Unlängst schien der Machtwechsel zu Schwarz-Gelb in Berlin noch beschlossene Sache. Die deutsche Wirtschaftszeitung „Capital“ spekulierte im Vorfeld der Wahl gar schon über Firmen, die besonders von dem neuen Kurs von Union und FDP profitieren könnten. Nach dem kurzen und heftigen Wahlkampf gilt nun jedoch vielmehr: Nach der Bundestagswahl ist vor der Koalitionswahl.

Unlängst schien der Machtwechsel zu Schwarz-Gelb in Berlin noch beschlossene Sache. Die deutsche Wirtschaftszeitung „Capital“ spekulierte im Vorfeld der Wahl gar schon über Firmen, die besonders von dem neuen Kurs von Union und FDP profitieren könnten. Nach dem kurzen und heftigen Wahlkampf gilt nun jedoch vielmehr: Nach der Bundestagswahl ist vor der Koalitionswahl.

Die Wähler in Deutschland haben ihre Politiker vor ein überraschend breites Spektrum an unkonventionellen Koalitionsalternativen gestellt – falls nicht eine Große Koalition kommt. Die im Lagerwahlkampf von den Parteien favorisierten Zweiparteien-Koaltionen Rot-Grün oder Schwarz-Gelb sind in dieser Form nicht möglich. Das knappe Wahlergebnis und der am Wahltag beginnende Streit über ein vermeintliches Mandat zur Regierungsbildung zwischen SPD und Union lässt den Eindruck entstehen, es fehle gar ein klares politisches Mandat in Deutschland.

Die nahezu gleiche Stimmenzahl der beiden Volksparteien zeigt: Es war eine Wahl ohne wirkliche Alternativen – aber auch ohne klare Richtungsentscheidung. Die Verteilung der Stimmen über das gesamte Parteienspektrum ist geradezu ein Stimmungsbild der deutschen Gesellschaft. Viele Menschen wollen eine Modernisierung, Reformen und akzeptieren den notwendigen Rückbau sozialer Leistungen. Sie honorieren den von Rot-Grün eingeschlagenen Reformkurs und sehen bei der Union nicht mehr Reformkompetenz. Anderen geht die Reformpolitik zu weit oder eben nicht schnell genug. Man wendet sich CDU und FDP zu. Anderen geht der Abbau des Sozialstaates eindeutig zu weit. Aus Angst oder Frustration wendet man sich der neuen Linkspartei zu.

Das Wahlergebnis führt der deutschen Bevölkerung ihr ambivalentes und gespaltenes Verhältnis zur notwendigen Modernisierung bestens vor. Es zeigt aber auch, dass die Bevölkerung und ihr demokratisches Votum zugleich Teil und Lösung des gordischen Knotens sind. In traditionellen politischen Lagerkategorien gedacht, ist das Wahlergebnis bitter entäuschend, wie es der Präsident des Bundes der Deutschen Industrie Jürgen Thumann trefflich formulierte. Es kann zu weiterem Stillstand führen. Genauso könnte das Wählervotum aber ohne den Beigeschmack einer Bananenrepublik zu unkonventionellen „farbenfrohen“ Koaltionsformen, wie beispielsweise der Ampel oder „Jamaika“- bzw. „Schwampel“-Koalition (Schwarz-Gelb-Grün), genutzt werden. Dies könnte dem Land vielleicht wirklich Reformdynamik und Aufbruchsstimmung bescheren.

23/09/05

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