Wenn man in einem Land lebt, in dem man nicht alles versteht, hat man grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder fragt man ständig nach und lässt sich alles langsam und ausführlich erklären. Oder man gibt sich damit zufrieden, nur die Hälfte zu verstehen, das Thema grob zu erfassen und ein Gespräch locker in Gang zu halten.

Wenn man bedenkt, dass Kommunikation meist weniger über die Inhalte erfolgt als über den Umgangston, die Stimmungen und Schwingungen, Mimik, Gestik und Signale, die man sendet, dann ist die letztgenannte Variante sicherlich die bessere Wahl. Hier gibt es mehrere Stufen, die man durchlaufen kann.
Stufe eins: Man lässt sich ganz auf die Rolle des Zuhörers ein, nickt verständig, schaut aufmerksam und murmelt ab und zu etwas, das nach Zustimmung klingt. In dieser Rolle muss man darauf achten, welche Art Bestätigung der Erzähler braucht. Es wäre fatal, wenn man zum Beispiel in eine todtraurige Geschichte hineinlächelt oder sogar lacht. Entscheidend sind die ersten acht bis zehn Minuten. Wiegt sich der Erzähler in der Sicherheit des Verstandenwerdends, gibt es eigentlich kein Halten mehr, dann nimmt die Aufmerksamkeit gegenüber dem Zuhörer ab, und man kann nahezu murmeln, was man will. In ganz hartnäckigen Fällen kann man sich sogar erlauben, ein Buch zu lesen oder sogar den Raum zu verlassen, die Person wird trotzdem weiter erzählen, sie kommt aus der Erzählspur einfach nicht mehr raus (auch meine Mutter gehört dieser Spezies an).
Wagt man sich aus der Vorschule des Nickens und Murmelns, wird es schon schwieriger. Ich habe in Russland nur die erste Stufe geschafft. Stufe zwei erreicht man erst, wenn man schon viele Jahre lang Stufe eins durchlaufen hat. So wie Mama Panič, die Mutter meiner Freundin. Unlängst durfte ich miterleben, wie sie sich behände und mit Bravour auf Stufe zwei bewegte, nämlich: über Dinge mitreden, die man eigentlich gar nicht kennt. Mein Freund Frank erwähnte den neuen James-Bond-Film. Ich zuckte nur mit den Schultern, weil ich nicht mal den Vorfilm gesehen hatte. Doch Mama Panič griff das Thema auf, stieg ein und so unterhielten sie sich ganze zehn Minuten lang über den Film. Und zwar mit fast gleichen Redeanteilen! Ich war mir absolut sicher, dass Mama Panič diesen Film nicht gesehen haben konnte, weil sie nämlich noch nie im beizutragen hatte Kino war. Da ich sowieso nichts beizutragen hatte, habe ich mich darauf konzentriert, ihre Kommunikationstricks zu analysieren. Ein wichtiger Ansatz ist dabei, die Sätze des Vorredners zu beenden, dann wirkt es so, als hätte man die Feststellung selbst gemacht. Dazu muss man allerdings blitzschnell erfassen, was jener ausdrücken will und die passenden Wörter finden, sprich: Man muss eigentlich die Sprache beherrschen. Mein Freund Elmer sagt aber, dass man sich gängiger Schemata der Satz- und Wortbildung bedienen kann, wenn man nicht textsicher ist. Wenn man Satzanfänge serviert bekommt, lässt sich der Rest recht einfach ergänzen und man kann Sätze bilden, die man allein und selbst nie hätte formulieren können, so Elmer. Es sieht so leicht und wirkungsvoll aus und ist trotzdem eine besondere Kunst der Verständigung. Wieder etwas Einfaches, das so schwer zu machen ist!

03/04/09

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