Peacebuilding muss nicht immer auf höchster politischer und diplomatischer Ebene stattfinden. Gordon Mitchell vom Art Peace Project der Universität Hamburg nutzt performative Kunst als Instrument zur Friedensarbeit. Anfang Mai setzten sich zwölf Studierende aus Kasachstan und Kirgisistan in einem seiner Workshops mit ethno-politischen und kulturell-religiösen Konflikten in Zentralasien auseinander.

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion flammen in Zentralasien immer wieder ethno-politische, kulturelle und religiöse Konflikte innerhalb verschiedener Gruppen eines Landes oder aber auch zwischen Staaten auf. Der Workshop „Stories on the Silkroad: Narrative and Image in Transnational Exchange“ greift diese Problematik in künstlerisch-ästhetischer Herangehensweise auf. Es ist ein gemeinsames Projekt der Universität Hamburg, der Deutsch-Kasachischen Universität (DKU) in Almaty und dem DAAD.

Durch die Methode des Storytellings und der Produktion von Videobildern lernten die Teilnehmenden, auf spielerische Art und Weise schwierige Konflikte in Zentralasien zu verstehen und künstlerisch zu verarbeiten. Ein weiteres Ziel war die Erzeugung eines interethnischen Dialogs zwischen den Studierenden. „Bei der Auswahl der Studierenden haben wir darauf geachtet, dass wir eine große Diversität unter den Teilnehmenden haben. Wir wollten Studierende unterschiedlicher Ethnien, Studiengänge und Universitäten zusammenbringen“, sagt Mitorganisatorin Zarina Adambussinova von der DKU.

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Drei Orte, drei Konflikte

Zur Veranschaulichung der historischen und aktuellen Konfliktlinien in Zentralasien wählten die Workshopleiter exemplarisch drei Städte, die sie im Laufe einer Woche besuchten: Almaty, Bischkek und Osch. „Mit den Studierenden wollten wir politisch aufgeladene Orte besuchen“, führt sie aus. In Almaty besichtigten sie den Platz der Republik, wo im Dezember 1986 Studierende gegen den aus Moskau geschickten neuen Ersten Sekretär der Kommunistischen Partei von Kasachstan protestierten. „Bis heute sind die Unruhen im kollektiven Gedächtnis Kasachstans fest verankert und emotional stark aufgeladen“, so Adambussinova.

Aktuellere Ereignisse betrachtete die Gruppe in Kirgisistan: In Bischkek besuchten sie unter anderem den Ala-Too Platz, auf dem 2005 die sogenannte Tulpenrevolution stattfand. Der dritte Ort auf ihrer Reise war Osch: Als direkte Konsequenz einer zweiten Revolution im Frühjahr 2010 kam es dort kurze Zeit später zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Kirgisen und ethnischen Usbeken.

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Kreative Kunstformen eröffnen neue Perspektiven auf Konflikte

Die Reise zu den drei Orten sollte die Studierenden nicht nur mit der Thematik vertraut machen, sondern sie auch zu Ideen für ihre eigene künstlerische Aufarbeitung inspirieren. Zunächst noch zögerlich, sprudelte die Kreativität gegen Ende des Workshops nur so aus ihnen heraus. Verschiedene Formen des Storytellings machten sich die Workshop-Teilnehmer zu eigen. In Einzel– und Partnerprojekten entstanden Gedichte, Collagen, Fotostorys, kurze Videos und sogar ein Film. Manches ist Fiktion – inspiriert von den besuchten Orten und den dort erzeugten Gefühlen. Doch basieren viele Geschichten auch auf eigenen Erfahrungen, Interviews und den Erinnerungen von Verwandten.

