Die aktuelle Krise bewirkt die Neubewertung einer ganzen Reihe von Dingen, darunter auch von internationalen Organisationen. So wurde erst vor drei, vier Jahren ziemlich intensiv darüber diskutiert, ob der Internationale Währungsfonds (IWF) noch zeitgemäß sei und ob man ihn nicht auf absehbare Zeit ganz abschaffen könnte. Die Ursachen der Diskussionen waren vielfältiger Natur.

Die nach dem zweiten Weltkrieg gegründete Finanzorganisation, der fast alle Länder (seit Beginn der 1990er Jahre auch Kasachstan) angehören, hatte während der Finanzkrisen Ende der 1990er Jahre nicht gerade das beste Image erworben. (Wir erinnern uns: 1997 – Asienkrise, 1998 – Russlandkrise.) Zu spätes Erkennen von Problemsituationen, zu langsame Reaktionen auf sie, zu wenige auf die Spezifik der einzelnen Länder zugeschnittene Lösungen und zu harte soziale Einschnitte zur Sanierung der Staatsfinanzen – das waren die typischen Kritikpunkte an der Arbeitsweise des IWF. Seine längerfristige Existenzberechtigung aber schien vor allem deshalb in Frage zu stehen, weil eine ganze Reihe von Ländern sich ihre eigenen Vorräte an Devisenreserven aufbauten, um so im Falle internationaler Zahlungsprobleme vom IWF unabhängig zu sein. Geradezu legendär sind die Devisenvorräte Chinas, die etwa zwei Billionen Dollar erreichen. Aber auch andere Länder mit nicht allzu breit diversifizierter Wirtschaft, darunter Russland und andere rohstoffexportierende Staaten, bauten ziemlich große nationale Devisenreserven auf und erreichten damit tatsächlich eine weitgehende Unabhängigkeit vom IWF. Dieser hatte in den letzten etwa 10 Jahren zudem das Problem, dass auf den internationalen Geldmärkten das Geldangebot sehr groß und das Kreditangebot des Fonds selbst nur eines von vielen konkurrierenden Angeboten war. Die Geldnehmer konnten sich also meist ihren Kreditgeber aussuchen und machten eher einen Bogen um den IWF, weil dessen Kreditauflagen gefürchtet waren.

In den letzten Monaten aber hat sich das Bild stark gewandelt. Der IWF ist wieder wer in der internationalen Finanzwelt und oft sogar die letzte Instanz, wenn‘s ums Geldborgen geht. Eine ganze Reihe von Ländern hat die Dienste des Fonds in Anspruch genommen oder ist dabei, es zu tun, um entweder den drohenden Staatsbankrott abzuwenden oder zumindest sein Kreditrating durch pünktliche Erfüllung aller internationalen Zahlungsverpflichtungen zu halten. Mexiko, bekommt zum Beispiel 47 Milliarden US-Dollar, Polen 20, 5, die Ukraine 16, Ungarn 15, 7, Kolumbien 10,4, Pakistan 7,7, Weißrussland 2,4, Lettland 2,3 und Island 2,1 Mrd. US-Dollar.

Gerade rechtzeitig hat sich dabei der IWF wie Phoenix aus der Asche erhoben, ein Vorgang, der ihm eigentlich gar nicht mehr zugetraut worden war. Eine Ironie ist bei dem allen, dass der IWF gerade dabei war, seine eigene Sanierung abzuschließen. Vor gut einem Jahr hatte der Fonds noch etwa 2.900 Mitarbeiter, jetzt sind es 400 weniger. Infolge mangelnder Nachfrage nach den Leistungen des Fonds wurde auch dessen Personal reduziert. Was noch vor kurzem richtig war, könnte sich bald als Fehler herausstellen: Das vorhandene Personal könnte zu knapp werden. Mittlerweile haben die Mitgliedsländer des Fonds ihn mit sehr ordentlichen Geldbeträgen ausgestattet, damit er seine Funktion als Finanzfeuerwehr auch erfüllen kann. Denn bei weitem nicht alle Länder waren willens oder in der Lage, sich große Finanzpolster zuzulegen. Theoretisch ist das auch nicht notwendig, schließlich wurde der IWF dafür geschaffen, dass nicht jedes Land eigene Reserven halten muss, die in Notsituationen oftmals sowieso nicht ausreichen. Im Moment verfügt der Fonds über 750 Milliarden Dollar Barmittel und 250 Mrd. Sonderziehungsrechte – letzteres ist eine Kunstwährung mit internationaler Clearingfunktion. Geld ist also – zumindest im Moment – genug da. Aber auch die Arbeits- und Vergabebedingungen des IWF haben sich im Rahmen des eigenen Reformprozesses drastisch geändert. Mit der wachsenden Nachfrage nach Krediten wurden auch die Konditionen verändert, die der Fonds bisher immer sehr streng gehandhabt hatte, und die oft genug Zündstoff für Konflikte waren. Die Einrichtung einer neuen „Flexiblen Kreditlinie (FCL)“, die von den Kreditnehmern die Einhaltung deutlich weniger strenger Bedingungen verlangt, wäre noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen. In Krisenzeiten aber muss das Geld sehr schnell zu denen gebracht werden, die gefährdet sind. Es bleibt allerdings zu hoffen, dass die notwendigen Prüfungen trotz allen Zeitdrucks nicht gar zu oberflächlich sind und das Geld nicht einfach aus dem Fenster geworfen wird. Sollte sich in der aktuellen Krise die neue Arbeitsweise des IWF bewähren, könnte die Chance bestehen, dass er sein Image, vor allem in den asiatischen Ländern, wieder so aufbessern kann, dass er die ihm zugedachte Rolle auch erfüllen kann. Dann würde die Notwendigkeit entfallen oder sich zumindest verringern, dass einzelne Nationalstaaten in enormen Mengen Devisen horten und so bestimmte andere Gefahrenpotentiale wie Abwertungen beim Verkauf großer Devisenmengen aufbauen. Die Stunde der Wahrheit für den IWF kommt jedoch erst nach der aktuellen Krise, dann nämlich, wenn die Welt nicht mehr auf jeden finanziellen Schreckensruf mit Feuerwehraktionen reagiert oder reagieren muss.

Bodo Lochmann

01/05/09

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