„Wie möchten Sie Ihren Kaffee denn heute gern?”, ist angeblich die einzige Frage, mit der sich ein Praktikant an eine ihm höhergestellte Person im Betrieb richten darf. Und somit die einzige Frage überhaupt, zumal es nirgendwo etwas Tiefergestelltes gibt als Praktikanten.

Unterster Dienstgrad, sozusagen. Nur, woher kommt denn eigentlich dieses beinahe bösartige Vorurteil vom zum Kaffeekochen verdammten Praktikanten? Und wie um alles in der kleinen Welt eines Praktikumsabsolventen kann sich der Kaffeestereotyp bis heute gegen andere prominente Praktikantenbeschäftigungen so hartnäckig durchsetzen? Wer weiß, vielleicht wollte damals Bill Clinton genau jenem Stereotypen Abhilfe schaffen und dem Praktikantenstand ein für alle Mal zu einem anderen Image verhelfen. Geholfen hat’s herzlich wenig – wer sagt schon zu einem Praktikanten: „Na, und darfst du auch mal was am Schreibtisch erledigen, oder befindet sich dein Arbeitsbereich eher darunter?” Aber das wäre ja auch zu verwegen. Und so bleibt es eben beim guten kalten Kaffee. Doch, Hand aufs Herz, Kaffeeservieren hat auch seine Sonnenseiten. Nicht genug damit, dass in jedem Unternehmen verschiedene Kaffeemaschinen stehen und ein weit gereister Praktikant die Bedienung verschiedenster Marken im Lebenslauf auflisten kann, nein, er hat auch die Chance, mit sämtlichen Kaffeesorten dieser Erde ein freundschaftliches Verhältnis aufzubauen und beim Studium der Ingredienzien den einen oder anderen Brocken Arabisch aufzuschnappen. Das wiederum kann dem hilfreich sein, der im Sommer aus Versehen statt in einer türkischen Sprachschule in einem Terroristencamp landet. Und überhaupt hält doch eigentlich der Praktikant beim Lesen im Kaffeesatz – einem Marionettenspieler gleich – sämtliche Fäden in der Hand und kann mit sachkundigem Aufguss gar den einen oder die andere im Büro um den Finger wickeln. Schon nach der ersten Kaffeebestellung kennt er nämlich die Vorlieben seiner Klientel. Während ihm nun vielleicht das eine oder andere Licht aufgeht, beginnt auch gleich des Praktikanten interessanteste Aufgabe: Die Mitarbeitermanipulation. Ein Beispiel: Der Chef will den Kaffee nicht zu stark, in einer großen Tasse. Mit Milch, aber ohne Zucker. Ein Anfängerpraktikant wird wohl das Gebräu aus Angst, etwas falsch zu machen, vor den Augen des Bosses mixen, obwohl dieser viel zu tief in seine Arbeit versunken ist, um vom Kaffeekoch auch nur Notiz zu nehmen. Der etwas Fortgeschrittenere oder schlicht gerissene Praktikant wartet ab, bis ein Anruf zum Chef durchgestellt wird und rückt jenem sofort mit Kaffee auf den Pelz. Spätestens ab dem dritten Arbeitstag sollte ein findiger Praktikant jedoch das Potenzial erkannt haben, das in seiner Aufgabe steckt. Zuerst muss er nun die Mitarbeiter für sich gewinnen. Den Kaffee dünn wie eine Weltkriegssuppe servieren, statt mit Zucker mit Assugrin süßen und mit einem unauffälligen Kopfnicken in Richtung Chef zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorknirschen: „Sorry, Sparmaßnahmen”. Dann ran an den Boss: Ein übergroßer Schuss Milch verbirgt die doppelte Ration Kaffee, und dem Chef wird es unerklärlich sein, wieso er plötzlich so nervös ist. Wendet der Praktikant diese Taktik zwei Wochen lang konsequent an, bilden sich Ringe unter den Chefaugen, er schläft nicht mehr, bringt aber trotzdem nichts zu Stande, und die Leistungen lassen nach und nach nach. Spätestens in der dritten Praktikumswoche, erster Termin vor dem Verwaltungsrat und eine Woche später ist er seinen Job schon los – freie Bahn und beste Voraussetzungen für den bereits mit Betrieb und Sekretärin vertrauten Praktikanten. Nun, die Wahrscheinlichkeit, dass diese kleine Verschwörungstheorie auch wirklich funktioniert, ist zugegebenermaßen verschwindend gering – aber allemal einen Versuch wert. Denn, sollten auch Mitarbeiter und Chef nach drei Tagen schlechten  Kaffees die Schnauze voll haben, so können Sie doch den Praktikanten weder entlassen noch degradieren. Im besten Falle holen sie sich ihren Kaffee wieder selber.

02/02/07

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