Den Studierenden gelingt es, die Komplexität von Konflikten durch die von ihnen gewählte Kunstform zu zeigen. Da ist das Gedicht über ein kleines Mädchen, das mit ihrer Familie 2010 aus Osch fliehen musste. Durch ihre Augen erfährt der Leser, wie es sich anfühlt, plötzlich in einem Krisengebiet zu sein und das Zuhause verlassen zu müssen. Die Perspektive des Hundes Homer in einem anderen Gedicht unterstreicht die Unverständlichkeit der damaligen Situation. Ainel Rakhymzhanova und Ulukbek Sysykov überwinden den Konflikt in ihrem Film „Dostuk“ (kirgisisch für „Freundschaft“): Die Geschichte über eine kirgisisch-usbekische Freundschaft zeigt, dass diese stärker als der von anderen angestachelte Konflikt ist.

In der Videogeschichte „Faceless Watcher“ von Diana Issenturliyeva betont diese die Verantwortung, die die Menschen für die Entscheidung über Krieg und Frieden haben. Auch das Fotoprojekt von Aizere Malaisarova zu den Aufständen in Almaty 1986 sowie die Analyse der kirgisischen Revolutionen in Form von Gedichten und Fotographien von Eldaniz Gusseinov und Ilim Abaiuulu gehen einem ähnlichen Gedanken nach. Eldaniz Gusseinov sagt: „Ich will mein Land nicht im Krieg sehen, heute muss es andere Mittel als Gewalt geben, um für seine Ansichten zu kämpfen. Es ist wichtig, zuerst nachzudenken, bevor man ein ganzes Land in eine gewaltsame Revolution stürzt.“

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Jeder kann dazu beitragen, Frieden zu schaffen

Die Teilnehmenden sind von dem Workshop begeistert. „Wir hatten so eine gute Zeit und tolle Lehrer“, schwärmen sie. In den Projekten ging es ihnen darum, zu zeigen, dass „Frieden alles ist, was wir brauchen“. Nun haben sie selbst erlebt, wie einfach es ist, einen eigenen Beitrag zur Friedensarbeit zu leisten.

Während des Workshops blieben inter-ethnische Konflikte zum Glück aus. Der Gruppe gelang es, innerhalb einer Woche zu einer festen Einheit zusammenzuwachsen. Die Abschlusspräsentation war entsprechend emotional, Tränen kullerten. Zumrat Sanakulova resümiert: „Ich spürte ein so großes Zusammengehörigkeitsgefühl in der Gruppe. Ich denke, dass der Workshop uns alle verändert hat. Der Umweg über die Kunst hat uns geholfen, aus unserem festen Gedankenrahmen auszubrechen und neue Perspektiven wahrzunehmen.“

Take a thought

From year to year Central Asian people lived together,
Then, to their territory came a bad weather.
It was bad, it was bloody, it was terrible,
Like everyone, I wanted to live side by side, it was impossible.

7th April 2010, events in Osh,
It was awful, like crashi father’s Porsche.
The end of wars, so much tears,
We wish to forget, to delete those terrible years.

People should open their heart to world,
To look at themselves from outside .
All whole scope inside to tight,
To burn with the fire of love and to light.

Thanks to Zarina and Gordon for the teach,
You made our worldview more reach.
Those days were the best and the top,
We will wait for the next workshop.

Жанжаал бутту, жакшылыкка умтулдук,
Ый-мунду, таарынычты калтырып.
Жамандыктан аран гана кутулдук,
Толпой бийик акыйкатты багынтып.

Все мы хотим про все это позабыть,
Наш свой маленький мир сохранить.
Чтобы солнце дарило людям радость и свет,
Чтобы мир на планете, не было бед.

Жарай адамдар сагызсыз омур суреди,
Солай дуниеде достык болады.
Озбекстан, Кыргызстан, Казахстан агайлар,
Жене алардын арасы жок автоматтар.

Wenn man will etwas zu ändern
Müssen darüber Leute denken
Ob es unser Welt verbessern wird
Oder nächster Krieg beginnt.

by Ilim Abai uulu and Eldaniz Gusseinov

Sabine Hoscislawski

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