenschaften mit stillem Protest auf den „weißen Fleck“ Zentralasien aufmerksam gemacht. Also darauf, dass es ohne Regionalwissenschaften kein Wissen mehr über Regionen gibt, die ohnehin schon kaum in der hiesigen Berichterstattung existieren.

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Was heißt das für die Zukunft des Zentralasien-Seminars?

Um das Marx-Zitat herum prangen die Losungen der Studierenden in den Uni-Gemäuern. | Foto: Lena Heller

Innerhalb des Instituts nimmt das Zentralasien-Seminar eine besonders prekäre Stellung in der Diskussion ein. Beide derzeitigen ProfessorInnen gehen in den nächsten vier Jahren in Pension – dies wäre für die Fakultätsleitung eine günstige Gelegenheit, um den Kürzungsplan umzusetzen. Die Streichung einer Professur wäre gleichbedeutend mit der Schließung des Seminars und einer Einstellung des Master-Studiengangs. Durch unsere Proteste haben wir aber einige positive Rückmeldungen aus der Politik bekommen.

Letzte Woche hat sich sogar der neu gewählte mongolische Präsident Battulga bei einem Treffen mit Berlins Regierendem Bürgermeister Müller für einen Fortbestand des Fachbereichs ausgesprochen. Zudem haben wir unser Anliegen auch mit weiteren Mitarbeitern des Berliner Senats diskutieren können. Unsere Hoffnung liegt nun darin, dass sich die Berliner Regierung gegen die Kürzungen einsetzt – immerhin hat die SPD in ihrem Wahlprogramm unterstrichen, wie wichtig Regionalwissenschaften im Zuge der zunehmenden Internationalisierung sind.

Mehr Informationen zu den bisherigen Aktionen und zur aktuellen Lage der Kürzungen am Zentralasien-Seminar gibt es unter: https://www.facebook.com/weisserfleckzentralasien/.

Das Interview führte Dénes Jäger

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