Die gegenwärtige Krise bewirkt unter anderem wieder eine intensive Beschäftigung mit den großen Wirtschaftskrisen der Vergangenheit. Verglichen werden unsere heutigen Prozesse und Probleme vor allem mit der großen Depression von 1929 bis 1933. Das Wort „Depression“ ist dabei aber eine Beschönigung dessen, was damals passierte.

Diese größte bisherige Weltwirtschaftskrise ist in ihrer Tiefe, ihrer Geschwindigkeit, den vielen Fehleinschätzungen zu ihren Ursachen und ihrem Verlauf, den wirtschaftlichen und politischen Folgen und den dominierenden staatlichen Fehlreaktionen auch heute noch das zentrale Untersuchungsobjekt für angehende, aber auch für gestandene Ökonomen.

Jede Krise hat ihre spezifischen Ursachen, es gibt jedoch auch gemeinsame Merkmale, welche wiederholt auftreten. Dazu gehört auch die Spekulation. Zunächst einmal klingt Spekulation sehr negativ und kann dies durchaus auch sein. Große wirtschaftliche Zusammenbrüche, wie sie etwa in Folge der Tulpenspekulation in Holland im 17. Jahrhundert oder ab 1873 in Deutschland nach dem so genannten Gründerboom eintraten, beruhten letztlich auf spekulativen Handlungen. Spekuliert wird immer auf ein zukünftiges Ereignis, von dem aber niemand weiß, wann und ob es wirklich eintritt. In Holland seinerzeit rankten sich Gerüchte und Erwartungen um die Tulpe, eine damals in Europa neue Blume mit der sich im normalen (also nicht spekulativen Geschäftsgeschehen) durchaus überdurchschnittliche Gewinnspannen verdienen ließen. Das spekulative Element kam auf, als eine zu große Anzahl von Leuten glaubte, durch letztlich einfaches Kaufen und Verkaufen der Tulpenzwiebeln ohne besondere Anstrengungen reich werden zu können. Eine Handvoll Leute ist meist mit Spekulationen erfolgreich, doch eine große Masse von Menschen kann sich nicht ohne eigene Arbeit ihre Existenzgrundlagen sichern.

Spekulation ist eine durchaus normale, notwendige und teilweise rationale Verhaltensweise. Ohne Spekulation kann eine Wirtschaft letztlich nicht normal funktionieren. Wobei „Spekulation“ zunächst definiert werden muss. Jeder Unternehmer, ja letztlich jeder Mensch versucht, die unbestimmte Zukunft maximal planbar zu machen. Die Mehrzahl der Menschen mag es nicht, von unerwarteten Ereignissen überrascht zu werden. Die Zukunft aber können wir dennoch nicht mit ausreichender Sicherheit vorhersagen. Wir helfen uns mit Erfahrungen, mit Erwartungen, mit Ratschlägen anderer, manchmal hören wir auch auf Gerüchte oder glauben jeder als brandneu deklarierten Nachricht. Man kann es durchaus Spekulation nennen, wenn wir ein paar Tage mit dem Geldumtausch warten, weil wir eine Veränderung des Wechselkurses zu unseren Gunsten erhoffen. Oder wenn wir ein Haus in der Erwartung bauen, mehrere Kinder zu haben. Wenn dann aber die Wechselkursveränderung nicht zu unseren Gunsten eintritt, bekommen wir nicht den erwarteten Mehrertrag. Ist die Anzahl unserer Kinder niedriger als ursprünglich geplant, bleibt unser Haus leer.

Insbesondere Unternehmer müssen sich bemühen, in die Zukunft zu schauen, um zu bestimmen, wie sich die Nachfrage nach ihren Erzeugnissen entwickeln könnte. Erst wann man davon ausgehen kann, dass sich die Nachfrage über einen ausreichenden Zeitraum stabil entwickelt, wird investiert. Es kommt hierbei notwendigerweise in aller Regelmäßigkeit zu Fehleinschätzungen in Form zu optimistischer (das ist der typische Fall) oder zu pessimistischer Einschätzungen. Wenn dann in größerem Maße Investitionen getätigt wurden, ist das Geld schnell futsch oder bringt nicht den objektiv notwendigen Ertrag. Eine solche wirtschaftlich orientierte Spekulation wird meist „Strategie“ oder „Prognose“ genannt und ist sicher kein reines Hirngespinst, sie enthält aber fast immer auch spekulative Elemente.
Spekulation wird dann kontraproduktiv, wenn eine zu große Zahl von Leuten, die den eigentlichen wirtschaftlichen Prozess nicht verstehen, aus reiner Gier Gerüchten glaubt und unüberlegt zu viel Geld nur auf einen Punkt setzt. Die so entstehenden Blasen platzen mit schönster Regelmäßigkeit, beginnend bei der Spekulation um die Tulpenzwiebeln vor fast 300 Jahren über die Internetblase vor 10 Jahren bis zur heutigen Immobilienblase. Es gibt sogar eine hochoffizielle Theorie der Spekulation. Doch alle Theorie ist grau. Offensichtlich will und muss jede Generation ihre eigenen Spekulationserfahrungen sammeln. Mit Verboten wird kaum etwas zu bewirken sein.

Bodo Lochmann

14/08/09

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