Deutsch! Deutsch! und nochmals Deutsch! sollen die Zuwanderer in Deutschland können, damit endlich die Integration gelingt. 

Na gut, ist schon wahr, dass man die Sprache des Landes, in dem man lebt, sprechen können muss, um sich zurechtfinden und einer Ausbildung und Beschäftigung nachgehen zu können. So weit, so klar. Unklar bleibt hingegen, welches und wie viel Deutsch zum geforderten Grundwortschatz gehören soll. Manch einer kann sich prima verbal ausdrücken, hat aber Schwierigkeiten mit dem schriftlichen Deutsch. Mal unter uns, das Behördendeutsch treibt auch manch Deutschstämmige zur Verzweiflung, und wussten Sie, dass immerhin 0,6 Prozent der Deutschen Analphabeten sind?

Dass Deutschkenntnisse noch nicht der letzte Schluss einer erfolgreichen Integration sind, wurde längst begriffen. Sowieso muss sich jeder, der sich einbürgern lassen will, zum deutschen Grundgesetz bekennen. Tut denn auch jeder bereitwillig. Aber das reicht auch noch nicht. So sind die Integrationskurse auf der Tagesordnung gelandet. Weitere und durchaus geeignetere Wege wurden über die Förderung von lokalen und regionalen Projektinitiativen zur Beschäftigungsförderung von Migranten eröffnet. Aber nein, manch ein Bundesland ist damit noch nicht zufrieden. Etwas offizieller und disziplinierter soll es zugehen. Der Innenminister Bayerns hat angedroht, denjenigen die Leistungen zu kürzen, die sich weigern, an Integrationskursen teilzunehmen. Da ließe sich drüber streiten, inwiefern ein Zwang zur Integration bestehen darf. Heißt das im Umkehrschluss, wer nicht an Kursen teilnimmt, integriert sich nicht? Wohl kaum. Hier stoßen wir auf ein Grundproblem – die Kriterien und Messbarkeit von Integration bzw. Integrationswillen. Wie steht es etwa mit einem Unternehmer ausländischer Abstammung, der deutsche Auszubildende beschäftigt? Na, wenn das nicht Integration genug ist! Oder müssen wir jetzt alle Migranten durch Testverfahren schleusen, damit uns keiner durch die Lappen geht? Fragwürdig.

Und was ist mit der leidigen Kopftuch-Frage? Wenn eine junge Muslimin fließend Deutsch spricht, ein Studium durchläuft, eingebürgert ist und sich auch sonst integriert – mit oder ohne Kurs, dann hat sie im Prinzip alle Voraussetzungen erfüllt. Sie wird aber von der Mehrheit der Gesellschaft trotzdem nicht als integrationswillig begrüßt, wenn sie ihr Kopftuch nicht ablegen will. Dabei ist im Grundgesetz die Religionsfreiheit eindeutig festgelegt. Um die letzten Lücken zu schließen, ist Baden-Württemberg noch einen Schritt weiter gegangen und hat sich 30 Fragen überlegt, anhand derer Zuwanderer ihre Akzeptanz der deutschen Grundordnung unter Beweis stellen müssen. Ob Männer ihre Ehefrauen schlagen dürfen, ob die Eltern ihre Kinder am Schwimmunterricht oder an Klassenfahrten teilnehmen lassen würden und derlei anderes will man wissen. Dies ist ein klarer „Anschlag” auf die islamische Bevölkerung unter den Migranten, die sich auch zu Recht empören. Beruhigend ist, dass sich nicht nur die Betroffenen zu Wort melden, sondern der Vorstoß Baden-Württembergs geht auch vielen anderen Deutschen zu weit. Die Debatte über die „deutsche Leitkultur” ist noch nicht in Vergessenheit geraten. Was darunter zu verstehen ist und wer bestimmt, was das sein soll, wurde bislang nicht geklärt. Weil es nicht zu klären ist in einem föderalistischen Land mit über 80 Mio. Einwohnern, darunter über 2 Mio. Zuwanderer, die einen anderen kulturellen Hintergrund mitbringen. Und schließlich will sie jeder haben, diese Plakette „Multikulti”. Welche Stadt möchte sich nicht damit rühmen, international zu sein? Eben! Und wer Multikulti will, der muss auch auf den deutschen Einheitsbrei verzichten und sich damit abfinden, dass manche Dinge im Leben nicht zu definieren sind. Vielleicht ist das das eigentliche Problem, über das wir Deutschen stolpern, die wir so gern das Karteikartensystem pflegen und uns in formalen Vorgängen, Strukturen und Ordnung verlieren. Schade eigentlich, denn ganz insgeheim haben auch wir es gern bunt und vielfältig.

Von Julia Siebert

03/02/06

Teilen mit:

Все самое актуальное, важное и интересное - в Телеграм-канале «Немцы Казахстана». Будь в курсе событий! https://t.me/daz_asia