„Wichtig zu lernen: vor allem ist Einverständnis. Viele sagen ja, und doch ist da kein Einverständnis. Viele werden nicht gefragt, und viele sind einverstanden mit Falschem. Darum: wichtig zu lernen ist Einverständnis.“

Mit diesen Worten leitete das Deutsche Theater im Rahmen der „Deutschen Woche“ am 1. Oktober das Stück „Der Jasager“ von Berthold Brecht ein. Das besagte Stück war bereits Gewinner des Hauptpreises beim Festival „Offenbarung“ in Almaty und konnte auch an diesem Abend unter der Leitung von Regisseurin Natascha Dubs mit einer beeindruckenden Bühnenpräsenz glänzen.

Brechts philosophische Niederschrift in Form einer Lehroper erzählt von der Last der Wahl und der gegenseitigen Verantwortung zwischen einer Gesellschaft und ihren Mitgliedern.

Wer A sagt, der muss nicht B sagen

Die Besucher füllten nahezu den ganzen Raum, es sollen circa 150 Gäste den Saal besetzt haben. Der erste Teil der Inszenierung wurde dem Publikum als deutschsprachige didaktische Oper präsentiert, deren – griechisch anmutender – Chor unerbittlich schien. Dieser begleitete, wie es sich gehört – zynisch und ein wenig garstig – das Geschehen auf der Bühne und kokettierte mit dem Publikum. Die Kostüme wurden schlicht gehalten: Schuluniformen mit karierten Röckchen und Alltagskleidung. Auch das Bühnenbild fügte sich dieser Bescheidenheit und wiegte sich in Zurückhaltung, ganz nach Brecht. Der Fokus lag somit mehr auf dem Spiel und der Perfektion seiner Ausführung als auf dem Vergnügen, welches mancherorts durch Extravaganz evoziert wird.

Das Stück handelt von einem abgelegenen Dorf, in dem eine Krankheit ausbricht. Ein Lehrer macht sich daraufhin mit seinen Studenten auf den Weg in die Berge, um Medizin zu besorgen. Ein Junge, dessen Mutter ebenso von der Krankheit betroffen ist, beschließt, den Lehrer auf den gefährlichen Bergpfaden zu begleiten. Auf der anstrengenden Reise wird der Junge selbst krank und kann weder weitergehen noch von seinen Kameraden getragen werden. Die Teilnehmer der Expedition sehen sich mit der Frage konfrontiert – entweder umzukehren, um das Leben des Knaben zu retten oder sich selbst zu überlassen und ihn damit im Interesse des Gemeinwohls zu opfern.

Ohne Pause ging es sogleich in den zweiten Teil der Aufführung. Das Bühnenbild, nun umgestellt, die Sprache ins Russische gekehrt und die Exkursion nicht mehr in den Bergen, sondern als Diskussionsgrundlage in ein Klassenzimmer verlegt. Der Chor verstummte. Auch den Schauspielern wurde viel abverlangt, sie spielten alsdann ganz andere Rollen. Viel Pantomime, zirkusähnliche und zeitgenössische Einlagen rundeten jetzt die Inszenierung ab. Auffällig wurde, dass sich die Darsteller im russischen Spiel sichtlich sicherer fühlten, sodass der authentische Charakter der Rollen hier in vollen Zügen zum Tragen kam. Hierzu sei gesagt, dass trotz der zwei Sprachen, es für den Zuschauer stets ein Leichtes blieb, dem Stück zu folgen.

Ein sehr politisches Stück – besonders im russischen Teil kommt das zur Geltung, wenn man bedenkt, in welchem Land es an diesem Oktoberabend aufgeführt wurde.

„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“, so die Pointe, welche zugleich Handlungsmuster zu durchbrechen sucht und zur moralischen Orientierung und sozialkritischen Gesinnung aufruft. Pathetisch. Didaktisch. Herzlich. Niemand MUSS. Jeder hat einen freien Willen. Regeln sind relativ. Rationalität demnach auch. Jeder listet sein Verständnis. Derzeit siegt mentem noch und hadert sententia.

Die Rezipienten klatschen Beifall: Weiter so! Weitere Aufführungen sind voraussichtlich ab November geplant.

Tatjana Bogasch

Teilen mit:

Все самое актуальное, важное и интересное - в Телеграм-канале «Немцы Казахстана». Будь в курсе событий! https://t.me/daz_asia